Bundesliga, Pokal und Europa League: Die Belastung für die Spieler des VfB Stuttgart in der Hinrunde ist hoch gewesen. Dennoch scheint, wie unsere Einzelkritik jedes Spielers zeigt, fußballerisch noch Luft nach oben zu sein.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

StuttgRT - Der VfB Stuttgart ist schlecht in die Fußballsaison gestartet und hat sich dann Schritt für Schritt nach oben gekämpft. Einen ähnlichen Verlauf nahmen die Leistungskurven vieler Stuttgarter Spieler. Eine Einzelbewertung.

 

Sven Ulreich
Der VfB besitzt einen Schlussmann von Format, der in seiner dritten Saison als Nummer eins mit inzwischen hundert Bundesligaspielen auch über die nötige Erfahrung verfügt. Als einziger Stuttgarter Profi absolvierte der 24-Jährige alle 28 Pflichtspiele seit Mitte August über die volle Distanz. Wenn Sven Ulreich seine gelegentlichen Patzer wie den gegen Leverkusen oder in Freiburg abstellt und an seiner Strafraumbeherrschung arbeitet, darf er sich mit der Nationalelf beschäftigen.

Gotoku Sakai
Bedenkt man, dass ihm durch Olympia die gesamte Vorbereitung fehlte, hat sich Gotoku Sakai tapfer geschlagen. Weil sich Tim Hoogland nach zwei Ligaspielen verletzte, musste der 21-Jährige früher ran, als gut für ihn war. Toll war sein Auftritt in Bukarest, wo er als Vorbereiter und Torschütze glänzte. An das 1:6 in München, als ihn Franck Ribéry schwindelig spielte, wird der dreifache japanische Nationalspieler aber eher ungern zurückdenken.

Georg Niedermeier
Als er nach den ersten erfolgreichen Saisonspielen seinen Stammplatz an Maza verlor, begehrte der Münchner auf – und bekam von Manager Fredi Bobic einen Rüffel. „Ich werde meine Konsequenzen ziehen“, sagte Georg Niedermeier, der durch eine Verletzung des Kapitäns Serdar Tasci schnell wieder ins Team rückte – und seither wenig anbrennen lässt. So darf sich der kopfballstarke Innenverteidiger als ein Gewinner der Vorrunde sehen.

Maza
Stammplatz an Niedermeier verloren – und damit auch die Lust auf den VfB: der Kapitän der Nationalelf Mexikos liebäugelte zuletzt via TV Azteca öffentlich mit einer Rückkehr in die Heimat: „Wenn sich ein Club meldet, werde ich gerne seine Farben verteidigen“, sagte Maza, der unter anderem mit Chivas Guadalajara in Verbindung gebracht wird. Nach eineinhalb Jahren VfB stehen die Vorzeichen bei Maza im Winter also auf Abschied.

Serdar Tasci
Selbst ein Mittelhandbruch, der mit einer Carbonschiene versorgt wurde, konnte den Kapitän nicht stoppen. Abgesehen von zwei schwächeren Auftritten in München und in Freiburg spielte Serdar Tasci eine bärenstarke Hinserie. In dieser Form ist der 25-Jährige, der sein letztes Länderspiel im August 2010 absolvierte, ein Kandidat für den Bundestrainer Joachim Löw. Mit der Roten Karte in Fürth Anfang Dezember nahm sich Tasci selbst aus dem Spiel.

Arthur Boka
Der Ivorer, seit 2006 beim VfB, ist nach Cacau der dienstälteste Profi im aktuellen Kader. Wie in den Jahren zuvor gelang es Arthur Boka aber nicht, konstant gute Leistungen abzuliefern. So spielte der Linksfuß etwa in Nürnberg, Hamburg, Dortmund oder in der Europa League in Kopenhagen erstklassig, beging aber andererseits nicht nur beim 2:4 gegen Hannover Stellungsfehler zum Haareraufen.

Cristian Molinaro
Seine Zeit beim VfB begann furios. Cristian Molinaro aus dem Dörfchen Pellare bei Neapel verteidigte und flankte derart temperamentvoll und gekonnt, dass er im Frühjahr 2010 sogar in die Squadra azzurra berufen wurde. Seit zwei Jahren kommt er aber über den Mitläuferstatus nicht hinaus. Nach nur elf Einsätzen in der Bundesliga, davon sieben in der Startelf, ist Molinaros Laune inzwischen im Keller. Ob so die Kehrtwende gelingt?

Antonio Rüdiger und Benedikt Röcker
Zwei Jungprofis mit Perspektiven, wobei Antonio Rüdiger, obwohl mit 19 vier Jahre jünger als Benedikt Röcker, weiter ist. Weil durch den sich abzeichnenden Abgang von Maza in der Abwehr eine Planstelle frei wird, sind die Chancen auf gelegentliche Einsätze hinter Serdar Tasci und Georg Niedermeier für beide gut.

Christian Gentner
Der gebürtige Nürtinger hat nach seiner Rückkehr zu seinem Heimatverein 2010 schwere Zeiten durchgemacht. Doch die Pfiffe von den eigenen Fans sind für Christian Gentner nun Geschichte. Schließlich hat der Deutsche Meister von 2007 (VfB Stuttgart) und 2009 (VfL Wolfsburg) einen gewaltigen Entwicklungssprung hinter sich. Gentner ist nicht nur der sprintschnellste VfB-Profi, er ist auch durchschnittlich die meisten Kilometer gelaufen – und ist als Takt- und Ideengeber aus der Stammelf nicht wegzudenken.

William Kvist
Der dänische Mittelfeldspieler hat als einziger Stuttgarter Akteur bei der EM 2012 in Polen und der Ukraine gespielt – und ist auch von seinem eigenen Anspruch her ein Leitwolf, der stets an seine körperlichen Grenzen geht. Da passte es ins Bild, dass William Kvist aufgrund einer Überlastungsreaktion des linken Mittelfußknochens in den letzten Vorrundenspielen passen musste. Dass sein Fehlen nicht allzu sehr auffiel, lag auch daran, dass sich beim Abräumer wie bei der gesamten VfB-Elf zu viel Licht auch einiger Schatten gesellte.

Ibrahima Traoré
Der schmächtige Flügelflitzer aus Paris, der international für Guinea spielt, hat in dieser Hinserie die größte Entwicklung von allen VfB-Profis gemacht. Nun sorgt er für einigen Wirbel über links. Traoré, der als Spaßvogel bei den Kollegen beliebt ist, hat eine Saison benötigt, um sich an das Niveau der ersten Liga anzupassen. Noch ist Traoré aber nicht am Ziel aller Träume: Vier Torvorlagen in 1. Bundesligaspielen sind eine durchschnittliche Quote, lediglich ein Treffer (gegen seinen Ex-Club Augsburg) ist derweil viel zu wenig.

Zdravko Kuzmanovic
Während auch Maza und Cristian Molinaro mit ihrer aktuellen Lage unzufrieden sind, ist Zdravko Kuzmanovic so etwas wie der Spielführer im Club der Enttäuschten. Für den 25-jährigen serbischen Nationalspieler spricht, dass er gerade nach dem Ausfall von William Kvist ohne große Anlaufzeit da war, als man ihn brauchte – und dass er seine Sache ordentlich machte. Doch sein latent überzogenes Anspruchsdenken und die Tatsache, dass der Mittelfeldmann mit dem Kopf längst außerhalb Stuttgarts spielt, machen „Kuz“, wie er von den Kollegen genannt wird, zu einem heißen Kandidaten für einen Wintertransfer.

Raphael Holzhauser
Mit seinen 1,93 Metern ist der blonde Österreicher der größte VfB-Profi – und war mit seinen 19 Jahren zuletzt auch der jüngste Akteur in der Startelf. Raphael Holzhauser musste sich eine ganze Weile gedulden und ist der Newcomer der Saison. Wer den schussgewaltigen Linksfuß des Öfteren im Training beobachtet, erkennt allerdings schnell, dass das offensive Mittelfeldtalent sein Potenzial längst noch nicht zur Gänze ausgeschöpft hat.

Tamás Hajnal
Nur zehn Einsätze in der Bundesliga, keiner davon über die volle Distanz, sprechen eine deutliche Sprache. Des Trainers Liebling, der in    der VfB-Krisensaison 2010/11 einer der Garanten für den Nichtabstieg war, hat den Zenit seiner Karriere offenbar überschritten. In der Schaltzentrale des Stuttgarter Spiels ist die Wachablösung jedenfalls erfolgt. Tamás Hajnal, dessen Vertrag im Sommer ausläuft, ist nur noch ein Ergänzungsspieler, so dass ein Ende seiner Zeit beim VfB bereits in Sicht ist.

Martin Harnik
Der Hamburger Jung mit deutschem und österreichischem Pass ist in der Vorsaison der beste Stuttgarter Spieler gewesen. Gemessen an diesem Erfolg waren die Leistungen von Martin Harnik in der Hinserie zu oft betrüblich – trotz der Tatsache, dass der 25-Jährige mit fünf Treffern der zweitbeste Bundesligatorschütze des VfB ist. Unter dem Strich hat Martin Harnik zu viele Chancen liegen lassen, wirkte mitunter überspielt und kam einfach nicht in einen erfolgreichen Lauf, der für einen intelligenten Spieler wie ihn notwendig ist.

Shinji Okazaki
Nach mittlerweile zwei Jahren beim VfB kann der Stürmer aus Nippon mit seiner Zwischenbilanz nicht zufrieden sein. Zuletzt hat Shinji Okazaki seinen Platz auf der linken Außenbahn an Ibrahima Traoré verloren. Zehn Saisoneinsätze bei lediglich einem Treffer in Fürth sind für einen gestandenen Nationalspieler, der anders als beim VfB für Japan regelmäßig trifft, erheblich zu wenig.

Vedad Ibisevic
21 Tore hat der VfB in der abgelaufenen Vorrunde erzielt – zehn davon gingen auf das Konto von Vedad Ibisevic, der aufgrund einer Roten Karte aus dem Spiel in München sogar zwei Ligapartien verpasste. Weil das Stuttgarter Angriffskonzept komplett auf den Bosnier zugeschnitten ist, käme ein längerer Ausfall von Ibisevic einer Katastrophe gleich. Deshalb ist Fredi Bobic auf der Suche nach einer Alternative zu dem ausgebufften Torjäger, der selten spektakulär, aber oft effizient spielt.

Tunay Torun, Cacau, Daniel Didavi und Johan Audel
Durch Verletzungen kam dieses Quartett wenig bis gar nicht zum Einsatz. Dass vermutlich alle vier Spieler in der Rückrunde neu angreifen können, zeigt, dass der VfB – auch ohne den zu erwartenden Neuzugang – in der Offensive sein Potenzial noch nicht komplett ausgereizt hat.