An allen Ecken und Enden gibt es Probleme, vor allem bei der Unterbringung von Flüchtlingen. Die Erstaufnahmestellen des Landes sind völlig überfüllt. Die Landkreise und Kommunen rufen lautstark um Hilfe.

Stuttgart - Mit den wachsenden Problemen bei der Flüchtlingsunterbringung nimmt auch der Druck auf die grün-rote Landesregierung zu - sie will am Montag nach neuen Lösungen in der Asylpolitik suchen. Rund 70 Vertreter von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft wollen über die steigenden Flüchtlingszahlen beraten, denn Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat zu einem zweiten Flüchtlingsgipfel nach Stuttgart eingeladen.

 

Im vergangenen Herbst hatte es einen ersten Gipfel gegeben. Seitdem sind die Flüchtlingszahlen aber so rasant gestiegen, dass die damals beschlossenen Maßnahmen zum Teil schon längst überholt sind. Nach Baden-Württemberg kommen in diesem Jahr mindestens 52 000 Asylbewerber - wahrscheinlich werden es sogar an die 80 000 sein.

Damit mehr Asylbewerber in den Unterkünften leben können, sollen die Kommunen bei den Quadratmetervorgaben entlastet werden. Die für Anfang 2016 vorgesehene Regelung, nach der die Mindestwohnfläche für Flüchtlinge von 4,5 auf 7 Quadratmeter steigen soll, werde ausgesetzt, sagte Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. „In begründeten Fällen wie Platzmangel sieht das Gesetz Ausnahmen vor.“ Im Gespräch sei eine Verschiebung um ein bis zwei Jahre.

Der CDU-Herausforderer zur Landtagswahl, Guido Wolf, hatte kürzlich erst Übergangsfristen bei der Mindestwohnfläche verlangt. Politiker der Regierungsfraktionen hatten entgegnet, dass Ausnahmen von dieser neuen Regel bereits vorgesehen seien, dies aber nicht konkretisiert.

Land will Wohnraum für Flüchtlinge fördern

Zudem will die grün-rote Regierung eine „Task Force“ für alle Fragen der Flüchtlingsproblematik einrichten. „Es war überfällig, dass eine Lenkungsgruppe eingesetzt wird“, sagte Öney. Diese soll nach Informationen von „Sonntag Aktuell“ für alle Fragen der Flüchtlingsproblematik zuständig sein. Der entsprechende Beschluss soll am Dienstag im Landeskabinett fallen. Der Lenkungsgruppe sollen die Amtschefs der vier Ministerien Integration, Finanzen, Inneres und Staatsministerium angehören. Die neue Einheit habe vollkommene Handlungs- und Entscheidungsfreiheit. „Was dort beschlossen wird, ist bindend“, sagte ein Regierungsmitglied dem Blatt.

Weil die Kreise im Südwesten dringend Unterkünfte für Asylbewerber suchen, will Kretschmann Landesliegenschaften künftig kostenlos anbieten, wie die „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ/Montag) berichtet. Auch die Kirche bot ihre Hilfe an, etwa bei der Bereitstellung von Gebäuden für die Hilfesuchenden.

Finanzminister Nils Schmid (SPD) will den Kommunen bei dem Spitzentreffen nach StZ-Informationen ein mit 30 Millionen Euro ausgestattetes Wohnraumprogramm unterbreiten. Die Mittel sind für das Jahr 2016 reserviert und zielen auf die Anschlussunterbringung der Flüchtlinge in den Städten und Gemeinden. Gefördert werden der Wohnungsbau, der Erwerb von Wohnraum sowie Erweiterungsprojekte in Höhe von 25 Prozent der Investitionskosten. CDU-Spitzenkandidat Wolf sagte, das Geld werde nicht reichen.

Zelte als Übergangslösung

Trotz der steigenden Flüchtlingszahlen sind laut Finanzministerium derzeit weder ein neuer Nachtragshaushalt noch die Aufnahme von Schulden über die bis 2020 vorgesehenen Beträge hinaus vonnöten. „Aus heutiger Sicht ist weder das Erreichen der Nettonull 2016, noch die Einhaltung der Schuldenbremse spätestens im Jahr 2020 gefährdet“, teilte eine Sprecherin der dpa mit. Die Summe aller Ausgaben für Flüchtlinge im Südwesten ist unklar. Allein die wichtigsten Posten betrugen im vergangenen Jahr 258,6 Millionen Euro. Für 2015 und 2016 sind 566,4 Millionen und 568,0 Millionen Euro eingeplant.

Weil die Landeserstaufnahmestellen (Lea) überfüllt sind, will Öney bis zum Winter rund 5700 neue Plätze zur Erstaufnahme schaffen. Die Zeit drängt: Um die Lea in Ellwangen zu entlasten, sind am Wochenende in Neuenstadt (Kreis Heilbronn) Zelte nahe einer Autobahn aufgestellt worden. Dort sollen ausschließlich Männer einziehen, bis zu 200, wie der Stuttgarter Regierungsvizepräsident Christian Schneider der dpa sagte. In Bruchsal (Kreis Karlsruhe) richtete das Regierungspräsidium Karlsruhe am Sonntag in der Landesfeuerwehrschule eine Notunterkunft für etwa 200 Flüchtlinge ein.

Nach Ansicht des Chefs der FDP-Landtagsfraktion, Hans-Ulrich Rülke, hat Grün-Rot das Flüchtlingsproblem „monatelang ignoriert und die notwendigen Konsequenzen verschlafen“.