Nach dem Landespreis für Heimatforschung 2014 erhält der Kernener Verein Allmende jetzt für sein Wengertmauerwerk an der Stettener Yburg den Kulturlandschaftspreis.

Wer sich in Württemberg, Hohenzollern und den angrenzenden Regionen um den Erhalt von Streuobstwiesen, Wacholderheiden, Trockenmauern und anderen landschaftsprägenden Elementen kümmert, kann sich um den Kulturlandschaftspreis bewerben, den der Schwäbische Heimatbund und der Sparkassenverband Baden-Württemberg ausloben. In diesem Jahr ist einer der Hauptpreisträger der Verein Allmende Stetten, der sich seit gut 15 Jahren unter anderem dem Erhalt der heimischen Weinberglandschaft verschrieben hat und im Areal um die Yburg die teils vom Einsturz bedrohten Trockenmauern restauriert und pflegt.

 

300 Meter Trockenmauern

„Im Gesamtrahmen eines Projektes zur Erhaltung der Yburg als Stettener Wahrzeichen treibt der Politik- und Kulturverein Allmende seit 2005 mit großem Erfolg ein Trockenmauerprojekt voran“, heißt es in der Laudatio des mit 1500 Euro dotierten Preises. „Seitdem wurden über 300 laufende Meter Trockenmauer mit bis zu vier Metern Höhe mitsamt Biotopen für standorttypische Pflanzen und Tiere wieder neu errichtet.“ Mit Trockenmauerseminaren, Infotafeln, Broschüren und Führungen vermittele der Verein zudem sein Wissen über Mauertechniken und natürliche Zusammenhänge an den Terrassenweinbergen weiter.

Unterhalb des Stettener Wahrzeichens, der Ruine Yburg, befinde sich einer der letzten noch bewirtschafteten Terrassenweinberge im Remstal, berichten die Retter der alten Steinmäuerle selbst in ihrem Bericht über das 2006 gestartete Projekt. Diese Terrassen seien vor Hunderten von Jahren in Handarbeit der Natur abgerungen, ihre Mauern unter Verwendung der vor Ort vorhandenen Sandsteine errichtet worden.

Mauertechnik ohne Mörtel

Bei diesem Trockenmauerbau werden exakt behauene Steine ohne Mörtel und mit einer speziellen, über Generationen erprobten Setztechnik zusammengefügt. Durch betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten der Rationalisierung des Weinbaus, so berichtet Allmende-Aktivist und Heimatforscher Eberhard Kögel, „verschwanden diese Mauern mit den Rebflurbereinigungen der 1960er bis 1980er Jahre und damit auch das Wissen um die Trockenmauertechnik“.

Nachdem in den Jahren nach 2000 immer mehr Mauern in dem Gebiet unterhalb der Yburg eingestürzt waren, sei bei der Allmende Stetten die Idee entstanden, diese wieder herzurichten und das Wissen der Vorväter über die Trockenmauertechnik an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben.

Mauerseminare mit 80 Absolventen

Spendengelder und staatliche Unterstützung bildeten die Grundlage dafür, mithilfe örtlicher Handwerker und betroffener Wengerter die ersten eingefallenen Mauern wieder herzurichten. Außerdem wurden drei Trockenmauerseminare zum Erfolg, bei denen unter der Anleitung von erfahrenen Handwerkern die Trockenmauertechnik an 80 interessierte Landschaftsgärtner, Maurer, Wengerter und Stücklesbesitzer weiter gegeben wurde.

Trockenmauern sind einzigartige Biotope, betonen die Retter der Stettener Trockenmauern. Sie bilden Habitate für seltene Pflanzen- und Tierarten, für Moose und Farne, Blindschleichen, Schlingnattern, Eidechsen und Insekten. 2007 wurde ein Zwickel an den Mauern mit früher in den Terrassenweinbergen üblichen Weinbergbegleitpflanzen angelegt, darunter zum Beispiel Pfirsiche, Feigen, Opuntien, Hauswurz, Ehrenkraut, Oregano oder Pfingstrosen. 2011 folgte ein weiterer Zwickel mit Wirtspflanzen für seltene Schmetterlingsarten und Einrichtungen für bedrohte Insektenarten.

Museumswengert mit uralten Rebsorten

2009 entstand in Zusammenarbeit mit dem Weingut Jochen Beurer zur Erhaltung der Biodiversität bei den Rebsorten in unmittelbarer Nähe der Yburg ein Museumswengert mit alten, fast ausgestorbenen württembergischen Rebsorten. Über den Museumswengert, dessen Rebsorten, seine Bewirtschaftungsmethoden und die Trockenmauertechnik entstand der Dokumentarfilm „Rettet die Reben“ im Rahmen des Allmende-Projektes „Dorfgedächtnis“. Das Weingut Beurer produziert seit dem Jahr 2013 eine Cuvée „Rettet die Reben“ aus den inzwischen 25 im Museumswengert angebauten Rebsorten.

2010 wurden an dem Fußweg hoch zur Yburg fünf farbige Infotafeln aufgestellt, die das Projekt, die Trockenmauertechnik, die Flora und Fauna der Terrassenweinberge und den Museumswengert beschreiben. Im Rahmen des 50-Jahr-Jubiläums des Rems-Murr-Kreises wurden diese Infotafeln ergänzt und erneuert. Der Landkreis finanziert außerdem in Zusammenarbeit mit den vier Weingütern die Restaurierung weiterer Trockenmauern. Bis heute veranstaltet Allmende regelmäßig Führungen für Kindergärten und Schulklassen.

Preis und Verein

Kulturlandschaftspreis
Der jährlich vom Schwäbischen Heimatbund, dem Sparkassenverband und der Sparkassen-Stiftung ausgelobte Kulturlandschaftspreis Baden-Württemberg zeichnet „Ausschnitte der Kulturlandschaft aus, in denen eine nachhaltige, traditionsbewusste Nutzung der Landschaft unter Berücksichtigung der naturgegebenen Voraussetzungen, der Ökologie, der Charaktermerkmale der Landschaft und der Ästhetik“ erfolgt. Erwünscht ist „eine ausgewogene Verzahnung von Naturlandschaft, Kultur und Heimat“.

Allmende
Der Verein Allmende Stetten ist ein gemeinnütziger Politik- und Kulturverein, der 2005 gegründet wurde und neben seinen Aktivitäten zur Erhaltung einer nachhaltigen Kulturlandschaft auch heimatkundliche Vorträge und Führungen anbietet, im Rahmen des „Projekts Dorfgedächtnis“ dörfliche Traditionen und Überlieferungen filmisch und fotografisch dokumentiert und Veranstaltungen organisiert.