Der Vormarsch der Isis im Irak zwingt zwei alte Feinde zur Zusammenarbeit: die USA und Iran. Die Atomgespräche in Wien sind ein mögliches Forum.

Was vor einer Woche noch absolut undenkbar schien, könnte jetzt erste konkrete Formen annehmen: eine Zusammenarbeit der Erzfeinde USA und Iran gegen die Brigaden radikaler Gotteskrieger auf irakischem Boden. „Wir schließen nichts aus, das konstruktiv sein könnte“, sagte US-Außenminister John Kerry am Montag in einem Interview mit dem Internetportal Yahoo auf die Frage, ob er sich auch eine Kooperation mit Teheran vorstellen könne.

 

Das US-Verteidigungsministerium stellte nach Kerrys Äußerungen allerdings klar, dass es keine militärische Zusammenarbeit mit dem Iran geben werde. „Es gibt absolut keine Absicht, keinen Plan, militärische Aktivitäten zwischen den USA und Iran zu koordinieren“, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby. Auch Außenamtssprecherin Jen Psaki ruderte zurück: Die USA seien bereit für eine „politische Unterhaltung“ mit Teheran, nicht aber für eine „militärische Kooperation“.

Wie das „Wall Street Journal“ berichtete, möchte Washington die Atomgespräche in Wien dazu nutzen, um einen direkten diplomatischen Kanal zu etablieren, über den beide Führungen das weitere Vorgehen abstimmen können. Von US-Seite ist Vizeaußenminister William Burns in die österreichische Hauptstadt gereist, von iranischer Seite Außenminister Mohammad Javad Zarif. Die 5-plus-1-Gruppe, bestehend aus den Vetomächten des UN-Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, will bis zum 20. Juli mit dem Iran ein umfassendes Atomabkommen aushandeln.

Barack Obama erwägt vor allem Luftangriffe auf die Extremisten des „Islamischen Staates in Irak und Syrien“ (Isis). Als mögliche Ziele gelten die Stellungen der Brigaden vor Bagdad, die Grenzübergänge zu Syrien sowie die Rückzugsräume der Dschihadisten im Osten Syriens. Am Wochenende beorderte Obama einen Flugzeugträger zusammen mit zwei Kampfschiffen in den Persischen Golf, während Aufklärungsdrohnen bereits Informationen über die Operationen der Aggressoren sammeln. Das Personal der US-Botschaft in Bagdad wurde teilweise evakuiert.

Der Iran verlegte Mitte vergangener Woche Einheiten der Revolutionären Garden ins Nachbarland, wirkt aber offenbar auch auf seinen schiitischen Verbündeten, Syriens Präsident Baschar al-Assad, ein, Isis in Ostsyrien mit Luftangriffen ins Visier zu nehmen. Syriens Regime hatte die Kämpfer und ihre Depots bei seinen Militäraktionen bisher auffallend geschont.

Am Wochenende zeigte ein Video aus der ostsyrischen Stadt Deir ez-Zor, wie Isis-Krieger ungehindert im Irak eroberte Humvees herantransportierten. Durch diese indirekte Kooperation mit dem radikalsten Segment seiner Gegner versucht Assad mit Erfolg, die Zwietracht im Lager der Rebellen zu schüren.

Auf irakischem Boden war die Lage am Montag weiter sehr gespannt, auch wenn Bagdads Armee Erfolge gegen die schwarzen Bataillone meldete. Der Angriff auf Samarra blieb bisher aus. Dagegen gelang es Isis-Kämpfern offenbar, die überwiegend von Schiiten bewohnte Stadt Tal Afar westlich von Mossul in Teilen zu erobern. Laut der Kommunalregierung sind 200 000 Menschen aus der Region geflohen.