Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Die Streife fährt nicht wie geplant mit dem Zug, sondern mit dem Auto nach Kehl. Nicole Drescher sitzt am Steuer. Offenburg ist ihre erste Station nach der Ausbildung, sie stammt aus Mecklenburg-Vorpommern und hat Heimweh. Heute ist ihr letzter Tag in Südbaden, sie hat sich erfolgreich in Hamburg beworben und freut sich auf die Stadt am Wasser, aufs Kanufahren. Menschen ohne Papiere aufgreifen, das kann manchmal ziemlich belastend sein. „Wenn ich nach Feierabend hier rausgehe, ist das weg“, behauptet sie. Natürlich habe sie Mitleid, und sie könne gut verstehen, dass Menschen eine so lange und beschwerliche Reise auf sich nähmen, um aus üblen Verhältnissen zu fliehen.

 

Der Bahnhof in Kehl liegt unmittelbar an der Grenze. Vom Vorplatz sieht man auf die Auffahrt zur Rheinbrücke. Auf deutscher Seite sind die ehemaligen Grenzbaracken noch zu sehen, sie sind umgebaut worden und dienen jetzt der Bundespolizei als Dienstgebäude. Es ist nach 23 Uhr und kalt. Ein Mann mit einer Plastiktüte verlässt etwas auffällig Georgies Grillstube. „Dürfen wir bitte einmal Ihre Papiere sehen“, sagt Nicole Drescher halblaut, aber bestimmt. Sie ist einen Schritt auf den Grauhaarigen zugegangen, der aus der Plastiktüte einen ungarischen Pass und eine Meldebescheinigung für Frankreich kramt. „O. K. Gute Nacht.“ Ein scheuer Blick noch und der Mann macht sich auf den Weg zu Fuß über die Rheinbrücke.

Manchmal kommen Flüchtlinge zu Fuß über die Brücke

Vor der Döner-Kebab-Pizza-Kneipe stehen zwei Koffer mit Rollengestell, gespickt mit  Aldi-Tüten. Der Besitzer kommt schnell aus der Bude raus. „Hallo, alles in Ordnung?“ Den kenne man, sagt Dieter Hutt. Ein Obdachloser, die Koffer sind seine ganze Habe, er arbeitet in Straßburg und wird ebenfalls bald über die Brücke gehen, um sich dort eine Ecke zum Schlafen zu suchen. „Manchmal kommen Flüchtlinge auch zu Fuß über die Brücke“, sagt Dieter Hutt. Es gibt ja jetzt keine Grenzkontrollen mehr, auf französischer Seite sind die Baracken abgebaut. Ältere Jahrgänge kennen noch die Staus und die ruppigen Posten auf der Rheinbrücke. Auf beiden Seiten.

Menschen über diese Grenze zu schleusen ist einfach. Verboten ist es trotzdem. „Paragraf 96 Aufenthaltsgesetz“, bemerkt Hutt beiläufig. Wer jemanden anstiftet oder dabei Hilfe leistet, unerlaubt nach Deutschland einzureisen, kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe belegt werden. Je nachdem. Ob es zum Beispiel wiederholt und gewerbsmäßig vorkommt. Doch die Schleuser, die Flüchtlinge durch Europa lotsen, sind schwer zu fassen. Gerade einmal 19 Schleuser sind in den ersten acht Monaten des Jahres in der Direktion Offenburg und 105 in ganz Baden-Württemberg erwischt worden. „Die Schleuser reisen meist nicht mit im Zug“, erklärt Thiele. Die oft mafiamäßig organisierten Banden haben den Schienenweg als für sie relativ sichere Transitstrecke entdeckt. Für Transporte mit Kraftfahrzeugen fliegt bei einer Polizeikontrolle zumindest der Chauffeur auf. Die Bosse halten sich im Hintergrund. Es gibt aber auch die familiäre Hilfe: Bereits in Deutschland wohnende Syrier oder Iraker versuchen derzeit verzweifelt, ihre Angehörigen aus dem Schussfeld zu holen.

Nächtliche Kontrolle im Liegeabteil

Der City-Nightliner CNL 451 von Paris nach Berlin hat eine halbe Stunde Verspätung. Sieben junge Beamte der in Kehl stationierten Mobilen Kontroll- und Überwachungseinheit der Bundespolizei, abgekürzt MKÜ, sind zur Verstärkung über die Straße gekommen. Endlich rollt der Zug an, die Beamten steigen an vier Stellen ein und gehen durch die Liegeabteile. „Deutsche Polizei. Passkontrolle.“ Mit der Taschenlampe leuchten sie in die Abteile. Die schlafenden Passagiere drehen sich unwillig um, fluchen. Giggelnde Schülerinnen auf der Rückkehr vom Klassenausflug finden die Kontrolle supertoll, sie wollen dringend ihren Ausweis vorzeigen.

Er sei 1976 in Tunis geboren und über das Mittelmeer geflohen, 2011 schon, als die sogenannte Jasminrevolution sich gegen das autoritäre Regime erhob und es unter blutigen Opfern hinwegfegte. Von Lampedusa in Italien sei er über Marseille nach Paris gereist. Gearbeitet habe er illegal, da, wo es schmutzige Arbeit zu verrichten gab. Nun wolle er Asyl in Deutschland. Da unklar ist, woher er genau kommt, muss er ab sofort geduldet werden.

Nicole Dreschers letzter Tag in Offenburg

Die Streife fährt nicht wie geplant mit dem Zug, sondern mit dem Auto nach Kehl. Nicole Drescher sitzt am Steuer. Offenburg ist ihre erste Station nach der Ausbildung, sie stammt aus Mecklenburg-Vorpommern und hat Heimweh. Heute ist ihr letzter Tag in Südbaden, sie hat sich erfolgreich in Hamburg beworben und freut sich auf die Stadt am Wasser, aufs Kanufahren. Menschen ohne Papiere aufgreifen, das kann manchmal ziemlich belastend sein. „Wenn ich nach Feierabend hier rausgehe, ist das weg“, behauptet sie. Natürlich habe sie Mitleid, und sie könne gut verstehen, dass Menschen eine so lange und beschwerliche Reise auf sich nähmen, um aus üblen Verhältnissen zu fliehen.

Der Bahnhof in Kehl liegt unmittelbar an der Grenze. Vom Vorplatz sieht man auf die Auffahrt zur Rheinbrücke. Auf deutscher Seite sind die ehemaligen Grenzbaracken noch zu sehen, sie sind umgebaut worden und dienen jetzt der Bundespolizei als Dienstgebäude. Es ist nach 23 Uhr und kalt. Ein Mann mit einer Plastiktüte verlässt etwas auffällig Georgies Grillstube. „Dürfen wir bitte einmal Ihre Papiere sehen“, sagt Nicole Drescher halblaut, aber bestimmt. Sie ist einen Schritt auf den Grauhaarigen zugegangen, der aus der Plastiktüte einen ungarischen Pass und eine Meldebescheinigung für Frankreich kramt. „O. K. Gute Nacht.“ Ein scheuer Blick noch und der Mann macht sich auf den Weg zu Fuß über die Rheinbrücke.

Manchmal kommen Flüchtlinge zu Fuß über die Brücke

Vor der Döner-Kebab-Pizza-Kneipe stehen zwei Koffer mit Rollengestell, gespickt mit  Aldi-Tüten. Der Besitzer kommt schnell aus der Bude raus. „Hallo, alles in Ordnung?“ Den kenne man, sagt Dieter Hutt. Ein Obdachloser, die Koffer sind seine ganze Habe, er arbeitet in Straßburg und wird ebenfalls bald über die Brücke gehen, um sich dort eine Ecke zum Schlafen zu suchen. „Manchmal kommen Flüchtlinge auch zu Fuß über die Brücke“, sagt Dieter Hutt. Es gibt ja jetzt keine Grenzkontrollen mehr, auf französischer Seite sind die Baracken abgebaut. Ältere Jahrgänge kennen noch die Staus und die ruppigen Posten auf der Rheinbrücke. Auf beiden Seiten.

Menschen über diese Grenze zu schleusen ist einfach. Verboten ist es trotzdem. „Paragraf 96 Aufenthaltsgesetz“, bemerkt Hutt beiläufig. Wer jemanden anstiftet oder dabei Hilfe leistet, unerlaubt nach Deutschland einzureisen, kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe belegt werden. Je nachdem. Ob es zum Beispiel wiederholt und gewerbsmäßig vorkommt. Doch die Schleuser, die Flüchtlinge durch Europa lotsen, sind schwer zu fassen. Gerade einmal 19 Schleuser sind in den ersten acht Monaten des Jahres in der Direktion Offenburg und 105 in ganz Baden-Württemberg erwischt worden. „Die Schleuser reisen meist nicht mit im Zug“, erklärt Thiele. Die oft mafiamäßig organisierten Banden haben den Schienenweg als für sie relativ sichere Transitstrecke entdeckt. Für Transporte mit Kraftfahrzeugen fliegt bei einer Polizeikontrolle zumindest der Chauffeur auf. Die Bosse halten sich im Hintergrund. Es gibt aber auch die familiäre Hilfe: Bereits in Deutschland wohnende Syrier oder Iraker versuchen derzeit verzweifelt, ihre Angehörigen aus dem Schussfeld zu holen.

Nächtliche Kontrolle im Liegeabteil

Der City-Nightliner CNL 451 von Paris nach Berlin hat eine halbe Stunde Verspätung. Sieben junge Beamte der in Kehl stationierten Mobilen Kontroll- und Überwachungseinheit der Bundespolizei, abgekürzt MKÜ, sind zur Verstärkung über die Straße gekommen. Endlich rollt der Zug an, die Beamten steigen an vier Stellen ein und gehen durch die Liegeabteile. „Deutsche Polizei. Passkontrolle.“ Mit der Taschenlampe leuchten sie in die Abteile. Die schlafenden Passagiere drehen sich unwillig um, fluchen. Giggelnde Schülerinnen auf der Rückkehr vom Klassenausflug finden die Kontrolle supertoll, sie wollen dringend ihren Ausweis vorzeigen.

Eine gute Viertelstunde und der Nachtzug kann weiter nach Berlin, der Schaffner nickt und pfeift, er kennt das Prozedere. Zurück bleibt ein zorniger Russe, der angibt, seinen Pass verloren zu haben. Einer der jungen MKÜ-Beamten ist Russlanddeutscher. Er hört geduldig zu und erklärt dem Mann, er müsse mitgehen auf das Revier, wo seine Angaben überprüft werden.

„Das war mager“, beschreibt Dieter Hutt das Ergebnis der Kontrolle. Normalerweise seien es vier, fünf Leute, die man aus dem Zug holt, manchmal ganze Familien oder ein ganzes Abteil. „Fahren wir zurück.“ Die Schicht neigt sich dem Ende zu, und Nicole Drescher will noch ihren Ausstand für die Offenburger Kollegen geben. Der Tunesier ist bereits fort, seinen Rausch hat er halbwegs ausgeschlafen. Die Polizei hat ihm nach der Erfassung einen Gutschein für die Fahrkarte nach Karlsruhe und ein Formblatt in arabischer Sprache in die Hand gedrückt. Dort, in der Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge, muss sich der Asylbewerber melden. Noch ist seine Reise nicht zu Ende.

Flüchtlingsheime mit mehr als 20 Plätzen im Raum Stuttgart: