Weil sie den Lärm durch spielende Kinder und den Autoverkehr zur und von der Kita für unzumutbar hielten, sind einige Anwohner in Bad Cannstatt vor Gericht gezogen. Sie wollten den Kita-Bau verhindern. Das Gericht hat jetzt entschieden.

Stuttgart - Im Wohngebiet am Rand des Bad Cannstatter Kursaals kann der katholische Träger St. Josef jetzt doch zwei Kitas samt Außenspielflächen einrichten. Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag von sieben Anwohnern zurückgewiesen. Diese wollten damit verhindern, dass in ihrer Nachbarschaft zwei Kindertagesstätten für insgesamt 80 Kinder sowie eine Wohngruppe für acht Jugendliche erstellt werden. Das Gericht argumentierte, der durch die Nutzung des Außenspielbereichs entstehende Lärm spielender Kinder sei „weder gebietsunverträglich noch rücksichtslos“. Deshalb sei gerade ein Außenspielbereich in einem Wohngebiet von den Nachbarn „grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen“.

 

Die Nachbarn hatten gegen die von der Stadt erteilten Baugenehmigungen für den Bau der Kitas mit insgesamt 860 Quadratmeter Außenspielfläche in einem allgemeinen Wohngebiet geltend gemacht, die Vorhaben würden in dem eng bebauten Bereich gegen die zulässige Art der baulichen Nutzung verstoßen. Zudem befürchteten sie durch den Kinderspielplatz, aber auch wegen des zu erwartenden Verkehrsaufkommens, unzumutbare Lärmbelästigungen.

Anwohner legen beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde ein

Diesen Argumenten folgte die 13. Kammer nicht. Der räumliche Umfang der Kitas, deren Außenspielflächen aneinanderstoßen, halte sich durchaus im Rahmen der Umgebungsbebauung. Durch den im Zuge des Rechtsanspruchs verstärkten Bau von Kitas gehe es im Wesentlichen darum, die benachbarten Wohnbereiche mit Betreuungsplätzen zu versorgen. Auch der damit verbundene Hol- und Bringverkehr sei nicht als unverträglich anzusehen. Zudem sei mit der Novellierung des Bundesimmissionsschutzgesetzes 2011 festgeschrieben worden, „dass der – unvermeidbare – Lärm spielender Kinder regelmäßig keine immissionsschutzrechtlich relevante Störung darstellt“. Die Anwohner haben gegen den Beschluss der Stuttgarter Verwaltungsrichter bereits Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim eingelegt.

Dies wundert Michael Leibinger nicht. Im Gegenteil: alles andere hätte den Geschäftsführer der St. Josef gGmbH verwundert. Von Anfang an hätten die Anwohner, darunter auch Juristen, klar zu verstehen gegeben, dass sie den Bau und Betrieb der Kitas mit allen juristischen Mitteln zu verhindern suchten und dafür auch „bis zum Europäischen Gerichtshof“ gehen würden. „Ich habe das als Einschüchterungsversuch aufgenommen“, sagt Leibinger.

80 Kitaplätze und eine Wohngruppe für acht Jugendliche

Über den aktuellen Beschluss des Verwaltungsgerichts ist er froh. Denn somit könne die Kita an der König-Karl-Straße, wo früher das Technische Hilfswerk untergebracht war, im kommenden April/Mai endlich fertig gestellt werden. Auch mit dem Umbau des früheren VfB-Jugendinternats in eine Kita mit Eingang an der Nauheimer Straße könne nun begonnen werden. Bis zur Fertigstellung werde es allerdings Sommer 2014 oder Januar 2015. Alles in allem entstehen somit je 40 Plätze für Null- bis Dreijährige und Drei- bis Sechsjährige plus eine Wohngruppe für acht Jugendliche.

Dass die Nachbarn auch Letztere – im Gegensatz zu den VfB-Jungs – nicht gern in dem als gehoben geltenden Wohngebiet mit vielen denkmalgeschützten Häusern sehen wollten, schmerzt Leibinger besonders. Doch nicht alle Kinder hätten eben das Glück, Eltern zu haben, die sich angemessen um sie kümmerten.

Der Kitaträger hat den Widerstand der Nachbarn unterschätzt

Heute räumt Leibinger im Blick auf den Erwerb der Immobilien 2009 und 2011 ein: „Ich habe die Lage falsch eingeschätzt.“ Er habe schlicht die Verfahrensdauer und den Widerstand der Anwohner unterschätzt. „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich eine Zwischennutzung reingemacht – etwa ein Heim für Asylbewerber“, sagt Leibinger. „Wer kann sich erlauben, ein Haus mit 440 Quadratmetern mitten in Stuttgart vier Jahre lang leer stehen zu lassen?“ Doch durch zahlreiche Einwendungen von Nachbarn und zähe Streitereien über baurechtliche Dinge habe sich die Sache hingezogen. „Letztendlich“, sagt Leibinger im Blick auf den langen Leerstand, „wird das unser Luxusobjekt.“ Den Verlust würden die klösterlichen Träger übernehmen. Insgesamt gehe es bei den Grundstücken um 2500 Quadratmeter und eine grüne Innenfläche, von der die Nachbarn auf ihren dorthin ausgerichteten Balkonen bisher nur Vogelgezwitscher hörten.

Dass diese nun versuchten, die künftige Geräuschentwicklung durch spielende Kinder zu verhindern, bewertet Leibinger als „natürlichen Generationenkonflikt“. Doch gerade in Bad Cannstatt sei der Bedarf an Kitaplätzen extrem hoch. Nun könnte es noch darum gehen, ob die beiden Kitas ihre Außenflächen voneinander trennen müssen oder gemeinsam nutzen dürfen, was auch in puncto Spielgerät natürlich von Vorteil wäre. Doch dieser Sache sieht Leibinger gelassen entgegen. Dass Nachbarn bereits verlangt hätten, St. Josef solle bitte schön ihre vom Umbau verdreckten Fenster putzen, habe er kommentarlos so stehen lassen.

Die Stadt wertet den Gerichtsbeschluss als positives Signal

Auch die Stadt Stuttgart begrüßt den Beschluss des Verwaltungsgerichts und zeigt sich erleichtert: „Die Projekte der freien Träger sind für die Erreichung unserer Ausbauziele dringend erforderlich“, so der Pressesprecher Sven . Und: „Der Beschluss ist ein klares Zeichen, dass die Bedürfnisse von Kindern und Familien in unserer Stadt einen hohen Stellenwert genießen. Wir verstehen ihn daher auch als Signal für viele andere Projekte, die in den nächsten Monaten realisiert werden sollen.“ 2014 sollen 770 weitere Kitaplätze entstehen, zudem sollen in sechs Stadtbezirken Fertigbauten für 520 Kleinkinder entstehen. In Stuttgart gibt es 577 Kitas, davon 182 in städtischer Trägerschaft.