Immer mehr Firmen setzen auf den Werbeträger Mensch. Auch Stuttgart-21-Gegner wissen dieses virale Marketing zu nutzen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Thea Bracht (tab)
Stuttgart - "A hunter shoots a bear" » könnte ein Kultfilm werden, auch wenn der Werbeclip ganz kurz und die Handlung schnell erzählt ist: Ein Jäger putzt sich in der Wildnis die Zähne, als plötzlich hinter seinem Zelt ein Bär auftaucht. "Erschieß ihn", schreit eine aufgeregte Stimme aus dem Off. Soll der Jäger jetzt abdrücken oder nicht? Der Film stoppt – und der Internetnutzer hat die Wahl. Mit Hilfe von "Tipp-Ex" wird das Wörtchen "shoots" in der Video-Überschrift ausradiert. Jetzt ist der Zuschauer der Regisseur. Er kann "schießen" durch ein beliebiges anderes Verb ersetzen und schreibt damit die Handlung fort. Der Bär ist gerettet, der Zuschauer hat seinen Spaß – und die Marke Tipp-Ex ist in aller Munde. Obwohl die Werbekampagne erst seit wenigen Tagen online steht, haben sich bereits Hunderttausende den Clip auf der Internetplattform Youtube angeschaut.

Jeder hat schon miterlebt, wie sich so etwas im Netz herumspricht: "Hast Du schon dieses unglaubliche Video gesehen?" Eine Mail, ein Link, ein Facebook-Eintrag, schon wird ein Clip von den Nutzern wie ein Virus verbreitet. Je origineller der Spot, desto schneller funktioniert das.

Clever eingesetzt, kann virales Marketing ein Riesenpublikum zu einem vergleichsweise lächerlichen Preis erreichen. Der Siegeszug der Bionade etwa wäre ohne die moderne Form der Mundpropaganda kaum denkbar gewesen. Nachdem die Hamburger Medienszene das Getränk für sich entdeckt hatte, wurde es berühmt. Das Konzept: keine offizielle Werbung ist die beste Werbung. Denn nach Reklame darf das Ganze auf keinen Fall aussehen.



Ebenfalls Kultstatus hat der US-Unternehmer Tom Dickson, der sein Produkt – einen Mixer – besonders pfiffig vermarktet. Der Gründer des Küchengeräteherstellers Blendtec drehte vor laufender Kamera Kreditkarten, iPods und Vuvuzelas durch den Mixer. Dickson, seriös in weißem Laborkittel und mit Schutzbrille auftretend, zerschredderte mit dem Gerät sogar sein iPhone zu grau-schwarzem Pulver ». Die Web-Videos schauten sich auf Youtube Millionen von Menschen an. Dank der Kommunikation zwischen den Konsumenten wurde die Youtube-Kampagne "Will it blend?" (sinngemäß übersetzt: Kriegt man es klein?) ein Riesenerfolg. Wichtig dabei: die Nutzer haben die Links aus Spaß an der Sache verschickt – und fühlten sich nicht von banalen Werbebotschaften überschwemmt.

Die "Parkschützer" sind in Stuttgart eine bekannte Marke


Virales Marketing funktioniert auch in kleinerem Maßstab. Die "Parkschützer" etwa sind in Stuttgart in wenigen Monaten zu einer Marke geworden. Im Netz haben sich bereits mehr als 23.000 Anhänger unter http://www.parkschuetzer.de registriert. Die Initiative gehört zum Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 und will verhindern, dass 280 Bäume im Schlossgarten gefällt werden. Die Aktivisten senden über Twitter aktuelle Kurznachrichten, verschicken Newsletter und informieren die anderen per SMS über die aktuellen Geschehnisse am Stuttgarter Hauptbahnhof. Jeder Parkschützer ist zugleich Werbeträger und soll die Botschaft aktiv verbreiten. "Versenden Sie Parkschützer-eCards. Sie können fast alle Bilder aus den Galerien als eCard an Verwandte und Freunde verschicken!", heißt es auf der Seite ». Oder: "Verlinken Sie die Parkschützer-Site. Am Besten mit unseren Parkschützer-Bannern."