Bei Ihrem Amtsantritt sagten Sie auch, dass Sie befürchten, in Ihrer Heimatstadt Stuttgart keine Ruhe zu haben und auf Schritt und Tritt vom Thema VfB verfolgt zu werden. Ist es denn tatsächlich so schlimm gekommen?
Derzeit ist es so, dass mir die Leute immer noch meinen Freiraum lassen – wobei es momentan jedoch auch nicht allzu große Zeitfenster gibt, in denen man mich überhaupt ansprechen könnte. Ich bin ja so gut wie nie privat in der Stadt unterwegs, sondern fast immer beim VfB.
Dennoch dürfte sich in Ihrer Familie und in Ihrem Freundeskreis fast alles um Ihren neuen Job drehen?
Seit ich hier bin, hatte ich noch keine Gelegenheit, um in Ruhe ein paar Freunde zu treffen. Und Huub Stevens habe ich in den letzten drei Wochen deutlich öfter gesehen als meine Frau.
Das klingt nach anstrengenden drei Wochen. Was haben Sie da schon alles unternommen?
Ich bin ein Vertreter des 50:50-Prinzips. Das heißt, 50 Prozent meines Handelns sollten jeden Tag strategisch ausgerichtet sein – und die anderen 50 Prozent widme ich den kurzfristigen Angelegenheiten. Das war meine Herangehensweise, mit der ich beim VfB angetreten bin. Inzwischen hat der Präsident den Vorstand umstrukturiert – und ich habe beispielsweise im Scouting die ersten Veränderungen eingeleitet. Aber nun muss jedem von uns bewusst sein, dass das Hauptaugenmerk auf den aktuellen sportlichen Erfolg gerichtet sein muss. Die Rückrunde beginnt.
Was sind die nächsten größeren Aufgaben, die Sie anpacken wollen?
Es geht darum, dass wir das, was wir jetzt personell und inhaltlich verändert haben, mit Leben füllen. Das bedeutet etwa, dass wir auch die Jugendtrainer auf unserem Weg mitnehmen wollen – wobei ich mich mit den Leuten nicht nur austauschen will. Vielmehr sollte meiner Meinung nach jede Besprechung mit einem konkreten Handlungsziel enden.
Welches Bild hatten Sie früher in Ihrer alten Außenansicht vom VfB?
In der veränderten Fußball-Landschaft existieren drei Arten von Vereinen – die einen wie Bayern, Leverkusen oder Wolfsburg nenne ich mal Luxusliner, die anderen wie Augsburg oder Freiburg würde ich als Schnellboote bezeichnen und dazu kommen noch die kräftigen Tanker wie der VfB oder Hamburg, die momentan noch etwas nach ihrer Rolle suchen, um wieder Fahrt aufnehmen zu können.
Ein schönes Bild ist das mit dem kräftigen Tanker – was seit Ihrem Amtsantritt beim VfB bestätigt wurde?
Ich habe hier in jeder Kajüte einen sympathischen Menschen und viel Qualität vorgefunden. Aber jetzt muss jeder raus aus seiner Kajüte und an Deck, um miteinander darüber reden zu können, wie wir den Tanker wieder flott bekommen. Ich spüre auch, dass da die Mitarbeiter neu motiviert sind und richtig Lust zum Mitmachen haben. Momentan ist im Verein sehr viel in Bewegung – aber wissen Sie, was?
Nein.
Das Allerwichtigste ist jetzt, dass sich auch auf dem Platz etwas bewegt.
Dafür werden die Weichen jedoch wiederum in den Vereinsführungen gestellt. Sie waren schon in Freiburg, Leverkusen und Bremen als Trainer tätig. Wie sieht da das Management aus – im Vergleich zum VfB?
Jeder Club hat seine eigene Identität und seine eigene Geschichte. Deshalb sollten wir uns auch nicht mit anderen vergleichen, sondern unseren Kurs finden, der zu uns passt. Mir geht es um die Vernetzung von Nachwuchs, Scouting und Profis. Da wollen wir Taten zeigen und wieder mit der Überzeugung arbeiten, dass wir zu den Besten in diesem Bereich gehören.
Das hören die Fans natürlich gerne.
Wir müssen aufpassen, weil wir in diesem Jahr noch kein Punktspiel bestritten haben, aber ich habe das Gefühl, dass die Stimmung hier wieder etwas hoffnungsvoller geworden ist. So nehme ich das zumindest wahr – etwa auch in unserem Ehrenrat, mit dem ich mich diese Woche getroffen habe. Da ist viel Unterstützung zu spüren, aber wir haben noch einen harten Weg vor uns.
Ein elementarer Bestandteil soll dabei die Jugendförderung sein – was der VfB seit Jahren propagiert. Umgesetzt hat er es jedoch schon länger nicht mehr. Warum ist das dieses Mal anders?
Ich will eine Lanze für die Mitarbeiter brechen, denn meiner Meinung nach hat der VfB auch zuletzt im Jugendbereich gut gearbeitet. So ist unter anderem ein Nachwuchsleistungszentrum entstanden – und bei den Profis sind auch einige hochtalentierte Spieler angekommen.
Gibt es da kein Aber?
Doch, vielleicht kann man die Ressourcen noch etwas besser nützen. Ich versuche, die Strukturen mit Inhalten zu füllen. Dafür will ich stehen.
Die zweite Säule neben den Talenten dürften Neuzugänge sein. Aber seit längerer Zeit haben sich beim VfB dazugeholte Spieler nicht mehr wie gewünscht entwickelt – im Gegenteil. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Es gibt einen Ansatz, aber dazu muss ich ein bisschen ausholen.
Bitte.
Zunächst mal muss man definieren, wann die Transferpolitik erfolgreich ist. Die Faustregel in der Branche lautet, dass das der Fall ist, wenn 60 bis 70 Prozent der Neuzugänge als gut bewertet werden können. Dieses Ziel muss man also vor Augen haben – und das schafft man kaum, wenn eine Person alleine über Spielerverpflichtungen entscheidet. Deshalb haben wir diesen Prozess bereits auf mehrere Schultern verteilt – in der vorher erwähnten Gruppe mit Huub Stevens, Rainer Adrion, Ralf Becker, Jochen Schneider und mir. Wenn wir da einen Konsens über einen Spieler finden, ist die Chance nicht schlecht, dass wir richtig liegen und insgesamt dann auch die im Allgemeinen angestrebte Trefferquote erreichen.
Gibt es solch eine konkrete Vorgabe auch bezüglich der erhofften Punkteausbeute aus den ersten drei Spielen in der Rückrunde gegen Mönchengladbach, Köln und Bayern?
Ein Punkteplan hat noch nie geholfen. Aber es gibt den Anspruch an die Spieler, alles dafür zu tun, damit jeder Einzelne seinen Teil zu einem Sieg beitragen kann. Auf diese Einstellung kommt es an. Wir müssen die Mannschaft sein, die sich besser auf die Partie vorbereitet hat als der Gegner – und wir müssen das auf dem Platz auch zeigen.