Vertrauens-Leute gelten bei der Polizei als unverzichtbar. Doch welche Rolle spielt der Verfassungsschutz im rechtsextremen Milieu wirklich?

Stuttgart - Bereits der Begriff ist eine Lüge. V-Person ist die Abkürzung für Vertrauens-Person, auch Verbindungs-Person. Vertrauen sollte man den V-Leuten aber gerade nicht, man muss sie kontrollieren. V-Leute werden von der Polizei und den Nachrichtendiensten seit urdenklichen Zeiten genutzt und benutzt. Sie sind keine Mitarbeiter der Behörden, sondern Menschen, die selbst im kriminellen Milieu verankert, aber bereit sind, als Spitzel ihre Kumpane zu verraten.

 

Die Motive der V-Leute können vielfältig sein. Die einen wollen Geld. Andere wollen Rache nehmen, Konkurrenten anschwärzen. Viele versuchen für sich Vergünstigungen bei der Ahndung eigener Straftaten herauszuschlagen. Etliche wollen sich wichtig machen. Ehrenwerte Motive sind eher selten. All das sind keine gute Grundlagen für die Sicherheitsbehörden, um an seriöse Informationen zu kommen.

Dennoch gelten V-Leute als unverzichtbar. Für die Entlohnung von V-Leuten gibt es mancherorts Dienstanweisungen mit Richtwerten, aber eben keine festen Regeln. In Thüringen soll ein V-Mann aus dem "Heimatschutz", einer rechtsextremistischen Gruppierung, in der auch das jetzt als Mörderbande enttarnte Trio aktiv war, in den neunziger Jahren 200.000 DM erhalten haben. So berichten es verschiedene Medien. Das ist mehr, als normale Menschen mit legaler Arbeit verdienen können.

Wurde das Geld für rechtsextreme Aktionen genutzt?

Eines der Hauptprobleme bei der Führung von V-Leuten ist, dass ihre Stellung sie dazu verleitet, auf zwei Schultern zu tragen. Vordergründig liefern sie dann, wie alle Doppelspione, ihren staatlichen Auftraggebern Informationen, in Wahrheit sagen sie nur, was ihren Kumpanen nicht schadet, schirmen das kriminelle Milieu ab und nutzen die Informationen und vor allem das Geld, das sie von der Behörde bekommen, für ihre eigenen illegalen Zwecke. In Thüringen wird jetzt spekuliert, dass die 200.000 DM für rechtsextreme Aktionen und Agitationen genutzt worden sein könnten.

V-Leute stehen andererseits stets unter dem Druck, in der eigenen Szene enttarnt zu werden. Manchmal verlangen Kumpane von ihnen die Beteiligung an Straftaten, um so zu prüfen, ob sie Verräter sind. Oft spielen V-Leute sich auf und geben sich in der Szene besonders aggressiv, um den Verdacht von sich abzulenken. In extremen politischen Milieus sind solche Verhaltensweisen besonders häufig. Tatsächlich toleriert die Rechtsprechung inzwischen die Beteiligung von V-Leuten an kleineren Straftaten. Insbesondere bei der Verfolgung von Rauschgifttätern ist dies Praxis. Die Grenze zum Agent provocateur ist fließend. Die Beteiligung an schweren Straftaten, insbesondere an Gewalttaten ist aber tabu. Sie sollte es sein.

V-Leuten wird von der Behörde stets strenge Geheimhaltung zugesagt. Das ist die Grundlage dieser Form der Zusammenarbeit. Eine Behörde, die aus einer Not heraus ihre V-Leute preisgibt, gilt als verbrannt. Sie wird kaum neue Informanten gewinnen können. Deshalb halten die Behörden meist auch dann noch an dem Schweigegelübde fest, wenn ein V-Mann außer Kontrolle gerät oder sich einfach als unzuverlässig erweist. Im aktuell in Stuttgart laufenden Strafverfahren gegen das frühere RAF-Mitglied Verena Becker zeigt sich, wohin das führen kann. Ihre Zusammenarbeit mit den Verfassungsschützer ist längst öffentlich bekannt, wird aber auch heute noch nicht offiziell bestätigt. Damit kann sich die Behörde gleichzeitig nicht von dem Verdacht befreien, die Frau gedeckt zu haben.

Manche V-Leute sind unproblematisch

Zu den Grundregeln des Handwerks gehört es, dass der Ansprechpartner des V-Manns diesen sorgfältigkontrolliert, die Glaubwürdigkeit überprüft und die notwendige professionelle Distanz wahrt. Genau dies misslingt, wie Skandale in der Vergangenheit gezeigt haben, immer wieder. Die oft Jahre lange Zusammenarbeit schafft Nähe bis hin zur Kumpanei, zumal als V-Mann-Führer gerade im Bereich der politischen Extremismus nicht gerade Personen mit konträren Grundüberzeugungen ausgewählt werden. Andererseits sind V-Leute oft Meister darin, ihre Gesprächspartner einzubinden und zu blenden. Sie wären sonst keine V-Leute.

Welche Bedeutung die V-Leute im Bereich des Rechtsextremismus haben, wurde während des NPD-Verbotsverfahrens im Jahr 2003 bekannt. Die für das Verbot zuständigen Verfassungsrichter stellten das Verfahren damals nur deshalb ein, weil jeder siebte Funktionär der NPD zugleich ein V-Mann des Verfassungsschutzes war. Im Raum stand der Vorwurf, die rechtsextreme NPD werde nicht nur überwacht, sondern faktisch von Menschen gesteuert, die zugleich vom Staat als Informanten bezahlt werden.

Die Behauptung ist falsch

Die Behauptung, das Gericht habe damals ein Verbot der NPD faktisch unmöglich gemacht, stimmt deshalb nicht. V-Leute unterhalb der Funktionärsebene waren und sind unproblematisch. Und es gibt keine Hinweise darauf, dass die Richter damals massive Zweifel an der Verfassungswidrigkeit der NPD gehabt hätten.

Gerade Thüringen könnte als Beleg für die aggressiv-kämpferische Haltung der Partei gegen demokratischen Grundregeln dienen. Dort sind die personellen Verflechtungen zwischen NPD-Funktionären und Aktivisten neonazistischer Gruppierungen wie den "Autonomen Nationalisten" besonders intensiv. Umso unverständlicher ist, dass die Sicherheitsbehörden von den Abgleiten in den Terrorismus nichts mitbekommen haben.

Die organisatorische Trennung von Nachrichtendiensten und Polizei kann jedenfalls kein Grund für das Versagen sein. Die Geheimdienste, die Entwicklungen im Vorfeld der Kriminalität beobachten sollen, müssen zwar nicht jede Straftat an die Polizei melden, aber selbstverständlich dürfen und sollen sie bereits heute Informationen über schwere Straftaten weitergeben. Die Trennung zwischen Geheimdiensten und Polizei ist ein Grundpfeiler des freiheitlichen Rechtsstaates, geschaffen nach den Erfahrungen des Nationalsozialismus.