In den Endspielen um die deutsche Volleyball-Meisterschaft trifft Alexander Waibl auf seinen Ex-Club Allianz MTV Stuttgart. Sportlich erwartet der Coach des Dresdner SC eine enge Kiste. Trotzdem sieht er zwischen den beiden Vereinen auch große Unterschiede.

Stuttgart -

 
Herr Waibl, Ihr Team hat das erste Spiel gegen Allianz MTV Stuttgart locker 3:0 gewonnen. Dürfen wir schon zum Titel gratulieren?
Das ist natürlich eine provokante Frage. Wir wissen genau, dass bisher nichts Besonderes passiert ist. Wir haben ein Heimspiel gewonnen, das hat gutgetan. Mehr nicht.
Dieses Spiel taugt nicht als Maßstab für die DM-Serie, in der drei Siege nötig sind?
Auf keinen Fall. Stuttgart hat drei Tage zuvor das dritte Halbfinale in Schwerin gewonnen, war müde und emotional geplättet. Da ist es schwierig, kurz danach schon wieder auf hohem Niveau zu agieren.
Am Samstag, 19.30 Uhr, geht es in die mit 2250 Zuschauern ausverkaufte Scharrena. Haben Sie Respekt vor dieser Aufgabe?
Nicht mehr als vor jedem anderen Spiel. In der Halle ist es immer sehr laut, Akustik und Stimmung sind toll. Aber wir haben in dieser Saison auswärts öfter gewonnen als daheim.
Und Druck verspürt vor allem Ihr Gegner.
Richtig. Die Stuttgarterinnen müssen gewinnen, wir können. Ein Auswärtssieg wäre schön, ist aber keine Pflicht. Wir wissen, dass in dieser Serie der Heimvorteil für uns spricht.
Was zeichnet Allianz MTV Stuttgart aus?
Die Mannschaft hat keine Schwächen, ist sehr kompakt. Es ist sehr schwierig, gegen sie erfolgreich zu sein. Das hat mit der Qualität der Spielerinnen zu tun, aber natürlich auch mit der Arbeit der Trainer – sie machen einen tollen Job. Insgesamt spielt Stuttgart wieder eine sehr gute Saison.
Der Dresdner SC auch.
Stimmt. Auch wir lassen kaum leichte Punkte gegen uns zu. Unser Vorteil ist, dass wir mehr Tiefe im Kader und alle 14 Spielerinnen gesund ins Finale gebracht haben. Deshalb sind wir variabler, als es Stuttgart sein kann, zum Beispiel auf den Außenpositionen. Ich habe vier Spielerinnen zur Verfügung, mein Kollege Hernandez nur zwei.
Ihr Kader ist qualitativ stärker besetzt. Liegt das daran, dass Ihr Personaletat deutlich höher ist als bei Ihrem Kontrahenten Allianz MTV Stuttgart, der rund 400 000 Euro in die Mannschaft stecken kann?
Diese Zahl kann ich im Detail nicht beurteilen, ich bekomme nur das eine oder andere in Gesprächen mit Spielervermittlern mit. Doch ich bin überzeugt, dass sich die Ausgaben für das jeweilige Team nicht groß unterscheiden, da geht es höchstens um zehn Prozent. Und eines weiß ich sicher: Gemessen an Vereinen in Russland, Aserbaidschan oder der Türkei, haben wir beide Mini-Etats.
Und dennoch heißt es in Stuttgart immer wieder: Der Dresdner SC ist der Verein, an dem wir uns orientieren müssen.
Da muss man differenzieren. Auf sportlicher Ebene sind solche Aussagen sicher bewusste Kleinmacherei. Wir haben zwar sieben der letzten acht Spiele gewonnen, aber fünf waren enorm eng und endeten 3:2. Das Niveau der Teams liegt eng beieinander.
Und organisatorisch?
Von der Struktur her sind wir erheblich weiter. Wir haben einige Hauptamtliche in der Geschäftsstelle, können uns deshalb intensiv um Marketing und Sponsoring kümmern – was aber auch nötig ist, schließlich bestreiten wir unser Budget vor allem aus einer Vielzahl kleinerer Sponsoren. Um Ihre Frage zu beantworten: Was die Struktur angeht, können sich andere Verein sicherlich am Dresdner SC orientieren. Bei uns auf der Geschäftsstelle kann man sehen, wie professionell gearbeitet wird.
Allianz MTV Stuttgart hat in Aurel Irion seit 1. April auch einen Geschäftsführer.
Das finde ich gut, diesen Schritt muss der Verein gehen – ohne dass ich damit sagen will, dass nicht schon vorher gut gearbeitet worden wäre. Sonst wäre der Club nicht da, wo er aktuell steht.
Das liegt sicher auch daran, dass die Mannschaft sinnvoll verstärkt worden ist.
Das kann man so sagen. Die Verantwortlichen beim MTV haben ein tolles Gespür für Neuverpflichtungen.
Stimmt es, dass Sie vor einem Jahr Außenangreiferin Michaela Mlejnkova gerne nach Dresden geholt hätten?
Nein. Ich kannte sie natürlich, weil meine Frau damals in Tschechien gespielt hat. Aber ich hielt sie mit ihren 18 Jahren für zu jung, um mit der Druck-Konstellation in Dresden umgehen zu können. Hier erwartet jeder den Titel, das macht es vor allem für junge Spielerinnen alles andere als einfach.
Und jetzt . . .
. . . würde ich sie liebend gerne haben. Aber sie hat leider noch ein Jahr Vertrag in Stuttgart. Sie spielt so herausragend, dass es ihr sogar gelingt, den Ausfall von Renata Sandor auszugleichen. Sie ist ein tolles Mädel.
Das Sie noch stärker machen könnten.
(Lacht) Ja. Ich habe das große Glück, mit Michaela Mlejnkova im Sommer arbeiten zu können, wenn ich das tschechische Nationalteam übernehme.
Zunächst geht es aber noch um den DM-Titel – und um den direkten Sprung in die Champions League. Der Vizemeister muss erstmals in die Qualifikation.
Dieser neue Modus ärgert mich maßlos. Er ist für eine aufstrebende Volleyball-Nation wie Deutschland nicht angemessen. Die Konstellation dürfte so sein, dass es für den Vizemeister knüppelhart wird, es in die Gruppenphase zu schaffen.
Sollte der Vizemeister trotzdem einen Anlauf in Richtung Königsklasse nehmen?
Auf jeden Fall. Wer die Chance hat, Champions League zu spielen, muss dies auch tun. Das bringt jeden Verein weiter. Und die Bundesliga natürlich auch.
Trotzdem birgt die hohe Belastung auch ein großes Risiko.
Das ist klar. Die Champions League mit ihren langen Reisen kostet vor allem auch emotional viel Kraft und Konzentration. Da muss man sich als Trainer nicht wundern, wenn es am Samstag danach in der Bundesliga nicht läuft. Da hilft ein großer Kader. Noch wichtiger aber ist die Erfahrung. Man muss lernen, den richtigen Rhythmus aus Belastung und Regeneration zu finden.
Noch mal zurück zum Finale um die Meisterschaft: Sollten die Stuttgarterinnen eines der beiden nächsten Spiele gewinnen, würde das vierte Duell am 30. April in der Porsche-Arena stattfinden. Wäre das auch für Sie reizvoll?
Sicher. Allerdings müssten wir dafür noch mal nach Stuttgart reisen – und das ist nicht unser primäres Ziel.