Der VfB-Trainer Hannes Wolf installiert im Trainingslager in Lagos einen Mannschaftsrat. Um eine klassische Mittelachse soll sich das Stuttgarter Spiel drehen – gerade, wenn es nicht läuft.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Lagos - Nein, basisdemokratisch ist Hannes Wolf die Angelegenheit nicht angegangen. Das ging für ihn schlichtweg nicht. Weil man, wie in den USA mit Donald Trump zu sehen, nie weiß, was herauskommt, wenn man sich den Launen eines Wahlvolkes unterwirft? Nun ist die Besetzung eines Mannschaftsrates natürlich keine staatstragende Affäre, aber für das Betriebs- und somit auch das Leistungsklima eines Teams von Bedeutung.

 

Also ist der Chefcoach des VfB Stuttgart das sensible Thema analytisch angegangen. Wolf hat sich eine Taktiktafel vor Augen geführt, er hat sie in Zonen eingeteilt, die potenziellen Kandidaten darin verteilt und sich die Altersangaben in Klammern dahinter gedacht. Zudem hat er sich noch ein paar grundlegende Gedanken über das Verantwortungsbewusstsein für die Gruppe gemacht sowie lange mit den infrage kommenden Spielern über die Anforderungen, die an sie gestellt werden, gesprochen.

Ein komplexer Prozess: der neue Mannschaftsrat

Ein durchaus komplexer Prozess war es demnach, ehe der neue Mannschaftsrat bestimmt war und im portugiesischen Trainingslager in Lagos verkündet wurde. Neben Kapitän Christian Gentner (31) gehören noch Simon Terodde (28), Mitch Langerak (28) und Timo Baumgartl (20) dazu. Sie bilden das neue Machtzentrum beim Fußball-Zweitligisten. „Durch die Besetzung haben wir alle Altersklassen und auch das Spielfeld gut abgedeckt“, sagt Wolf.

Eine klassische Mittelachse eben: Torwart, Innenverteidiger, Mittelfeldspieler, Stürmer – um sie soll sich das Stuttgarter Spiel drehen. Das mag kein origineller Ansatz für einen modernen Jungtrainer sein, aber einer, der sich über Spielergenerationen hinweg bewährt hat. Beim VfB hat es zuletzt Armin Veh als Freund alter Hierarchieformen mit diesem Modell versucht. Der Meistermacher von 2007 hatte bei seiner Rückkehr 2014 nur das Problem, dass er keinen Innenverteidiger fand, der Halt gab. Und Jos Luhukay sah den Kader zu Saisonbeginn im völligen Umbruch und zum damaligen Zeitpunkt keinen Sinn darin, einen Mannschaftsrat zu installieren.

Ein Machtzirkel mit Egoismen und Eitelkeiten

Doch für den niederländischen Fußballlehrer bedeutete Führung ohnehin, dass er vorgibt, was die anderen auszuführen haben. Der letzte überlieferte Mannschaftsrat beim VfB geht deshalb auf Alexander Zorniger zurück. Ihm gehörte natürlich Gentner an sowie Georg Niedermeier, Martin Harnik, Serey Dié und Florian Klein. Jürgen Kramny übernahm den Machtzirkel, mit all seinen Egoismen und Eitelkeiten. Niedermeier und Harnik waren stets darauf bedacht, vor allem jüngere Spieler kleinzuhalten. Serey Dié war in der entscheidenden Saisonphase verletzt, und Klein gehörte nicht mehr zur Stammelf.

Jetzt, da Wolf das Team nach seinen ersten Monaten kennt, ist dieses Machtvakuum hinter Gentner geschlossen. Zumindest formal. Denn Führung ist ja keine stumpf hierarchische Angelegenheit, die sich allein über die Anerkennung im Team und bei den Trainern definiert. Sondern zunächst einmal über die Leistung auf dem Platz. „Sie geht aber über das Sportliche hinaus“, sagt Wolf und hat sich für vier Spieler entschieden, die mitten im Geschehen stehen und so über die Gesprächsebene großen Einfluss auf das Spiel nehmen sollen.

Lauter soll es werden, deutlich in der Ansage und klar in der Struktur – weil der Trainer eine gute Kommunikation immer für einen Indikator von Aktivität hält. „Erst wird eine Mannschaft leise, dann passiv“, sagt Wolf. Doch er will Intensität im Spiel haben – und eine Elf, die in der Lage ist, sich ein Stück weit selbst zu coachen. Ein hoher Anspruch an eine Mannschaft, die in der Vergangenheit den Eindruck vermittelte, dass sie eng von außen geführt werden musste. Und die in der Gegenwart zweimal in sich zusammengebrochen ist. In Dresden und in Würzburg.

„Zweifellos brauchen wir in unserem Spiel Konstanz“

Extreme Erfahrungen waren das für Wolf, die ihn in der Erkenntnis bestärkt haben, an der Stellschraube Mannschaftshierarchie zu drehen. „Zweifellos brauchen wir in unserem Spiel Konstanz“, sagt der Trainer. Und zwar über die starke Anfangsviertelstunde hinaus. Danach hat sich der VfB – statistisch belegt – zurückgezogen.

Aus diesem fußballerischen Schneckenhaus will der Trainer sein Team jedoch heraushalten. Er weiß, dass sich seine Spielidee größtmöglicher Flexibilität am besten verankern lässt, wenn sie sein Führungsquartett auf dem Rasen mitträgt. Er weiß aber ebenso, dass er in einem Kader, zu dem erfahrene Kräfte mit nicht geringem Einfluss auf die Gruppendynamik gehören, jeden mitnehmen muss. Deshalb will Wolf den Profis mit Blick auf das große Ziel Aufstieg in Zukunft wieder keine Wahl lassen: „Alle Spieler wissen, dass sie nach wie vor maximal in der Verantwortung stehen.“

VfB Stuttgart - 2. Bundesliga

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