Nur noch vier Spiele bis zum drohenden Sturz aus der Bundesliga: Nach dem 2:2 gegen Freiburg geht der VfB-Stuttgart-Trainer Huub Stevens auf Distanz zu seiner Mannschaft.

Stuttgart - Auch am Tag danach gibt sich Huub Stevens alle Mühe zu demonstrieren, dass er ausnehmend schlechte Laune hat. Bei der morgendlichen Mannschaftssitzung redet er nur das Nötigste und lässt stattdessen die Fernsehbilder vom Vortag sprechen. Und das anschließende Auslaufen der Stammkräfte überlässt er seinem Assistenten Chima Onyeike, einem 105-Kilo-Koloss und mit blank polierter Glatze, während Stevens selbst sehr weit entfernt vom Geschehen mit finsterer Miene an der Bande lehnt. Er wählt die größtmögliche Distanz zu seiner Mannschaft – und das nicht nur am Sonntag auf dem Trainingsplatz.

 

Monatelang hat sich Stevens schützend vor seine Spieler gestellt und selbst nach den miesesten Auftritten tapfer nach positiven Erkenntnissen gesucht. Nach dem enttäuschenden 2:2 am Samstag im so wichtigen Kellerduell gegen den SC Freiburg jedoch ist dem Niederländer zum ersten Mal die Lust vergangen, Verständnis für die Schwächen seiner Mannschaft aufzubringen. Diesmal greift er nicht mehr zum Zuckerbrot, diesmal wählt er das Stilmittel der Peitsche.

Huub Stevens hat das Spiel kippen sehen

„Fassungslos“ ist Stevens darüber, „wie man so ein Spiel noch aus den Händen geben kann“. Er habe die Partie schon in der ersten Hälfte trotz einer völlig verdienten 2:0-Führung und eines bis dahin Furcht erregend schwachen Gegners „kippen sehen“, er habe in der Pause eindringlich gewarnt – alles vergeblich: „Ich habe gegen die Wand geredet.“

Huub Stevens („Wer sich im Fußball auskennt, der sieht das“) will zwar nicht präzisieren, in welchen Situationen er das Unheil kommen sah. Doch kann man sich gut vorstellen, wie sehr es ihm missfallen hat, dass seine Spieler mit der scheinbar beruhigenden Führung im Rücken ein klein wenig lässiger wurden und es auch mal mit einem Hackentrick versuchten. Mit solchen Mätzchen kann niemand weniger anfangen als der Kämpfer auf der Trainerbank, der stets den vollen Einsatz bis zum Schlusspfiff fordert und das altbekannte Stuttgarter Problem aus seiner ersten Amtszeit kennt: Zur einer gewissen Nachlässigkeit neigt die Mannschaft, sobald sie sich sicher fühlt und glaubt, etwas erreicht zu haben.

Die Mannschaft weist die Vorwürfe zurück

Sichtlich irritiert nimmt die Mannschaft die Vorwürfe ihres Trainers zur Kenntnis. Martin Harnik hadert zwar mit sich, weil ihm bei der großen Chance zum wohl entscheidenden 3:0 der Ball versprang: „Das ärgert mich riesig, denn da hätten wir den Deckel draufmachen können.“ Dass man nach dem 2:0 den nötigen Ernst habe vermissen lassen, das will der Angreifer jedoch nicht stehen lassen: „Uns war klar, dass Freiburg alles dafür tun würde, noch einmal zurückzukommen. Die erste Welle haben wir ja auch überstanden.“

Auch Christian Gentner verweist darauf, dass „die Einstellung und die Spielweise gestimmt“ hätten. Er reicht die Schuld am verpassten Derbyerfolg an den Schiedsrichter Wolfgang Stark weiter, der „zwei Allerweltsfouls“ von Adam Hlousek mit der Gelb-Roten Karte bestraft und auch ansonsten „keine Linie“ gehabt habe. „Die schlechte Schiedsrichterleistung“, sagt Gentner, „war mitentscheidend.“

„Schuld war nicht der Schiedsrichter“

Die Einlassungen des Kapitäns dürften die Laune des Trainers noch schlechter werden lassen. Denn auch beim Thema Schiedsrichter nimmt Stevens die komplett entgegengesetzte Position zu seinen Spielern ein. Zwar klatschte er im Eifer des Gefechts höhnisch Beifall in Richtung von Wolfgang Stark, doch konstatiert er hinterher völlig zu Recht, dass der Elfmeterpfiff ebenso korrekt gewesen sei wie der Platzverweis des wieder einmal abenteuerlich schwachen Hlousek. „Schuld war nicht der Schiedsrichter“, sagt Stevens, „schuld waren allein wir selbst. Mit der Leistung, die wir in der zweiten Halbzeit geboten haben, wird es nicht reichen, die Klasse zu halten.“

Der VfB ist seit Anfang Februar auf einem Abstiegsplatz

Auch deshalb hat Stevens nun die Tonart verschärft und den Druck auf seine Spieler erhöht. Als mutmaßlich letztes Mittel des Wachrüttelns versteht der Trainer diese Maßnahme, nachdem er die Atmosphäre rund um die Mannschaft zuletzt als zu wohlig und entspannt empfunden haben dürfte. Einige Komplimente haben die Spieler für ihr besser gewordenes Offensivspiel bekommen, von den Fans wurden sie auch nach der Enttäuschung gegen Freiburg beklatscht, der VfB-Manager Robin Dutt hält an seiner Strategie fest, Ruhe und Gelassenheit auszustrahlen. So ruhig und zuversichtlich ist die Stimmung zuletzt gewesen, dass man fast vergessen konnte, dass der VfB seit Anfang Februar einen Tabellenplatz belegt, der auf dem direktem Weg in die zweite Liga führt. Seit Sonntag sind die Stuttgarter wieder Letzter.

Jetzt bleiben nun noch vier Spiele, um zumindest die Relegation zu erreichen. Innerhalb der Mannschaft ist es nun vorbei mit der Ruhe, dafür wird der Trainer sorgen. Und wenn am Samstag das Auswärtsspiel auf Schalke verloren geht, dann beginnt sogar die Zeit der großen Panik.