Die Theater-AG des Friedrich-Abel-Gymnasiums in Vaihingen befasst sich in einem Stück mit dem Konzentrationslager vor der Haustüre.

Vaihingen/Enz - Erst wispern sie nur scheu. Dann werden die Schüler immer lauter: „Der Hunger quält uns“, rufen sie in die Vaihinger Peterskirche. Sie geben den Insassen des Konzentrationslagers Wiesengrund in Vaihingen eine Stimme. Zwischen August 1944 und April 1945 starben dort etwa 1700 Menschen, die von den Nazis der „Vernichtung durch Arbeit“ preisgegeben worden waren.

 

Im Gedenken an die Befreiung des KZ vor 70 Jahren haben die Schüler mit den beiden Lehrerinnen Henriette Dieterle und Milena Schmitt ein Theaterstück zu einem Thema erarbeitet, das es selten auf die Bühne schafft: der Holocaust. Wie soll man auch das Unbegreifliche greifbar machen, wie soll das Unvorstellbare aufgeführt werden?

„Uns war klar, dass wir den Holocaust nicht nacherzählen, nicht nachspielen können“, sagt Bettina Frank. Die auf Jugendtheater spezialisierte Berliner Theaterpädagogin hilft der Gruppe bei der Konzeption und Umsetzung von „Die Welt ist uns fremd geworden“, wie der Titel lautet. Das Geld für Franks Mitarbeit kommt von der Landeszentrale für politische Bildung. Angeregt wurde das Projekt durch die Mitbegründerin der KZ-Gedenkstätte Brigitta Isermeyer.

Bild gewordene Auseinandersetzung mit dem Holocaust

So ist das Stück weniger eine Erzählung mit festen Rollen und einer linear erzählten Handlung, sondern vielmehr eine Bild gewordene Auseinandersetzung der Schüler mit dem Thema. Kostüme gibt es nicht, die Schüler tragen alle Alltagskleidung, jedoch in schwarz. Auch das Bühnenbild ist spartanisch: nur ein Stacheldrahtzaun trennt den Saal von den Brettern, die die Welt bedeuten. Dort zitieren Schüler beispielsweise Erlebnisse von Überlebenden des Vaihinger KZ, die sich zu einer Collage des NS-Terrors zusammensetzen. Im Kontrast dazu folgen Szenen mit Alltagssituationen aus heutiger Zeit: Essen im Überfluss, Diät-Pläne oder der meckernde Chef.

23 Schüler stehen auf der Bühne. Mit den unkonventionellen Methoden des Erzählens mussten sie sich auch erst anfreunden, sagt die AG-Leiterin Henriette Dieterle. Die Schüler konnten dabei von Anfang an mitgestalten. In manchen Szenen habe man ihnen nur den Ort und das Thema vorgegeben und sie dann das Geschehen entwickeln lassen. Zur Vorbereitung las die Gruppe Quellentexte des Stadthistorikers Manfred Scheck und sprach mit Wendelgard von Staden, einer der wenigen noch lebenden Zeitzeugen in Vaihingen. Bei der KZ-Gedenkfeier Mitte April trafen die Schüler acht Überlebende. „Es war beeindruckend, die Person zu treffen, die ich im Stück zitiere“, sagt der 17-jährige Lukas Knoll.

Noch wirkt alles etwas chaotisch

Auch jetzt, keine Woche mehr vor der Premiere, ist das Stück noch im Werden, denn die einzeln geprobten Szenen werden nun zusammengefügt, Anschlüsse werden korrigiert, Laufwege angepasst. Am Ende soll ein Stück entstehen, das Gestern und Heute verbindet, „aber eben nicht mit dem erhobenen Zeigefinger“, sagt die Theaterpädagogin Frank. Das wirkt alles noch etwas chaotisch. Die AG-Leiterin Milena Schmitt versichert aber: „Zur Premiere funktioniert dann alles.“