Heiko Hinrichsen: Heinrich Kohl, der Oberbürgermeister der Großen und mit nur 19 300 Einwohnern doch ziemlich kleinen Kreisstadt Aue, sieht in dem Herzensclub des Erzgebirges den „FC Schalke des Ostens“. Tatsächlich blicken die Veilchen aus Aue wie die Königsblauen aus dem Ruhrpott auf eine Bergmannstradition zurück – und sind dabei so ziemlich das Kultigste, was die zweite Liga zu bieten hat.

 

Während auf St. Pauli die Legende vom „Weltpokalsiegerbesieger“ mit Totenkopf und Astra-Bier ein wenig ins Kommerzielle abgedriftet ist, bietet der FC Erzgebirge Aue noch puristischen Fußballspaß mit Ostalgie-Faktor.

Der VfB kreuzte an einem bitterkalten Dezembersonntag, dem 2. Advent, im Erzgebirgsstadion auf, das nur zur Hälfte stand, aber mal ein Schmuckkästchen wird. Am Abend vor dem 4:0 auf dem leicht angefrorenen Rasen residierte die Mannschaft im Holiday Inn in Zwickau, weil der Blaue Engel, das einzige Hotel in Aue, ausgebucht war. Dass es neben dem VfB-Quartier bei der Après-Ski-Party im „heißen Hirsch“ am Marktplatz Zwickau rund ging, hat die Stuttgarter Kicker um Torjäger Simon Terodde offensichtlich nicht um ihren Nachtschlaf gebracht.

Eine Stunde vor dem Anpfiff rauchte Aues Routinier Christian Tiffert dann auf dem Presseparkplatz noch genüsslich ein Zigarettchen. Und auch in unserer Sportredaktion qualmt es jetzt regelmäßig. Immer dann nämlich, wenn wir mit einer Schachtkerze in unserem original Räuchermännchen aus Aue dem Kultclub aus dem Erzgebirge huldigen.

Sportredakteur Heiko Hinrichsen hat den VfB durch Liga zwei begleitet – und jetzt ein Räuchermännchen aus Aue auf dem Tisch. Zum Leidwesen der Kollegen.

Eine Stunde vor dem Anpfiff rauchte Aues Routinier Christian Tiffert dann auf dem Presseparkplatz noch genüsslich ein Zigarettchen. Und auch in unserer Sportredaktion qualmt es jetzt regelmäßig. Immer dann nämlich, wenn wir mit einer Schachtkerze in unserem original Räuchermännchen aus Aue dem Kultclub aus dem Erzgebirge huldigen.

Sportredakteur Heiko Hinrichsen hat den VfB durch Liga zwei begleitet – und jetzt ein Räuchermännchen aus Aue auf dem Tisch. Zum Leidwesen der Kollegen.

Carlos Ubina und die schwäbische Karawane

Er stand auf keinem offiziellen Spielberichtsbogen – und doch wirkte er stets mit. Übertrug seine Energie auf das Feld und half der Mannschaft durch so manches Leistungstal. Der ominöse zwölfte Mann – eine Kraft, die den VfB Stuttgart durch die Saison begleitete. Denn wo immer das Team um den Kapitän Christian Gentner hinkam, die Fans waren zu Tausenden schon da. Auf sie war Verlass, vom ersten Anpfiff gegen den FC St. Pauli über die Aufstiegsentscheidung jetzt in Hannover bis hin zum anstehenden letzten Abpfiff am nächsten Sonntag gegen die Würzburger Kickers. Von ausverkauft zu ausverkauft, wenn man so will.

Beeindruckend war es, wie die VfB-Anhänger mit ihren Gesängen das Unterhaus des deutschen Fußball enterten. Wie sie das Stuttgarter Stadion nach Jahren des fußballerischen Frusts in eine Erlebnisstätte verwandelten und auch die Auftritte in der Fremde zelebrierten. In Nürnberg ging das sogar so weit, dass die VfB-Fans aus dem angesetzten Auswärts- ein gefühltes Heimspiel machten. Fast 20 000 VfB-Fans waren dabei. Ewig zog sich am Spieltag schon die schwäbische Karawane über die Autobahn ins Frankenland. Und dann der imposante Blick auf die Südkurve – er ließ die FCN-Fans auf der Gegenseite verstummen.

Der weiß-rote Anhang gab stimmgewaltig den Ton in der Liga an. Angetrieben durch den Ehrgeiz, Zuschauerrekorde zu brechen, erfüllt von der Sehnsucht wieder nach oben zu kommen. Doch bei aller Abenteuerlust der Fans – die Kult-Tour durch die zweite Liga soll einmalig bleiben.

Der Fußball-Genießer Carlos Ubina hatte nicht nur Freude an den spielerischen Darbietungen in der zweiten Liga. Also saugte er die Atmosphäre auf.

Dirk Preiß und das Bochumer Liedgut

„Machst mit dem Doppelpass, jeeeden Gegner nass: du und dein Vfeeel.“ Einfach herrlich, die Sekunden vor dem Spiel in dem Stadion, das mal das Bochumer Ruhrstadion war. Und in dem man so nah am geschehen ist, dass man auch mal hört, was der Trainer den Jungs so zuraunt. Ja, so gesehen hat die zweite Liga schon Spaß gemacht.

Nichts gegen die modernen Arenen, die zigtausende Zuschauer fassen und jede Menge Komfort bieten. Aber was ist schon der Oberrang in der Commerzbank-Arena gegen den Platz auf der Haupttribüne im früheren Albstadion zu Heidenheim? Einfach ganz weit weg. Die zweite Liga dagegen hat oft einen puren und reineren Charakter, ein bisschen Basis, etwas mehr Bratwurst und Bier, ein Hauch von Bolzplatz. Gut, die Leistungen erinnerten leider auch oft daran, das Niveau: meist nicht zu vergleichen mit den Darbietungen im Oberhaus. Auch das 1:1 des VfB in Bochum, da kann man nichts schönreden, war kein spielerischer Leckerbissen. Aber sie hatten eben Grönemeyer und nicht den Stern des Südens. Wobei die Bilanz des VfB ja auch ein bisschen was vom Stern des Südens hat: So viele Siege in einer Saison gab es schließlich schon lange nicht mehr. Und der Autor dieser Zeilen ist bei 13 Stadionbesuchen tatsächlich ungeschlagen durchgekommen.

Sportredakteur Dirk Preiß berichtet seit 2007 über den VfB. Einer seiner besten Freunde ist übrigens Fan des VfL Bochum.

Gregor Preiß und die kernigen Abwehrboliden

Was ist der größte Unterschied zwischen zweiter und erster Liga?a) Alles geht ein wenig beschaulicher zu. Oder b) Die Liga ist ausgeglichener und spannender.

Beides richtig. Noch richtiger ist aber Antwort c) Die Tattoo-Dichte ist geringer.

Kaum ein Elitekicker, der etwas auf sich hält, kommt ja heute noch ohne (Ganz-) Körperverzierung aus. Ein bisschen Biblisches, chinesische Philosophie und die Namen der Liebsten – fertig ist der Fußballer-Chic. Nicht so in der zweiten Liga, diesem Hinterhof des Hochglanzfußballs. Zwischen St. Pauli und Sandhausen, Bielefeld und Bochum, wo manche Arenen noch aussehen wie das Neckarstadion anno 1989, sind Profis mit zu viel Chichi eine gefährdete Art. Weil sie als Erste über die Laufbahn gegrätscht werden. Von Abwehrboliden wie Steve Breitkreuz oder Florian Hartherz, die nicht nur kernige Namen tragen, sondern auch so auftreten. Hart, aber herzlich. Felix Kroos (ja, der Bruder von Real-Madrid-Star Toni) gab unlängst beim Gastspiel seiner Berliner in Stuttgart Interviews in Badelatschen. In jenem Bereich des Stadions, der kommende Saison wieder zum Showroom der Körperkunst und Kulturtäschchen mutiert. Ja, sie wird uns auch fehlen, diese zweite Liga, die Bühne des kleinen Kickers.

Fußball-Romantiker Gregor Preiß erlebte auf seiner Zeitreise in die Vergangenheit einige längst vergessene Fußball-Momente.