Der Austragungsort stimmt schon mal – kein unerhebliches Detail für einen, der an das Schicksal glaubt, bei Transfers auch das Sternzeichen der Spieler miteinbezieht und in der Finalvorbereitung aus Aberglauben alles exakt umgekehrt machte als vor zwei Jahren. „Purer Fußball“, sagt Simeone in seinem weichen argentinischen Spanisch über das gewaltige San-Siro-Stadion, in dem er selbst ein paar Jahre für Inter Mailand spielte. „Wenn es ein Szenario gibt, das für mich den Fußball repräsentiert, dann ist es Italien.“

 

Was aus Sicht der aktuellen spanischen Dominanz seltsam klingen mag, erklärt sich durch Simeones Kindheit. Höhepunkt der Woche waren die Sonntage: Pizza essen und im Fernsehen dem argentinischen Nationalhelden Maradona dabei zusehen, wie er aus dem notorisch erfolglosen SSC Neapel eine Siegermannschaft machte. Womöglich rührt schon daher Simeones Vorliebe für die Underdogs, die Rebellion, für David gegen Goliath, den aufmüpfigen Kampf gegen die Verhältnisse. So wie Maradona sich jede andere Mannschaft hätte aussuchen können, so könnte Simeone längst einen reicheren Verein trainieren.

Er kämpfe wie ein Löwe, sangen die Fans bei Inter Mailand

Zwei weitere Charakterzüge begleiteten das Kind einer Mittelklassefamilie schon früh: die geborene Führungsbegabung – schon als Zehnjähriger leitete er in Buenos Aires ein Jugendorchester – und die unersättliche Leidenschaft für den Fußball. „Er sprach 24 Stunden nur über Fußball“, erinnerte sich sein ehemaliger Inter-Teamkollege Gianluca Pagliuca: „So extrem, dass wir manchmal sagten: ‚Diego, sollen wir nicht mal ein bisschen über Weiber reden?‘“

Die Hingabe zum Spiel teilt er mit Guardiola, dem Ex-Bayern-Trainer, den er im Halbfinale bezwang. In seinen fußballerischen Vorlieben jedoch könnte er unterschiedlicher nicht sein als der katalanische Feingeist. „Wenn ich Schlamm sehe, werfe ich mich kopfüber hinein“, sagt er. Beide waren Mittelfeldspieler, aber wo Guardiola schon als Aktiver das Spiel vom Kopf her verstand, sangen die Fans bei Inter: „Diego Simeone lotta come un leone“: er kämpfe wie ein Löwe. Auch als Trainer mag er es intensiv. Wenn ihm eine Darbietung seiner Profis besonders gut gefällt, sagt er, „sie haben wie Männer gespielt“.