Christian Gentner wird von den VfB-Fans mit Pfiffen empfangen – und erzielt Sekunden nach seiner Einwechselung das 2:0.    

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Weil Bruno Labbadia ein immer freundlicher und zumindest in der Öffentlichkeit stets fürsorglicher Trainer ist, hält er natürlich auch über Christian Gentner seine schützende Hand. Also lobt der 45-jährige Fußballlehrer nach dem Sieg über den Hamburger SV den Schützen des Tores zum 2:0 als einen „sehr wichtigen Faktor“ im VfB-Kollektiv, als einen, „der sich immer einbringt und der viel für die Harmonie in der Gruppe und für die Organisation“ tue. Teile des Publikums in der ausverkauften Mercedes-Benz-Arena waren eine Stunde zuvor weniger rücksichtsvoll mit dem zweifachen Deutschen Meister (2007 mit dem VfB, 2009 mit Wolfsburg) umgegangen, als dieser für Zdravko Kuzmanovic eingewechselt wurde: In der 78. Minute waren im Stadion auch Pfiffe zu hören, als der Nürtinger den Rasen betrat, weil ihm einige mangelnden Einsatz vorwerfen.

 

Wie schnelllebig das Fußballgeschäft ist, zeigte sich aber bereits Sekunden später, als Christian Gentner mit seinem zweiten Ballkontakt das Leder vorbei am herausstürzenden HSV-Schlussmann Frank Rost rechts unten in die Maschen des Tores schoss. „Es war wichtig, dass dieser Treffer gefallen ist – und nicht, dass ich ihn gemacht habe“, erklärte der nun umjubelte 25-Jährige bescheiden und zeigte, dass er ein Teamplayer ist und eben keiner, „der sich querstellt, wenn es mal nicht so läuft“.

"Natürlich kann ich nicht zufrieden sein"

Mit seiner Gesamtleistung in dieser Saison kann aber auch Gentner selbst nicht zufrieden sein, obwohl er mit bisher 28 Bundesligaeinsätzen (drei Spiele musste er wegen eines Bänderrisses im Februar aussetzen) und fünf Toren auf stabile statistische Werte verweisen kann. Zu oft aber hat bei der Stammkraft die Leistung nicht gestimmt, zu oft wirkte der Rückkehrer, der eher ein Techniker denn ein Kämpfer ist, wie das schwächste Glied in einer ohnehin schwachen VfB-Equipe. Also mutierte der Mittelfeldmann, der eigentlich als Leitwolf zurück an den Neckar transferiert worden war, zum Sorgenkind.

Aus dem Nationalspieler Gentner, der sein letztes von bisher fünf Länderspielen im August 2010 in Dänemark absolvierte, ist der Bankdrücker Gentner geworden, der im System Labbadia mit dem Dreh- und Angelpunkt Tamás Hajnal keinen Startplatz mehr innehat.

„Natürlich kann ich nicht zufrieden sein“, sagt Gentner, „aber es gibt auch Gründe dafür.“ Die Pfiffe gegen den Re-Import aus Wolfsburg, der noch vom Manager Horst Heldt initiiert wurde, haben daher auch den Nachfolger Fredi Bobic „sehr geärgert. Schließlich kommt der Gente aus der Region und gibt alles für den Verein.“ Als Neuzugang, findet Bobic, habe man es besonders schwer. „Außerdem“, ergänzt der Exnationalstürmer, „muss man mit den jungen Burschen grundsätzlich Geduld haben. Sie sind halt noch nicht so abgezockt.“

Tatsächlich sind die Startvoraussetzungen für Christian Gentner nicht optimal gewesen. Da waren die Probleme in der Saisonvorbereitung, in der die WM-Fahrer fehlten und er zunächst als Innenverteidiger ranmusste. Es folgte der schwächste Saisonstart der Vereinsgeschichte („Da ist es schwer, in den Rhythmus zu kommen“) und der Umstand, dass beim VfB vielleicht einige zu viel von ihm erwartet haben. „Dabei musste ich mich erst eingewöhnen. Von der Meisterelf 2007 waren gerade mal drei Spieler übrig“, sagt Gentner.

Der Trainer Labbadia ist derweil sicher, dass Gentner, für den ein Vereinswechsel zum Saisonende kein Thema ist, die Talsohle durchschreitet. „Christian ist ein intelligenter Spieler mit Führungsqualitäten“, sagt der Stuttgarter Coach. Schließlich sei es für alle eine sehr schwere Saison gewesen. „Auch für Christian“, ergänzt Labbadia: „Letztlich wird er aus dieser Runde eine ganze Menge an Erfahrungen für seine weitere Karriere mitnehmen.“