In vielen Regionen der Erde wäre man für einen verregneten Sommer wie in unseren Breitengraden derzeit dankbar. Weltweite Missernten könnten nach Meinung der Munich Re zu steigenden Preisen führen.

Stuttgart - In vielen Regionen der Erde wäre man für einen verregneten Sommer wie in unseren Breitengraden derzeit dankbar. „Es herrscht große Dürre in den USA, dem Mittelmeerraum und um das Schwarze Meer“, zählt Peter Höppe auf. Von weltweiter Bedeutung ist das, weil vor allem in den USA, aber auch in Russland und der Ukraine kurz vor der Ernte große Kornkammern betroffen sind, warnt der Chefrisikoforscher des Münchner Versicherungsriesen Munich Re. Wer im deutschen Regen steht, mag es schwer glauben, aber in der nördlichen Hemisphäre ist 2012 das bisher wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnung vor 150 Jahren.

 

Auf spanischen Ferieninseln brennen Wälder. Dort, aber auch in Portugal, Griechenland und Montenegro sowie auf Sardinen haben Brände bei Temperaturen jenseits von 35 Grad Celsius schon Tausende Hektar Wald- und Buschland vernichtet. Vielerorts wurde Notstand ausgerufen. Teils sind auch Touristen betroffen.

So schlimm wie derzeit in den Vereinigten Staaten ist es allerdings sonst nirgends. US-Behörden haben die Hälfte des Landes zum Dürregebiet erklärt. Vor allem die dortige Maisernte ist in Gefahr. „Das wird globale Auswirkungen haben“, stellt Höppe klar.

Höppe: „Dürren werden unterschätzt“

Entspannung könnten bessere Ernten andernorts bringen. Mais ist in den USA die entscheidende Futterpflanze für Rinder und andere Nutztiere. Mais wird zudem in vielen industriell aufbereiteten Lebensmitteln bis hin zu Softdrinks verarbeitet. Eine Missernte beim Mais zieht damit gravierende Kollateralschäden nach sich. Zudem sind auch Getreidesorten wie etwa Weizen betroffen.

Andere Naturkatastrophen wie Tsunamis und Erdbeben mögen spektakulärer sein, doch „Dürren werden unterschätzt“, warnt Höppe. Sie kämen oft schleichend, hätten aber große Auswirkungen auf Nahrungsmittel und deren Preise. Das treffe zuerst arme Länder, wo Menschen dann hungern müssen, weil sie ihr Essen nicht mehr bezahlen können.

Aber auch Deutschland sei nicht sicher. Die Dürren, die heute die USA, Griechenland oder die Ukraine treffen, können morgen hierzulande auftreten, meint Höppe und verweist auf die Hitzewelle von 2003. Klimatologen meinen, dass ein solcher Sommer in unseren Breitengraden heute im Schnitt alle 20 Jahre wiederkehrt. Auch Dürren kämen aber im Zuge des Klimawandels immer häufiger vor, warnt Höppe. In der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts seien sie in Westeuropa etwa alle fünf Jahre zu erwarten. Dafür ist die hiesige Landwirtschaft schlechter gerüstet als US-Bauern. Denn in den USA gibt es eine Ernteausfallversicherung.

Dürre ist Teil eines Klimaphänomens namens El Niño

Diese federe für US-Farmer finanziell das Schlimmste ab, sagt Höppe. Die negativen Auswirkungen dortiger Missernten spüre vor allem der Verbraucher über höhere Preise bei vielen Lebensmitteln. „In Deutschland und den meisten europäischen Ländern gibt es eine solche Police nicht“, stellt der Risikoforscher klar. Es werde zwar darüber diskutiert. Sinnvoll sei eine solche Versicherung mit Blick auf die Folgen des Klimawandels auch in Deutschland, wo Bauern derzeit nur gegen Hagelschäden versichert sind.

In den USA ist sie in Form eines sogenannten Private Public Partnership geregelt, also als Gemeinschaftsprojekt von Staat und Assekuranz. Für Höppe sind die USA ein Modellland. Nirgendwo sonst seien Bauern so gut gegen Dürren geschützt. Einen Teil der Ernteschäden übernimmt in den USA der Staat, der auch die Police subventioniert. Einen Sockel finanzieren Bauern über Beiträge und die Versicherungswirtschaft.

Die jetzige Dürre in den USA ist auch Teil eines natürlichen Klimaphänomens namens El Niño, das für eineinhalb Jahre höhere Temperaturen beschert, sagt Höppe. „Darauf aufgesattelt haben wir den Klimawandel“, erklärt er die Extremtemperaturen im Mittleren Westen der USA, wo sich derzeit Felder in Wüsten verwandeln. Verhältnisse wie zur großen Dürre aus den 30er Jahren seien es zwar noch nicht. Damals habe sich die Dürre über mehrere Jahre erstreckt. Aber man wisse auch nicht, was die Zukunft bringt. Kurzfristig sei speziell in den Vereinigten Staaten jedenfalls kein Regen zu erwarten. Für den Mais käme er ohnehin zu spät.

Welcher Schaden der Assekuranz durch die Dürre in den USA erwächst oder was auf die Munich Re zukommt, sei noch nicht absehbar, sagt Höppe. Klar ist, dass die USA 2012 für Versicherer ein Brennpunkt sind. Allein im ersten Halbjahr entfielen 85 Prozent der global versicherten und 61 Prozent der Gesamtschäden auf die Vereinigten Staaten, vor allem auch wegen der Tornados. Dazu kommen nun die Dürreschäden. Der Ernteausfall wird dazu hochmodern per Satellit ermittelt. Insgesamt stehen für die Versicherungswirtschaft in den USA Milliardensummen auf dem Spiel.