Haben Sie auch Leute aus seinem Umfeld und seiner Familie getroffen?
Nein, da kam wieder der Respekt vor den Opfern ins Spiel. Außerdem hatte ich nicht das Gefühl, dass es nötig war. Ich kam schon fünf Monate vor allen anderen aus unserem Team nach Medellín. Dort ist der Geist von Pablo auch heute noch allgegenwärtig. Alle Menschen dort, die so alt sind wie ich oder älter, hatten in gewisser Weise mit Escobar zu tun. Sie haben seinen „Krieg“ miterlebt, waren in der Nähe, wenn die Bomben explodierten, haben Menschen verloren an die Gewalt und die Drogen. Diese Eindrücke, gepaart mit dem all dem Wissen, das ich mir über die Bücher aneignete, reichte mir. Zumal ich letztlich ja ohnehin meine eigene Version von ihm erschaffen musste.
Haben Sie nach der ersten Staffel Feedback bekommen von den Menschen in Kolumbien?
Oh ja, sehr viel sogar. Natürlich war ich ganz allgemein gespannt, wie die Serie ankommen wird. Aber ich war besonders besorgt, wie die Kolumbianer darauf reagieren würden. Tatsächlich gab es dann eine Menge Kritik, nicht nur weil ich Brasilianer bin. Verständlicherweise, denn die Menschen dort haben das Thema satt. Sie sind es leid, dass überall auf der Welt Kokain das Erste ist, das mit ihrer Heimat assoziiert wird. Das wird durch all die Serien und Filme zu dem Thema natürlich verschärft, während nur die wenigsten wissen, wie sehr sich die kolumbianische Gesellschaft seitdem verändert hat. In den achtziger Jahren war Bogotá die gefährlichste Stadt der Welt, heute ist es ein sehr moderner, cooler und kulturell spannender Ort zum Leben. Doch selbstverständlich wissen auch viele Menschen in Kolumbien, dass sie ihre Vergangenheit nicht einfach abschütteln können, sondern sich mit ihr auseinandersetzen müssen. Und tatsächlich überwiegt inzwischen, wenn ich dort auf der Straße angesprochen werde, das positive Feedback.
Kann man so eine extreme Rolle eigentlich schnell wieder ablegen, wenn man abends zu Frau und Kindern nach Hause kommt?
Ach, wissen Sie, in meinen Augen ist dieses „die Rolle mit nach Hause nehmen“ ein Schauspieler-Klischee. Ich zumindest habe mental damit keine Schwierigkeiten. Wenn abends die letzte Klappe fällt, bin ich danach nicht mehr Pablo Escobar. Dann bin ich sofort wieder Wagner, Ehemann und Papa, und mache mir erst einmal ein kühles Bier auf. Körperlich allerdings ist das etwas anderes. Mein Körper bleibt Pablo, das prägt sich physisch lange ein. Damit ringe ich immer noch.
Wegen all des Gewichts, das Sie für die Rolle zulegen mussten?
Das auch, auf jeden Fall. Aber es geht nicht nur darum, wieder zum Originalgewicht zurückzukommen. Sondern auch darum, Pablo wieder aus dem Gedächtnis meiner Zellen zu vertreiben. Ich lebte im Grunde zwei Jahre lang mit dem Körper eines Fremden – und dessen Energie wieder loszuwerden, dauert viel länger als ihn gedanklich zurückzulassen.