Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Zalando ist so aggressiv gewachsen wie keine andere europäische IT-Gründung der vergangenen Jahre. Expansion statt Profit – in den USA hat Amazon es vorgemacht. Ein Minus von etwa 118 Millionen Euro vor Zinsen und Steuern steht in der am Freitag veröffentlichten Bilanz für 2013. Plus 50 Prozent Umsatz sind für einen Höhenflieger wie Zalando bereits eine Delle. „Nun liegt unser Fokus darauf, unsere Abläufe zu optimieren und unsere Shop-Besucher zu inspirieren, um unsere Position in den vorhandenen Märkten nachhaltig zu stärken und unsere Kunden glücklich zu machen“, sagt der Geschäftsführer Rubin Ritter im schönsten Marketingdeutsch. Schwarze Zahlen seien zurzeit keine Priorität. Die Anschubfinanziers, die deutschen Gebrüder Samwer, gelten als hemdsärmelige Plagiatoren. Das Vorbild von Zalando hieß Zappos und kommt aus den USA. Eine IT-Idee abschauen, ein Start-up klonen, schnell wachsen, kassieren – das ist der Zyklus. Eigentlich müssten die Samwers Kasse machen, solange die Zalando-Geschichte noch heiß ist. Das „Manager Magazin“ streut Gerüchte über einen 2014 anstehenden Börsengang. Die Legende von den jungen Gründern aus der Berliner Altbauwohnung kaschiert, dass Zalando durch massives Marketing groß geworden ist. Schrille TV-Spots mit dem Slogan „Schrei vor Glück“ haben bewirkt, dass angeblich neun von zehn Deutschen von der Marke gehört haben. Den Reim „ . . . oder schick’s zurück“ hat Zalando gekappt. So locker will man doch nicht mehr zu Gratisretouren ermuntern. Die Rücksendequote liegt offiziell stabil bei 50 Prozent.

 

Zehn Autominuten von den Datenknackern in der Mollstraße entfernt ist in einer alten Fabrik für Eisenbahnbremsen die Modeabteilung untergebracht. Claudia Reth hat als „Leiterin Dameneinkauf“ tatsächlich einen deutschen Titel. Die Räume heißen Jil Sander, Dior, Hermès, Louis Vuitton, Prada oder Gucci. An den Wänden hängen Farbskalen. Stoffteile, Papierskizzen und Schaufensterpuppen sind hier noch zum Anfassen. Reth hat bei einem kleinen Online-Start-up begonnen, bei dem vom Geschäftsführer bis zum Controller alle für Mode gebrannt hätten. Zalando sei anders. „Aber ich habe Betriebswirtschaft studiert und kann ganz gut übersetzen zwischen dem eher emotionalen Einkauf von Trendteilen und dem faktenbasierten Ordern von großen Kollektionen“, sagt sie. „Wir wären nicht so groß geworden, wenn wir nicht so analytisch arbeiten würden.“ Doch Trends vorhersehen können Algorithmen nicht. „Das Wetter spielt zum Beispiel eine Rolle, und das kann man auch nicht immer vorhersagen“, sagt Reth. „Es ist doch gut, dass es solche Bereiche gibt.“ Zalando will weg vom Image seelenloser Effizienz – auch mittels eigener Marken. Geschäftsführer Ritter verspricht das „richtige Gespür für Trends und die Fähigkeit, dem Kunden das Einkaufen mittels Inspiration zu erleichtern.“ Doch über Jahre hat man die Online-Käufer auf Effizienz gedrillt.

Italienische Kunden fremdeln mit der Einkaufswelt

„Man muss den Kunden erst wieder beibringen, dass man sich online auch beraten lassen kann“, sagt der Vertriebsexperte Dominik Rief. Aber auch in der Vertriebszentrale in einer alten Fabrik am Prenzlauer Berg geht es um das, was Geschäftsführer Ritter den „reibungslosen Ablauf an allen Berührungspunkten“ nennt. Damit sich hier keiner in Zalandos Europa verirrt, das zurzeit 15 Länder umfasst, sind die Schreibtische in den Nationalfarben beflaggt. Skandinavien ist den finnischen, dänischen, schwedischen und norwegischen Fahnen nach zu schließen eine Online-Großmacht.

Doch der Süden fremdelt mit der abstrakten neuen Einkaufswelt. „In Italien ist das Vertrauen in den virtuellen Geldtransfer nicht so ausgeprägt,“ sagt Dominik Rief. Und so endet südlich der Alpen der Hightech-Einkauf im Tausch von Ware gegen Bargeld an der Haustür. „Natürlich ist die Abwicklung anfangs aufwendiger“, sagt Rief. „Aber es gibt andere Vorteile: Wenn die Italiener sich entschieden haben, dann haben sie sich entschieden. Die Leute schicken weniger zurück.“ In der Schweiz hingegen machen Kühe die Logistik einfacher. Neben vielen Briefkästen steht dort eine Box, in die der Milchmann die Kannen hineinstellt. Außer für Milch ist da auch Platz für Pakete. „Wir können das für die Kundenzufriedenheit nutzen – und so sind wir darauf gekommen, dass unsere Kunden die Boxen auch zum Zurückschicken ihrer Pakete verwenden können“, sagt Rief. Der Briefträger nimmt die Retoure im Vorbeigehen mit.

Zalando ist so aggressiv gewachsen wie keine andere europäische IT-Gründung der vergangenen Jahre. Expansion statt Profit – in den USA hat Amazon es vorgemacht. Ein Minus von etwa 118 Millionen Euro vor Zinsen und Steuern steht in der am Freitag veröffentlichten Bilanz für 2013. Plus 50 Prozent Umsatz sind für einen Höhenflieger wie Zalando bereits eine Delle. „Nun liegt unser Fokus darauf, unsere Abläufe zu optimieren und unsere Shop-Besucher zu inspirieren, um unsere Position in den vorhandenen Märkten nachhaltig zu stärken und unsere Kunden glücklich zu machen“, sagt der Geschäftsführer Rubin Ritter im schönsten Marketingdeutsch. Schwarze Zahlen seien zurzeit keine Priorität. Die Anschubfinanziers, die deutschen Gebrüder Samwer, gelten als hemdsärmelige Plagiatoren. Das Vorbild von Zalando hieß Zappos und kommt aus den USA. Eine IT-Idee abschauen, ein Start-up klonen, schnell wachsen, kassieren – das ist der Zyklus. Eigentlich müssten die Samwers Kasse machen, solange die Zalando-Geschichte noch heiß ist. Das „Manager Magazin“ streut Gerüchte über einen 2014 anstehenden Börsengang. Die Legende von den jungen Gründern aus der Berliner Altbauwohnung kaschiert, dass Zalando durch massives Marketing groß geworden ist. Schrille TV-Spots mit dem Slogan „Schrei vor Glück“ haben bewirkt, dass angeblich neun von zehn Deutschen von der Marke gehört haben. Den Reim „ . . . oder schick’s zurück“ hat Zalando gekappt. So locker will man doch nicht mehr zu Gratisretouren ermuntern. Die Rücksendequote liegt offiziell stabil bei 50 Prozent.

Zehn Autominuten von den Datenknackern in der Mollstraße entfernt ist in einer alten Fabrik für Eisenbahnbremsen die Modeabteilung untergebracht. Claudia Reth hat als „Leiterin Dameneinkauf“ tatsächlich einen deutschen Titel. Die Räume heißen Jil Sander, Dior, Hermès, Louis Vuitton, Prada oder Gucci. An den Wänden hängen Farbskalen. Stoffteile, Papierskizzen und Schaufensterpuppen sind hier noch zum Anfassen. Reth hat bei einem kleinen Online-Start-up begonnen, bei dem vom Geschäftsführer bis zum Controller alle für Mode gebrannt hätten. Zalando sei anders. „Aber ich habe Betriebswirtschaft studiert und kann ganz gut übersetzen zwischen dem eher emotionalen Einkauf von Trendteilen und dem faktenbasierten Ordern von großen Kollektionen“, sagt sie. „Wir wären nicht so groß geworden, wenn wir nicht so analytisch arbeiten würden.“ Doch Trends vorhersehen können Algorithmen nicht. „Das Wetter spielt zum Beispiel eine Rolle, und das kann man auch nicht immer vorhersagen“, sagt Reth. „Es ist doch gut, dass es solche Bereiche gibt.“ Zalando will weg vom Image seelenloser Effizienz – auch mittels eigener Marken. Geschäftsführer Ritter verspricht das „richtige Gespür für Trends und die Fähigkeit, dem Kunden das Einkaufen mittels Inspiration zu erleichtern.“ Doch über Jahre hat man die Online-Käufer auf Effizienz gedrillt.

Italienische Kunden fremdeln mit der Einkaufswelt

„Man muss den Kunden erst wieder beibringen, dass man sich online auch beraten lassen kann“, sagt der Vertriebsexperte Dominik Rief. Aber auch in der Vertriebszentrale in einer alten Fabrik am Prenzlauer Berg geht es um das, was Geschäftsführer Ritter den „reibungslosen Ablauf an allen Berührungspunkten“ nennt. Damit sich hier keiner in Zalandos Europa verirrt, das zurzeit 15 Länder umfasst, sind die Schreibtische in den Nationalfarben beflaggt. Skandinavien ist den finnischen, dänischen, schwedischen und norwegischen Fahnen nach zu schließen eine Online-Großmacht.

Doch der Süden fremdelt mit der abstrakten neuen Einkaufswelt. „In Italien ist das Vertrauen in den virtuellen Geldtransfer nicht so ausgeprägt,“ sagt Dominik Rief. Und so endet südlich der Alpen der Hightech-Einkauf im Tausch von Ware gegen Bargeld an der Haustür. „Natürlich ist die Abwicklung anfangs aufwendiger“, sagt Rief. „Aber es gibt andere Vorteile: Wenn die Italiener sich entschieden haben, dann haben sie sich entschieden. Die Leute schicken weniger zurück.“ In der Schweiz hingegen machen Kühe die Logistik einfacher. Neben vielen Briefkästen steht dort eine Box, in die der Milchmann die Kannen hineinstellt. Außer für Milch ist da auch Platz für Pakete. „Wir können das für die Kundenzufriedenheit nutzen – und so sind wir darauf gekommen, dass unsere Kunden die Boxen auch zum Zurückschicken ihrer Pakete verwenden können“, sagt Rief. Der Briefträger nimmt die Retoure im Vorbeigehen mit.

Der „größte Kleiderschrank Europas“ steht auch in der Kritik

Dieser Perfektionismus hat schon unschöne Schlagzeilen gemacht. Im 2012 eröffneten Versandzentrum Erfurt, das Zalando als „größten Kleiderschrank Europas“ bezeichnet, seien Mitarbeiter unter Druck gesetzt worden, berichtete im Sommer 2013 das ZDF. Zalando gab sich bußfertig. Die Atemlosigkeit von Online-Prozessen auf Menschen zu übertragen, das scheint branchentypisch. Die Zeiten, in denen man Tag und Nacht, befeuert von Kaffee und dem Kultgetränk Mate, an Software gebastelt habe, seien aber vorbei, heißt es. „Unsere Mitarbeiter haben viele Möglichkeiten, sich auch abseits vom Büroalltag auszutauschen – ob Sommerparty, Shopping Night im Outlet oder eine Kicker-Runde in der Mittagspause“, sagt der Geschäftsführer Ritter. Zalando habe so wohl nur in Berlin entstehen können. „Die Stadt passt einfach zu uns“, sagt er. „Hier werden neue Trends geboren und hier kommen hochqualifizierte Menschen aus der ganzen Welt zusammen, die Lust haben, an einer Erfolgsstory mitzuschreiben.“

Auf dem alten Werksgelände in der Köpenicker Straße in Kreuzberg, wo Zalando in einem Outlet-Center Restposten verramscht, stehen alte US-Straßenkreuzer als Kunstobjekte herum. Auf einem Podest thront ein rostiger Cadillac. Dass das Internet Schuh- und Modeläden auf den Schrottplatz befördern könnte, will man bei Zalando nicht glauben. „Ob gemütlicher Schaufensterbummel am Samstag oder Shoppen auf der Couch an einem regnerischen Abend – letztlich entscheidet der Kunde und profitiert von einer noch größeren Auswahl“, sagt Ritter. Einzelhändler müssten sich eben spezialisieren, sagt der Vertriebsexperte Rief – vielleicht auf Jeans aus Japan, für die man dann perfekte Beratung bieten müsse. Doch die Modeeinkäuferin Claudia Reth räumt ein, dass sie privat selten in der Stadt einkauft und lieber online stöbert. „Bis ich einen Schuh in meiner Größe gefunden habe, muss ich den Ku’damm auf und ab laufen. Da bin ich fünf Stunden unterwegs.“ In Läden investieren will Zalando nicht. 2014 wird man nur einen einzigen eröffnen, in Frankfurt am Main. Es wird ein zweites Outlet-Center für Retouren sein.