Nach den schweren Überschwemmungen in Lourdes wird das ganze Ausmaß der Zerstörung klar. Die berühmte Grotte und andere Pilgerstätten müssen für Wochen, wenn nicht für Monate schließen – ausgerechnet in der Hochsaison.

Lourdes - Die graubraune Flut fließt langsam ab. Doch was die Wasser der über die Ufer getretenen Gave freigeben, lässt die 15 000 Einwohner des Wallfahrtsortes Lourdes nicht minder schaudern als zuvor der Anblick der Überschwemmung. Straßen erinnern an Schuttabladeplätze. Balken, Mauerreste, Asphaltbrocken und aus umliegenden Wäldern stammendes Unterholz türmen sich zu Bergen. Kultstätten sind zerstört. Die Mariengrotte, wo die heilige Jungfrau 1858 der Müllerstochter Bernadette Soubirous erschienen sein soll, ist mit kniehohem Schlamm überzogen. Die unterirdische Basilika Pius X. gleicht einem gigantischen Bassin. In dem 25 000 Pilgern Platz bietenden Gebetssaal treiben Holzbänke auf meterhohen Fluten. Feuerwehrleute pumpen rund um die Uhr Wasser ab. Orte, an denen sich Gläubige Wunder erhoffen, scheinen Schauplätze der Apokalypse.

 

Kurz vor Beginn der Sommerferien, die Lourdes den größten Andrang von Pilgern aus aller Welt zu bescheren pflegen, werden Kultstätten, Hotels, Restaurants und Geschäfte nun für Wochen, wenn nicht Monate schließen müssen. Mathias Terrier, Sprecher des Direktoriums der heiligen Stätten, will nicht ausschließen, dass ein Teil der 22 Pilgerziele die ganze Saison geschlossen bleibt. Für den vom Tourismus lebenden Ort, der nach Paris die größte Anzahl von Hotels aufweist und 2012 sechs Millionen Besucher empfangen hat, ist dies schwer zu verkraften.

Der Schaden beträgt wohl 20 bis 30 Millionen Euro

Der Bürgermeister Jean-Pierre Artiganave schätzt die Renovierungskosten auf 20 bis 30 Millionen Euro. Er weist darauf hin, dass das gesamte Ausmaß der Schäden noch nicht abzusehen sei. Unklar ist zumal, wie sehr die Wassermassen Baufundamente in Mitleidenschaft gezogen haben. Im Fall der Krankenmessen gewidmeten Kirche Saint-Bernadette liegen die Fundamente offen zu Tage.

Eine weitaus geringere Flut hatte im Oktober 2012 Gesamtschäden von mehr als zwölf Millionen Euro verursacht. Allein die Renovierung der Kultstätten kostete damals 2,5 Millionen Euro.

Die in den Pyrenäen entspringende Gave passiert in Lourdes einen Engpass, was bereits 1937, 1979 und 1982 zu Überschwemmungen geführt hat. Nach Ansicht des Bürgermeisters war die in den vergangenen Tagen über den Ort hereingebrochene Flut freilich schlimmer als alle früheren. Der aus dem Jahr 1937 datierende bisherige Hochwasserrekord von 5,30 Meter sei diesmal noch übertroffen worden, versichert Artiganave.

Die Kirche hat keine andere Wahl – und bittet um Spenden

Frankreichs Staatschef François Hollande hat den Wallfahrtsort am Rand der Pyrenäen aufgesucht, um sich ein Bild zu machen und den Bewohnern Mut zuzusprechen. An diesem Samstag will die für Handel und Tourismus zuständige Ministerin, Sylvia Pinel, dem Beispiel des Präsidenten folgen. Die Kirche setzt indes nicht nur auf den Staat. Sie hat an die Katholiken appelliert, den Wiederaufbau finanziell zu unterstützen. Nach der Flut vom vergangenen Oktober hatten Gläubige zwei Millionen Euro gespendet. „Es ist uns peinlich, nach acht Monaten schon wieder um Geld zu bitten“, gesteht Thierry Castillo, der sich in der sich er Diözese Tarbes und Lourdes um ökonomische Angelegenheiten kümmert. Aber man habe im Angesicht der neuerlichen Katastrophe keine andere Wahl. Was nicht heißt, dass es bei der jüngsten Flut nicht auch wundersam Errettete gegeben hätte. Nadia Durand, die Geschäftsführerin des Hotels Notre-Dame-de-la-Sarte, zählt zu ihnen. Bis zur letzten Stufe des Hotelaufgangs war der Pegel Mitte der Woche gestiegen – aber eben nur bis dahin.