Ein Selfie mit Angela Merkel hatte für einen jungen Syrer unangenehmen Folgen: Auf Facebook wurde gegen den Flüchtling gehetzt und Falschnachrichten verbreitet. Dennoch muss das soziale Netzwerk nicht aktiv nach solchen Hetzbotschaften suchen.

Berlin - Erstmals musste sich Facebook vor einem deutschen Gericht verantworten – und mit dem gestern vom Landgericht Würzburg verkündeten Urteil wird der Konzern zufrieden sein. Die Richter entschieden, dass Facebook weiterhin nicht aktiv nach rechtswidrigen Beiträgen (Postings) suchen muss, um sie anschließend zu löschen. Damit unterlag der syrische Flüchtling Anas Modamani mit seinem Antrag auf einstweilige Verfügung gegen den Internetriesen und muss weiter selbst verleumderische Beiträge gegen ihn suchen und melden.

 

Modamanis Foto, das der Flüchtling im Sommer 2015 von sich und der Bundeskanzlerin bei ihrem Besuch in einer Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Spandau machte, ging um die Welt. Das Bild wurde zu einem Symbol weltoffener deutscher Flüchtlingspolitik. Nur hatte der Schnappschuss für Modamani unangenehme Folgen: Seither sieht er sich im Netz mit bösen Verleumdungen konfrontiert. In Facebook-Beiträgen wurde wahrheitswidrig behauptet, er habe einen Obdachlosen in Berlin angezündet, er wurde zudem mit den Terroranschlägen in Brüssel und auf dem Berliner Breitscheidplatz in Verbindung gebracht. Es kursierten auch verleumderische Fotomontagen. Die offenkundige Absicht war, Merkels Flüchtlingspolitik zu diskreditieren.

Modamani wollte Facebook nun verpflichten, alle Postings zu entfernen, die ihn verunglimpfen, also auch die von Nutzern mit anderen Nutzer „geteilten“ Kopien. Allein ein verleumderisches Bild wurde laut Modamanis Anwalt 1800-mal von Nutzern geteilt, also weiterverbreitet.

Konzern habe sich die Verleumdung nicht zu Eigen gemacht

Der Konzern hatte „schnell den Zugang zu Inhalten blockiert, die uns vom rechtlichen Vertreter Herrn Modamanis korrekt gemeldet wurden“, sagte ein Facebook-Sprecher gestern unserer Zeitung. Und zu mehr ist Facebook nach Meinung des Gerichtes auch nicht verpflichtet, denn der Konzern habe sich die Verleumdungen von Dritten nicht zu Eigen gemacht und könne deshalb nicht zu einer Unterlassung gezwungen werden. Facebook sei „weder Täter noch Teilnehmer“. Es blieben somit „fremde Inhalte“ der Nutzer des Portals. Es gibt aber einen Hinweis, der weitere Debatten anheizen wird. Bei einer „schweren Persönlichkeitsverletzung“ erscheine ein „erhöhter Suchaufwand“ grundsätzlich gerechtfertigt, wenn dies technisch zumutbar sei.

Elisabeth Winkelmeier-Becker, die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, sagte unserer Zeitung, das Urteil zeige, „dass wir noch keine Handhabe gegen die massenhafte Verbreitung von Falschmeldungen und Verleumdungen besitzen“. Sie verweist auf Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Der solle „endlich den über Wochen hinweg mit großen Tönen angekündigten Gesetzentwurf gegen Hassbotschaften und Fake-News vorlegen“.

Johannes Fechner, Chef-Rechtspolitiker der SPD-Fraktion, sagte, es brauche nun eine präzisere und mit Bußgeld verbundene Löschpflicht. Und der Hinweis des Gerichtes müsse aufgegriffen werden, die aktive Suchpflicht der Portale festzuschreiben, wenn dies technisch zumutbar sei.

Gesetzentwurf des Justizministers steht unmittelbar bevor

Tatsächlich steht nach Recherchen unserer Zeitung die Vorlage eines Gesetzentwurfes unmittelbar bevor, der den Internet-Konzernen Fristen zur Löschung von Hassbotschaften auferlegen und bei Nichtvornahme hohe Bußgelder festlegen soll. Maas hatte schon vor Wochen gesagt: „Unternehmen, die mit sozialen Netzwerken sehr viel Geld verdienen, trifft eine gesellschaftliche Verpflichtung.“

Beendet ist der Fall Modamani derweil noch nicht. Der heute 19-Jährige wird Berufung einlegen. Er lebt inzwischen in einer Berliner Gastfamilie, spricht gut Deutsch, arbeitet in einem Fast-Food-Restaurant und möchte ein Studium aufnehmen.