Der Regierung sollte beim Mindestlohn an einer schlanken Regelung gelegen sein, meint StZ-Korrespondent Roland Pichler.

Berlin - Es ist längst nicht damit getan, dass 1600 neue Stellen beim Zoll geschaffen werden, um den Mindestlohn zu kontrollieren. Für die zusätzlichen Beamten muss der Steuerzahler aufkommen. Mit der nun vorgelegten Mindestlohn-Verordnung beschließt die Regierung gleich noch neue Absurditäten. Selbst die vielen Unternehmen, die ihre Mitarbeiter deutlich über Mindestlohn bezahlen, sollen künftig neue Dokumentationspflichten erfüllen. Die Berliner Ministerialbeamten haben sich das schön ausgedacht: Da in einem Unternehmen auch Überstunden und Bereitschaftsdienste anfallen, reicht es nicht aus, die Nachweispflichten auf die Beschäftigten mit den niedrigsten Einkommen zu beschränken. In neun Branchen sollen auch die Arbeitszeiten von Mitarbeitern erfasst werden, die mehr als das Doppelte des Mindestlohns erhalten. Die Unterlagen sind dann zwei Jahre aufzubewahren. Das ist grotesk.

 

Sicherlich ist es richtig, dass die Einhaltung von Gesetzen kontrolliert werden muss. Die geplante Verordnung ist aber ein Beispiel dafür, wie Politik und Verwaltung nach einer falschen Grundsatzentscheidung die Bürokratiekosten für die Wirtschaft ständig weiter nach oben treiben. Der Kontrollaufwand ist im Übrigen ein Argument für die Tarifautonomie. Deutschland ist in den letzten Jahrzehnten gut damit gefahren, dass nicht die Politik Löhne bestimmt und überprüfen muss, sondern die Tarifpartner. Die Einmischung der Politik wird für die Betriebe teuer.

Mit ihren Verwaltungsvorschriften läuft die Koalition Gefahr, alle guten Ansätze beim Bürokratieabbau aus den vergangenen Jahren zunichte zu machen. Der gesetzliche Mindestlohn wird laut Regierung zu zusätzlichen Lohnkosten von 9,6 Milliarden Euro jährlich führen. Hinzu kommt der organisatorische Aufwand. Zu glauben, dass dies für die Wirtschaft folgenlos bleiben kann, ist naiv. Vor allem in Ostdeutschland wird der Mindestlohn den Kostendruck verschärfen. Schon deshalb wäre die Politik gut beraten, zumindest die administrativen Kosten in Grenzen zu halten. Doch von den Mahnungen, zu denen sich auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung veranlasst sah, lässt sich die große Koalition mit ihren breiten Mehrheiten nicht beeindrucken. Die Folgen werden Beschäftigte und Betriebe spüren.