Taktik-Blogger Jonas Bischofberger analysiert das Spiel des VfB Stuttgart beim SV Werder Bremen. Hat sich der VfB taktisch in eine Sackgasse entwickelt?

Bremen - Jonas Bischofberger analysiert auf seinem Blog www.vfbtaktisch.blogspot.de regelmäßig die Spiele des VfB Stuttgart in der Fußball-Bundesliga. Für unsere Zeitung wirft er einen genauen Blick auf die Partie des VfB in Bremen und sucht nach Erklärungen für den desolaten Auftritt.

 

Nachdem der VfB in den vergangenen Wochen und Monaten immer häufiger mit geringer Kompaktheit und schlecht abgestimmtem Pressing zu kämpfen hatte, kamen beim 2:6 in Bremen auch noch individuelle Patzer dazu. Dank einer guten Rollenverteilung um Stürmer und Fixpunkt Claudio Pizarro kombinierte sich Werder schlagkräftig durch Stuttgarts halblinkes Formationsloch.

Um im Abstiegsgipfel bei Werder Bremen zu bestehen, trat der VfB in einem 4-1-4-1 mit verändertem Personal an. Die rechte Seite wurde mit Alexandru Maxim und Matthias Zimmermann komplett neu besetzt, während Martin Harnik zum ersten Mal unter Jürgen Kramny als Mittelstürmer auflief. Als einziger Sechser begann Daniel Schwaab.

Neues Konstrukt zeigte sich instabil

Dieses neu formierte Konstrukt erwies sich vor allem gegen den Ball als nicht besonders stabil. Die Achter Didavi und Rupp mussten einerseits herausrücken, um Druck auf Bremens Aufbauspiel zu machen, andererseits sollten sie aber auch die Räume neben Schwaab mit absichern. Da die Pressingbewegung im Gesamten zu unkoordiniert ablief, fand sich besonders Didavi jedoch immer wieder in einer Zwischenposition ohne Zugriff wieder und konnte von Bremens Innenverteidigern einfach überspielt werden. Im Anschluss ließ der VfB halblinks viel Raum offen, weil Schwaab nicht konsequent genug nachrückte, wenn Didavi nach vorne schob. Seiner Verteidigernatur entsprechend orientierte sich Schwaab eher in die Viererkette, was aber den Raum vor der Abwehr unnötig preisgab. Um das zu kompensieren, mussten die Innenverteidiger oft riskant auf ihre Gegenspieler herausrücken. Dieser Mechanismus funktionierte allerdings nicht flüssig genug – gut sichtbar bei der Entstehung des 1:0, als Barba erst die Tiefe absichern will und dann keinen Zugriff auf Pizarro bekommt.

Passenderweise konzentrierte sich Bremen im Angriff genau auf das Loch hinter Didavi und neben Schwaab. Mit Yatabaré, Fritz und dem weit ausweichenden Pizarro versuchten sie, den VfB hier zu überladen. Bartels und Junuzovic unterstützten das Kombinationsspiel oder liefen in die Schnittstellen, um diese Angriffe abzuschließen. Ob nach flachen Vertikalpässen oder langen Bällen Richtung Pizarro und Yatabaré – der VfB fand sich in dieser Zone ständig in Unterzahl wieder.

Kreatives Potenzial nur ansatzweise ausgeschöpft

Das kreative Potential, das die offensive Viererreihe mit Maxim, Didavi, Rupp und Kostic bot konnte indes nur ansatzweise ausgeschöpft werden. Obwohl Werder recht passiv verteidigte, bekam der VfB in den ersten 45 Minuten wenig Ruhe in sein Spiel. Oft schlugen sie im Aufbau frühzeitige lange Bälle in die Tiefe oder verfingen sich in engen Situationen auf dem Flügel. Vor allem in der Anfangsphase der Partie fehlte es an Gelassenheit und strategischer Qualität, um den Ball in die offenen Räume zu bringen und den Gegner laufen zu lassen. Auf diese Weise machte sich der VfB nicht nur selbst vielversprechende Angriffe zunichte, sondern versorgte auch den Gegner mit Ballbesitz und Umschaltmöglichkeiten. Die gut vernetzten Strukturen, die der VfB im Offensivbereich zeigte nützten den Gästen daher – abgesehen vom stark herausgespielten Treffer zum 1:1 – wenig.

Nach dem verletzungsbedingten Ausscheiden von Didavi musste Jürgen Kramny kurz vor der Pause umstellen: Anstelle des 4-1-4-1 spielte der VfB nun ein 4-2-3-1 mit Maxim auf der Zehn und dem eingewechselten Timo Werner als Rechtsaußen. Mit einem klaren zweiten Sechser sollte außerdem der Raum vor der Abwehr besser kontrolliert werden.

Mehr Spielkontrolle durch Rupp und Maxim

Rupp und Maxim fielen nach dem Wiederanpfiff häufiger zurück und brachten mehr Ordnung und Ruhe ins Stuttgarter Aufbauspiel. Damit erlangte der VfB etwas mehr Spielkontrolle und Ballbesitz, war aber durch das Fehlen der beiden spielintelligenten Techniker im Angriffsdrittel nicht mehr so gut verbunden wie zuvor. Die einzelnen Elemente der VfB-Offensive wurden damit etwas voneinander isoliert: Das Zusammenspiel von Kostic und Insua fand daher, ebenso wie die Läufe von Werner, für den Harnik immer wieder versuchte Raum zu öffnen, nicht die letzte Effektivität.

Die zweite verletzungsbedingte Auswechslung beim Stand von 3:2 sorgte dann wiederum für einen Knick. Mart Ristl hatte nun die undankbare Aufgabe als linker Sechser den gefährlichsten Bremer Offensivraum abzudecken, während seine Mannschaft mit weit aufrückenden Außenverteidigern versuchte, noch einmal heranzukommen. Es kam wie es kommen musste: Erst fehlte in den entscheidenden Momenten der Zugriff, dann konterte Bremen einen offensiver werdenden VfB aus und schraubte das Ergebnis auf 6:2 hoch.

Fazit

Weder systemische noch individuelle Schwächen allein hätten wohl für ein so desaströses Ergebnis sorgen können. An diesem Abend kamen inkohärentes Pressing, viele Abstimmungsprobleme im neu zusammengestellten System und ein schwarzer Tag von mehr als einem VfB-Spieler zusammen. Bremen hatte außerdem durch seinen Fokus auf das Loch hinter Didavi das taktische Momentum auf seiner Seite und war in der Lage, die Schwächen des Gegners wirkungsvoll auszunutzen.

Nun stellt sich die Frage, welche Richtung der VfB im Hinblick auf die letzten beiden Spiele einschlagen will. Für hohes Pressing und dominanten Fußball hat der VfB anscheinend keine funktionierenden Mechanismen. Um effektiv aus einer tief stehenden Grundordnung heraus zu agieren, fehlen aber mittlerweile das Nachrücken und die Dynamik im Umschalten. Es scheint fast so, als hätte sich der Verein taktisch in eine Sackgasse entwickelt.

VfB Stuttgart - Bundesliga

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