Timo Gebhart vom VfB beißt auf die Zähne. Nach dem zweiten Bänderriss der Saison spielt der 21-Jährige jetzt mit einem Spezialschuh.  

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Er ist im VfB-Kader so etwas wie die personifizierte Leidensfähigkeit, was ein Attribut ist, das einem Profi im Abstiegskampf gut zu Gesicht steht. So nennt man Timo Gebhart an der Mercedesstraße inzwischen auch den "Mister Bänderriss". Denn einem zweieinhalbfachen Riss der Sehnen im rechten Sprunggelenk im Dezember folgte ein zweifacher Riss im Januar. Also läuft der 21-Jährige in der Bundesliga nun mit einem Spezialschuh auf, an dem eine schnürbare Manschette befestigt ist. Diese soll den Knöchel stabilisieren.

 

Gebharts Leidenszeit begann beim VfB-Gastspiel Ende September 2010 in Nürnberg (1:2): "Die Achillessehne liegt frei", diagnostizierte damals der Teamarzt Heiko Striegel in der Halbzeit. Doch der unerschrockene Timo Gebhart, der trotz der Verletzung aus der zehnten Minute mit blutgetränktem Stutzen bis hierhin durchgehalten hatte, wollte beim Club auch in der zweiten Hälfte trotz seiner sieben Zentimeter tiefen Fleischwunde weitermachen. "Damals habe ich dem Doc gesagt: "Tacker das - und mach einen neuen Verband drum"', erzählt Gebhart, "heute denke ich mir: schön blöd war ich damals." Schließlich kann so eine Verletzung für einen Profi auch das Karriereaus bedeuten.

Vom schlampigen Genie zum verantwortungsvollen Spieler

Dass Timo Gebhart es bisher dennoch auf 22 Saisonspiele gebracht hat, ist eine Leistung. Aktuell ist er aber nur der zwölfte Mann beim VfB, weil unter dem Coach Bruno Labbadia die Startelf steht - und die Offensive mit der Dreierachse Martin Harnik, Tamás Hajnal und Shinji Okazaki hinter einem Solostürmer funktioniert. Wichtige Akzente hat Timo Gebhart zuletzt dennoch gesetzt: Beim erlösenden 2:0 in Frankfurt kam er von der Bank, spielte als gelernter Mittelfeldmann als einzige Spitze - und bereitete das 1:0 durch Harnik vor.

In Gladbach gelang dem gebürtigen Memminger, der drei Brüder hat, in der 87. Minute per Elfmeter der Siegtreffer zum 3:2. Bruno Labbadia sagte hinterher schmunzelnd: "Es ist in der Tat gut, wenn man einen Spieler hat, der in einer so prekären Situation nicht so viel denkt." Timo Gebhart nimmt diese kleine Spitze gelassen: "Ich bin eben ein Spieler, der sich auf dem Platz keinen Kopf macht", sagt er, "da muss man alles andere ausblenden."

Die Anerkennung der Fans hat sich Gebhart erarbeitet, weil er sich reinhängt, weil er kämpft und weil er - wie in Gladbach - Verantwortung übernimmt. Das war nicht immer so, denn der junge Mann, der einst als schlampiges Genie galt, hat erst in dieser Spielzeit den Ernst des Profilebens erfahren. Seine Weiterentwicklung wurde zunächst von dem Trainer Christian Gross angestoßen, denn die trickreiche Nummer 13 des VfB zählte zu den Lieblingsspielern des Schweizers. Aber auch den aktuellen Coach Labbadia lobt Gebhart: "Der Trainer macht das richtig. Natürlich möchte ich gerne von Anfang an spielen, ich bin aber nur zu 70 Prozent fit. Er behandelt uns mit viel Respekt und spricht alles deutlich an."

"Ich spiele eben gerne nach Instinkt"

Dennoch will sich Timo Gebhart nicht verbiegen lassen, denn ein Filou wird er immer blieben. Zu gerne tanzt und feiert der Mittelfeldspieler in der Disco - und legt sich eine Irokesenfrisur zu, wenn ihm danach ist. Auch im Abstiegskampf. "Eine Frisur hat ja nichts mit Fußball zu tun", sagt der 1,82 Meter große Profi.

Timo Gebhart hat sämtliche Jugendnationalteams des Deutschen Fußball-Bundes durchlaufen, ist im Sommer 2008 Europameister mit der U19 geworden - und spielt nun in der U21. Doch einige in seinem Alter sind einen Schritt weiter: Die Dortmunder Kevin Großkreutz und Sven Bender, mit dem Gebhart einst beim TSV 1860 München spielte, sind bereits für die A-Nationalelf nominiert worden. "Irgendwann möchte ich diesen Sprung auch schaffen", sagt Gebhart, "aber derzeit gibt es nur den Klassenverbleib mit dem VfB."

Dass es in seinem Spiel noch einiges zu verbessern gibt, ist ihm klar. Zu gerne will Gebhart auf dem Spielfeld noch mit dem Kopf durch die Wand, etwa, wenn er zu einem Dribbling gegen mehrere Gegenspieler ansetzt; zu oft reagiert er nach Fouls viel zu impulsiv - gerne lässt er sich zu theatralisch fallen. "Ich weiß das alles", sagt er, "aber ich spiele eben gerne nach Instinkt."