Die Witwe eines an Lungenkrebs gestorbenen Kettenrauchers erstreitet vor einem us-amerikanischen Gericht mehr als 23 Milliarden Dollar – eine der höchsten Strafen gegen die Tabakindustrie. Der Konzern habe die Gefahren des Rauchens heruntergespielt.

Washington - Erst wollte es Cynthia Robinson gar nicht glauben. „Ich war mir sicher, dass ich Millionen gehört hatte, und war schon total aufgeregt“, sagt die Frau aus der Florida-Hafenstadt Pensacola. Doch dann machte sie ihr Anwalt auf den Hörfehler aufmerksam. Im Urteil war nicht von „millions“ die Rede, sondern von „billions“ – was im amerikanischen Englisch für Milliarde steht. Als Robinson das registrierte, konnte sie nur noch ausstoßen: „Das ist unglaublich.“ Die Witwe eines Kettenrauchers hofft nun auf einen Schadenersatz in Höhe von 23,6 Milliarden US-Dollar (17,47 Milliarden Euro) vom Tabakkonzern R. J. Reynolds.

 

Ihr Ehemann Michael rauchte die Zigarettenmarke Kool, die R. J. Reynolds vertreibt. Der Hafenarbeiter und Busfahrer qualmte mehr als 20 Jahre lang bis zu drei Päckchen am Tag. Oft habe er sich die neue Zigarette am Stummel der alten angezündet, sagt Cynthia Robinson. 1996 starb der damals 36-Jährige an Lungenkrebs; erst zehn Jahre später verklagte seine Witwe das Tabakunternehmen. Ihrer Ansicht nach hat es die Gesundheitsgefahr von Zigaretten absichtlich verheimlicht. Der Konzern aus North Carolina habe auch nicht deutlich darauf hingewiesen, dass Nikotin süchtig mache und Zigaretten allerlei Giftstoffe enthielten.

Das Tabakunternehmen nennt das Urteil „maßlos“

Vier Wochen hat der Prozess gegen R. J. Reynolds gedauert. 18 Stunden lang berieten die Geschworenen, bis sie das spektakuläre Urteil verkündeten. Cynthia Robinson und ihre Anwälte waren außer sich vor Freude. Die Geschworenen seien besonders von einem Film aus dem Jahr 1994 beeindruckt gewesen, in dem Vertreter der Tabakindustrie doch tatsächlich behauptet hätten, Rauchen sei nicht die Ursache für Krebs. Das Urteil sei „maßlos“, schimpft dagegen der Konzern-Vizechef Jeffery Raybron, der ankündigte, umgehend Berufung einzulegen.

Cynthia Robinson wird Geduld brauchen. In der Regel haben erstinstanzliche Urteile gegen Tabakfirmen in den USA keinen Bestand. Ihr Anwalt wird ihr von Betty Bullock erzählt haben, die 2002 einen Schadenersatz in Höhe von 28 Milliarden Dollar zugesprochen bekam. Jahre später reduzierte ein Berufungsgericht die Strafe auf 28 Millionen Dollar. Betty Bullock hatte davon nichts mehr. Sie starb 2003 – an Lungenkrebs.