Die Existenz der Wagenhallen in Stuttgart ist bis ins Jahr 2015 gesichert. Die Pläne der Macher zielen aber noch weiter. So solle die genutzte Fläche in dem Kultur- und Veranstaltungszentrum deutlich größer werden.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Das hatten sich Stefan Mellmann und Thorsten Gutbrod ganz anders vorgestellt. Bei der Stadt hatten sie im Herbst des vergangenen Jahres ein neues Nutzungskonzept eingereicht: Die größte Halle der Wagenhallen, die bisher als wahrscheinlich umfangreichste Kuriositäten- und Ramschsammlung der Stadt brach liegt, wollten die Betreiber künftig ebenfalls bespielen, dazu die bestehende Nutzung der anderen Räume erweitern. Daraufhin ließ die Stadt als Besitzerin der Immobilie die Wagenhallen baurechtlich prüfen – um kam zum Ergebnis, dass die Statik des 120 Jahre alten Gebäudes marode ist. Das brachte den Spielbetrieb kurzzeitig gänzlich in Gefahr. Spötter sprechen hier vom Fernsehturm-Syndrom: Erst durch eine neuerliche Nutzungsanfrage wurde ein bestehender Spielbetrieb plötzlich in Frage gestellt.

 

Diese Existenzbedrohung der Subkulturspielwiese ist nun vom Tisch. „Die Stadt nimmt seit vergangenem Jahr eine umfassende Bestandsaufnahme zur Statik der Wagenhallen vor. Dabei sind auch einige Schäden identifiziert und zwischenzeitlich repariert worden. Die derzeitigen Nutzungen sind in Ordnung, hierfür ist das Tragwerk sicher“, erklärt Sven Matis, Sprecher der Stadt Stuttgart. Der Kulturbetrieb ist somit bis zum Ende des Mietvertrags mit der Stadt, also bis 2015, gesichert.

Gerümpel in der großen Halle

Das reicht Stefan Mellmann und Thorsten Gutbrod aber nicht. Die beiden Kulturschaffenden sitzen in Mellmanns kleinem Büro, das einer Mischung aus Jägerhochsitz und Container gleichkommt und über dem Gerümpel der großen Halle scheinbar schwebt. Wäre nicht schon längst ein Tatort an dieser Stelle gedreht worden, man müsste die ausrangierten Schaustellerbuden, Theaterrequisiten und den Sperrmüll als Krimi-Kulisse in Szene setzen. „Wir wollen die Zukunft der Wagenhallen nicht immer nur für ein paar Jahre, sondern endlich endgültig sichern“, sagt Mellmann im besonderen Ambiente selbstbewusst.

Um die ambitionierten Pläne der beiden zu realisieren, rückt die Dachsanierung in den Fokus. Die deutlich erweiterte Zukunft der Wagenhallen steht und fällt mit einer Sanierung des 120 Jahre alten Daches. Beinahe wäre die Dachsanierung schon vor Beginn der Bauarbeiten gescheitert, da die Analyse der Trägerkonstruktion sich als aufwendig herausstellte. „Wären nicht plötzlich alte Konstruktionspläne der Wagenhallen aus einem Eisenbahnerarchiv aufgetaucht, hätten wir im schlimmsten Fall Niete für Niete der Dachkonstruktion prüfen lassen müssen“, erklärt Christian Wolf, der kommissarische Leiter der Abteilung Immobilienmanagement beim Liegenschaftsamt der Stadt Stuttgart.

120 Jahre altes Stahl

Dann hätte das Sanierungsvorspiel aber so viel gekostet, dass es vom Gemeinderat eher nicht genehmigt worden wäre, vermutet Wolf. Die Kosten für die Wagenhallen-Aufhübschung lassen sich aber auch so schon sehen. Wolf rechnet mit rund fünf Millionen Euro, die die Renovierung kosten wird. „Den Stahl, der vor 120 Jahren verwendet wurde, gibt es heute nicht mehr. Wir müssen Proben entnehmen und diese auf heute gängiges Material umrechnen.“

Wolf wird dem Gemeinderat noch vor der Sommerpause berichten, wie es um die Wagenhallen bestellt ist und welche Nutzungen künftig unter welchen Rahmenbedingungen möglich sind. Falls der Gemeinderat die Kosten der Renovierung bewilligt, dürfte der Erweiterung der kreativen Spielweise nichts im Wege stehen. „Die Spielstätte genießt nicht nur bei der Stadt einen hohen Stellenwert“, so Wolf. Beim Voting für den Stuttgarter Bürgerhaushalt landete die Forderung, die improvisierte Zwischennutzung der Wagenhallen in eine dauerhafte Nutzungsform zu überführen, auf dem dritten Rang.

Das Umfeld verändert sich

Stefan Mellmann und Thorsten Gutbrod sind sichtlich angetan vom Interesse an ihrer Spielstätte. Vor dem Eingang des Kulturbetriebs dreht eine Planierraupe ihre Kreise – der Weg zwischen Wagenhallen und der neuen Berufsschule wird eingeebnet. Auch die Zufahrtsstraße, die vom Nordbahnhof zum Gebäude führt, soll von den Schlaglöchern befreit werden.

Das bedeutet aber nicht, dass die Wagenhallen, befreit von ihren anarchischen Zufahrtswegen, nun bürgerlich werden. „Wir sind einfach nur froh, dass wir uns endlich wieder auf unser Programm konzentrieren können – und dass die Leute sehen, dass es uns noch gibt“, sagt Stefan Mellmann.