1600 Pennsylvania Avenue ist eine der begehrtesten Adressen der Welt. Über Monate kämpften Barack Obama und Mitt Romney um dieses Logis. Doch die weiß gestrichene Villa im Herzen Washingtons ist kein Luxustempel.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Washington - Der Mietvertrag läuft höchstens zwei mal vier Jahre, viele eigene Möbel mitbringen darf man auch nicht. Der Vermieter ist streng. Für jeden Dollar, den die Bewohner ausgeben, muss der Kongress erst sein Plazet geben. Zurzeit bekommt jeder Neuankömmling einen Fonds von 200 000 Dollar, mit dem er das Haus unter strengen Rahmenbedingungen umgestalten darf. Dieser Topf ist traditionell die Domäne der jeweiligen First Lady. 1600 Pennsylvania Avenue ist dennoch eine der begehrtesten Adressen der Welt. Über Monate kämpften Barack Obama und Mitt Romney um dieses Logis. Doch die weiß gestrichene Villa im Herzen Washingtons ist kein Luxustempel. In das Bundeskanzleramt in Berlin würde es einige Male hineinpassen.

 

Wer eine der für Ausländer schwer zu ergatternden Führungen erlebt, der spürt den puritanischen Geist der amerikanischen Republik, in der das Volk darauf achtet, dass sein oberster Repräsentant keine monarchischen Allüren pflegt. „Es ist groß genug für zwei Kaiser, den Papst und den Groß-Lama“, meckerte Thomas Jefferson schon beim Bau über das nicht überdimensionierte Haus. Aber vielleicht lag es auch daran, dass er bei dem von George Washington initiierten Architektenwettbewerb mit seinem eigenen, unter einem Pseudonym eingereichten Vorschlag unterlegen war.

Twain: „Eine große weiße Scheune“

Der klassizistische Stil, über den seit den sechziger Jahren eine historische Kommission akribisch wacht, ist durchaus gediegen. Die antiken Säulen an der Fassade, historische Gemälde, ein paar opulente Lüster und edles Mobiliar, das bis zu den passenden Porzellantellern reicht, schaffen eine würdige Atmosphäre. Wer vom Nordportal aus in das Gebäude eintritt, den grüßen von den Wänden ein paar Vormieter, verewigt in Öl: Bill Clinton, George W. Bush und Ronald Reagan. Und dennoch, wer einmal eine opulente Südstaatenvilla besichtigt hat, für den wirkt das Domizil des mächtigsten Mannes der Erde eher bescheiden. Amerikas Spötter Mark Twain nannte das Weiße Haus einmal eine „große weiße Scheune“. Es sei „hässlich genug von außen, aber düster, billig und von schlechtem Geschmack von innen“. Das war allerdings im 19. Jahrhundert, als die Tapeten von den Wänden quollen.

Jede Woche werden etwa 30 000 Besucher durch die repräsentativen Räume im Erdgeschoss geführt. Der Privatbereich der Präsidentenfamilie und das legendäre Oval Office des Präsidenten sind aber tabu. Seit John Adams im Jahr 1800 hier eingezogen ist, haben alle US-Präsidenten hier gelebt und gearbeitet. Der Name „Weißes Haus“, der sich tatsächlich auf die Farbe bezieht, tauchte erstmals 1811 auf.

Viermal hat es hier gebrannt. Das erste Mal wurde das Weiße Haus von britischen Invasionstruppen im Jahr 1814 zerstört. Das letzte Mal brannte 1929 der Westflügel ab. Teddy Roosevelt schaffte 1901 Platz für seine sechs Kinder. Franklin Roosevelt sorgte dafür, dass das Oval Office einen Blick auf den Rosengarten bekam. Sein Nachfolger Harry Truman musste 1948 ausziehen, nachdem ein Klavier durch eine Decke gebrochen war und sich die alten Holzbalken als morsch erwiesen. Seit dem Ende des anschließenden Umbaus im Jahr 1951 hat das Weiße Haus ein stabiles Stahlgerüst – und einen Bunker. Richard Nixon sorgte für eine Bowlingbahn im Untergeschoss und zu Jimmy Carters Zeiten gab es für dessen Tochter Amy sogar ein Baumhaus. Ein Akzent, den die Familie Obama gesetzt hat, ist nicht im Gebäude zu finden. Vom südlichen Zaun aus können Touristen einen Biogarten und Bienenstöcke erspähen, die Teil von Michelle Obamas Kampagne zu gesunder Ernährung sind.