Nur noch wenige Spiele: Auch die VfB-Anhänger wissen, dass sich in schlechten Zeiten zeigt, wer ein echter Fan seiner Mannschaft ist.

Stuttgart - Die Tickets sind auch dieses Mal restlos vergriffen. 4.500 Fans begleiten den VfB Stuttgart am Samstag zum Auswärtsspiel beim 1. FC Köln - es wären sogar deutlich mehr, wäre das Gästekontingent nicht wie üblich auf zehn Prozent des Fassungsvermögens beschränkt. Für die darauf folgenden Auswärtsspiele in Hoffenheim und München gibt es ebenfalls längst keine Karten mehr; und sogar die weite Reise nach Bremen haben neulich ungewöhnlich viele VfB-Anhänger angetreten.

 

 Erst in schlechten Zeiten, so heißt es, zeigt sich, wer ein echter Fan ist. So gesehen kann sich der VfB nicht beklagen - fehlender Rückhalt aus der Kurve jedenfalls wird nicht schuld sein, sollte der Club am Saisonende in die zweite Liga absteigen. "In dieser schwierigen Situation", sagt Christian Schmidt, "sind die Fans enger zusammengerückt und wollen zeigen, wie wichtig ihnen der Verein ist."

In den vergangenen Wochen rund zehn neue Fanclubs

Schmidt ist beim VfB als Leiter der Fanbetreuung angestellt und muss einerseits seit Monaten aufgebrachte Fans beruhigen, die vor lauter Sorge kein Auge mehr zumachen. Andererseits hat er zuletzt aber auch so etwas wie eine Aufbruchstimmung ausgemacht - zumindest bei jenem Teil des Publikums, der hinterm Tor steht.

Denn während sich unter den Besuchern auf der Haupt- und Gegentribüne zunehmende Gleichgültigkeit und teils grenzenloser Frust breitmacht, während manch langjähriger Sympathisant enttäuscht seine Mitgliedschaft kündigt, haben hartgesottene Anhänger allein in den vergangenen Wochen rund zehn neue Fanclubs gegründet. Und täglich rufen Anhänger bei Schmidt und den beiden anderen Fanbeauftragten Peter Reichert und Ralph Klenk an und fragen nach Eintrittskarten für die restlichen Spiele. "Das zeigt, dass sich die Fans sagen: jetzt erst recht!" 

"Natürlich ist keiner von uns glücklich, so wie es läuft."

Am Tiefpunkt war das Verhältnis zwischen Fans und Mannschaft Anfang Dezember, als Teile des Anhangs die Gefolgschaft verweigerten und vor dem Stadion demonstrierten. Die Spielweise hat sich seither nicht entscheidend verbessert - trotzdem ist die Unterstützung mittlerweile wieder bedingungslos, sogar bei so desolaten Spielen wie der 2:4-Niederlage gegen Kaiserslautern am vergangenen Samstag. Wütend sind die Fans noch immer auf ihre Spieler, doch verkneifen sich die meisten die Pfiffe. Denn größer als die Wut ist die Angst davor, nächstes Jahr gegen Paderborn oder Oberhausen spielen zu müssen. 

Für den Gastronom Andreas Göz ist es eine Selbstverständlichkeit, gerade dann am lautesten zu singen, wenn der Untergang droht. "Wenn du vorne stehst und jedes Spiel gewinnst, kann jeder singen", sagt der Vorsitzender des Fanclubs Filder, einer der ältesten Gruppierungen beim VfB. Auch er fährt derzeit zu jedem Auswärtsspiel, auch er leidet seit Monaten mit. "Natürlich ist keiner von uns glücklich, so wie es läuft", sagt Göz: "Aber wir können nun einmal keine anderen Spieler aus dem Hut zaubern und müssen alles dafür tun, dass wir diese Saison irgendwie überstehen."

Hoher Besuch bei letztem Fanausschuss-Treffen

Fünf Spiele bleiben noch, fünf Spiele, "in denen es auch ganz entscheidend auf unsere Fans ankommt", wie der VfB-Trainer Bruno Labbadia zuletzt immer wieder betont hat: "Die Leute müssen wissen, dass sie für die Mannschaft in dieser Situation besonders wichtig sind."

Auch an oberster Vereinsstelle hat der Anhang in der großen Krise einen ganz neuen Stellenwert bekommen. Beim letzten Treffen des Fanausschusses jedenfalls war hoher Besuch zu Gast, Erwin Staudt, der Präsident höchstpersönlich, und Ulrich Ruf, der Finanzchef. Manche sagen, auch daran sehe man, wie ernst die Lage beim VfB mittlerweile ist. 

Die Anhänger des VfB

Fanclubs: Derzeit hat der VfB rund 350 offizielle Fanclubs mit etwa 13.000 Mitgliedern. Der älteste ist der am 5. Januar 1977 gegründete Fanclub Villingendorf, der größte der Fanclub Rot-Weiße Schwaben Berkheim (740 Mitglieder). Der am weitesten entfernte Fanclub heißt American Stuttgart Fans und hat in Cambridge (USA) seinen Sitz. Nächste Woche wird der erste reine Frauenfanclub aufgenommen.

Ultras: Neben den herkömmlichen Fans gibt es auch beim VfB seit einigen Jahren verschiedene Ultra-Gruppierungen, die nicht an den Verein angebunden sind und ein anderes Selbstverständnis haben. Die größte ist das 1997 gegründete Commando Cannstatt.