Im Jubiläumsspiel gegen Eintracht Frankfurt vergibt Vedad Ibisevic einen Elfmeter in der Nachspielzeit. Das kostet dem VfB den Sieg – und zeigt, dass der Trainer noch viel Arbeit vor sich hat.

Stuttgart - Plötzlich ist sie da, die große Chance, auf die Vedad Ibisevic das ganze Spiel gewartet hat. Der VfB-Stürmer hat zuvor viel gearbeitet, sich aber nur selten entscheidend durchsetzen können. Dann, in der vierten und letzten Minute der Nachspielzeit, gibt es einen Foulelfmeter. Nur noch irgendwie den Ball ins Tor schießen, und das Spiel gegen Eintracht Frankfurt wäre gewonnen. Das weiß auch Ibisevic. Es ist der größtmögliche Druck. Held oder Unglücksrabe, so lautet in solchen Situationen die Devise. Der Stürmer läuft an – und schießt rechts oben am Tor vorbei. Das Spiel wird nicht mehr angepfiffen.

 

Der Fehlschuss von Ibisevic hat den VfB einen weiteren Sieg gekostet, es wäre der dritte hintereinander gewesen. Mit einem 1:1 (1:1) gegen Frankfurt mussten sich die Stuttgarter somit zufrieden geben – ein Resultat, über das sie sich aufgrund der Spielanteile nicht beklagen können. Trotzdem überwiegt hinterher natürlich die Enttäuschung. „Das ist bitter“, sagt der VfB-Trainer Thomas Schneider: „Wenn man den Sieg so auf dem Silbertablett serviert bekommt, dann will man auch gewinnen.“

Schon vor dem Spiel war alles für eine rauschende Feier hergerichtet worden. Fein rausgeputzt hatten sich zum 120-jährigen Vereinsjubiläum die VfB-Spieler in ihren blütenweißen Traditionstrikots; und auch die Fans in der Cannstatter Kurve präsentierten sich in blendender Feierlaune. Mit einer beeindruckenden Choreografie empfingen sie ihre Mannschaft, in der im rechten Mittelfeld Martin Harnik den angeschlagenen Moritz Leitner ersetzte.

Vor dem Trainer liegt noch ein großes Stück Arbeit

Von Partystimmung auf dem Platz war vor 44 810 Zuschauern zunächst jedoch wenig zu spüren. Als echte Spaßverderber traten die Frankfurter auf und waren in der Anfangsphase die eindeutig bessere Mannschaft. Mit dem Schwung des 3:0-Siegs in der Europa League gegen Girondins Bordeaux spielten die Hessen munter nach vorne und kamen zu guten Chancen. Nur knapp strich eine Volleyabnahme von Johannes Flum vorbei (7.). Sieben Minuten später fiel sie dann, die verdiente Führung: Im Anschluss an die bereits vierte Ecke brachte die VfB-Verteidigung den Ball nicht weg – Marco Russ stocherte ihn unter die Latte.

Von der VfB-Offensive war bis dahin nichts zu sehen gewesen– sehr schmeichelhaft daher der Ausgleich nur 126 Sekunden später: Eine von Alexandru Maxim getretene und von Christian Gentner verlängerte Ecke landete auf dem Kopf von Timo Werner, der aus kurzer Distanz vollendete. Der mit 17 Jahren jüngste Bundesligaspieler in der VfB-Geschichte ist nun also auch der jüngste Torschütze. „Beim Jubiläum so ein Tor zu schießen – das ist das Schönste, was mir passieren konnte“, sagte Werner.

Nach dem Ausgleich konnten die Stuttgarter das Spiel offener und ausgeglichener gestalten. Dennoch zeigte sich auch gegen Frankfurt, dass der Trainer noch viel Arbeit vor sich hat, um den Fußball zu sehen, der ihm vorschwebt. Engagiert waren seine Spieler auch diesmal; dass viel Leben in der Mannschaft steckt, war erneut unverkennbar. „Ich bin insgesamt sehr zufrieden mit unserer Leistung“, sagte Schneider. Um jedoch den nächsten Schritt nach vorne zu machen, bedarf es noch mehr von dem, was sich die von Armin Veh trainierten Frankfurter im Rahmen ihrer Möglichkeiten im Laufe der vergangenen Jahre hart erarbeitet haben: ein eingespieltes System, eine klare Spielanlage, so etwas wie Spielkultur.

Auch über weite Strecken der zweiten Hälfte blieb Frankfurt ein brandgefährlicher Gegner. Vaclav Kadlec (56.) und Stefan Aigner (65.) vergaben gute Gelegenheiten, ehe der Eintracht in der Schlussphase die Kräfte schwanden. Nun kam der VfB stärker auf. Ein Treffer von Maxim wurde nicht anerkannt, weil Ibisevic im Abseits stand. Der Stürmer selbst verzog aus dem Spiel heraus (83.) – und ließ in der Nachspielzeit den fatalen Fehlschuss vom Elfmeterpunkt folgen. „Kein Vorwurf an Vedo. Er hat das Risiko genommen – und dann muss man auch mal damit rechnen, dass es daneben geht“, sagte Schneider, während Ibisevic ahnte: „Das wird eine lange Nacht.“