Der frühere Stuttgarter Meistertrainer Christoph Daum spricht im StZ-Interview über seinen aktuellen Nachfolger und über die positive Entwicklung der Mannschaft.

Stuttgart – Christoph Daum (62) hat eine besondere Beziehung zum VfB, mit dem er 1992 Meister wurde – und ein spezielles Verhältnis zu Jürgen Kramny (44), der im Kader des Trainers war. Heute ist Kramny selbst VfB-Trainer. Sein Auftakt verlief ähnlich erfolgreich wie einst bei Daum.

 
Herr Daum, was ist das für ein Gefühl, dass Ihnen Jürgen Kramny jetzt im Nacken sitzt?
Wie meinen Sie das?
Noch liegen Sie in Sachen Startbilanz nach den ersten acht Bundesligaspielen mit 18 Punkten auf dem fünften Platz in der Tabelle der erfolgreichsten VfB-Trainer aller Zeiten. Aber Kramny hat nur einen Zähler weniger und könnte Sie bei einem Sieg in seiner neunten Partie am Samstag auf Schalke überholen. Das wäre sicher ärgerlich für Sie?
Überhaupt nicht. Im Gegenteil, ich würde ihm das sogar von ganzem Herzen gönnen. Schließlich sind Rekorde dazu da, um geknackt zu werden.
Das heißt, Sie drücken Kramny und dem VfB in Gelsenkirchen die Daumen?
Auf jeden Fall finde ich es wunderbar, dass sich Kramny diese Ausgangsposition erarbeitet hat, und hoffe, dass er seine Spielweise mit der Mannschaft lange beibehalten kann. Das tut dem VfB offensichtlich gut.
Was genau sind die entscheidenden Unterschiede zur Hinrunde unter dem Trainer Alexander Zorniger?
Ich bin zwar kein Fürsprecher von Zorniger, der sich mit seiner Art auf vielen Ebenen keine Freunde gemacht hat. Es wäre jedoch unfair, alles, was bei ihm passiert ist, zu kritisieren. So gab es auch im Herbst gute Spiele, die der VfB locker hätte gewinnen können. Außerdem hat Zorniger manche Dinge angestoßen und in das Team hineingetragen. Davon profitiert der VfB heute. Zumal es Kramny dann vor allem geschafft hat, eine ausgewogenere Balance zwischen Offensive und Defensive herzustellen. Das ist für mich der Schlüssel zum Erfolg.
Hat es Kramny auch geholfen, dass er schon ziemlich lange im Verein ist und von daher die Abläufe und die speziellen Befindlichkeiten bei seinem Amtsantritt gekannt hat?
Ja, er lebt den VfB förmlich. Das war in der angespannten Lage, in der er die Profis übernommen hat, Gold wert. Denn er hat schon zuvor alle Betriebsinterna hautnah mitbekommen und konnte daraus dann die richtigen Schlüsse für sich ziehen.
Beispielsweise bei personellen Umstellungen. So hat Kramny etwa den zuvor ausgemusterten Georg Niedermeier als neuen Abwehrchef installiert.
Das war in der Tat sehr wichtig für das ganze Gefüge. Niedermeier war immer ein charakterlich einwandfreier Spieler, der sich voll reingehauen hat. Deshalb gab es Mannschaftskollegen, die überhaupt nicht verstanden haben, wie mit ihm umgegangen wurde. Das war ein Riesenproblem.
Jetzt ist es gelöst?
Die Rückkehr von Niedermeier ist zumindest mit dafür verantwortlich, dass ein anderer Teamgeist herrscht. Zuvor habe ich auf dem Platz einzelne Mannschaftsteile gesehen, die für sich agiert haben. Jetzt stehen da elf Spieler, die sich unterstützen.
Das ist das Rezept, mit dem der VfB die vergangenen fünf Begegnungen gewonnen hat?
Die Mannschaft hat eben einen Lauf.
Wie kann diese Serie fortgesetzt werden?
Indem sich jeder im Team immer wieder daran erinnert, wo man herkommt und wie der Aufschwung eingeleitet worden ist. Dieser Trend muss sich erst festigen – und da wäre es das Schlimmste, wenn man schon über andere Ziele wie die Europa League sprechen würde.
Als Sie beim VfB waren, gehörte Kramny zu dem Kader, der 1992 die Deutsche Meisterschaft geholt hat. War damals schon zu erkennen, dass er auch mal ein Trainer wird?
Das nicht.
Aber?
Ersichtlich war, dass er jederzeit geerdet war und den roten Brustring eintätowiert hatte. Er war ein VfBler durch und durch und hat sich immer für die Mannschaft eingesetzt. Natürlich war er nicht zufrieden damit, dass er nicht so oft zum Einsatz gekommen ist, aber dennoch hat er sich immer positiv eingebracht und war unglaublich wichtig für das Innenleben im Team. Er hat einen einwandfreien Charakter.