Annegret Kramp-Karrenbauer fällt ein Stein vom Herzen. In der SPD leckt man sich die Wunden. Aber alle glaube noch an ihren Spitzenmann Heiko Maas.

Saarbrücken - Die Enttäuschung der in der kühlen Kongresshalle von Saarbrücken feiernden 300 Sozialdemokraten sitzt so tief, dass man der alten und neuen CDU-Ministerpräsidenten Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) des Saarlandes immer den Ton abdreht, wenn sie auf der Großleinwand in die Fernsehkameras spricht – obwohl sie eigentlich der Koalitionswunschpartner ist. Redet die Regierungschefin, springt der SPD-Generalsekretär Reinhold Jost auf die Bühne, ergreift das Mikrofon und wiederholt lautstark, was er zuvor schon mehrfach gesagt hat: Man sei stolz auf den Spitzenkandidaten Heiko Maas, der habe die saarländische SPD nach zwölf Jahren in der Opposition wieder an die Regierungsverantwortung geführt und man werde in der Großen Koalition „das soziale Korrektiv“ darstellen. Der 46-jährige Heiko Maas wird nach seiner Tour durch die Wahlstudios auf dem Saarbrücker Messegeländen auf der SPD-Wahlparty mit lautem Jubel empfangen.

 

Alle sagen: die SPD steht geschlossen hinter Heiko Maas

Maas lässt sich keinerlei Emotionen negativer Art anmerken, der Jurist wirkt wie immer staatsmännisch und gefasst: „Das Ergebnis ist alles andere als erfreulich: Aber die SPD hat zugelegt und wir werden jetzt gestärkt in die Koalitionsverhandlungen mit der CDU gehen.“ An den Stehtischen der SPD wird das starke Auftreten der Piratenpartei als verantwortlich dafür gemacht, dass die SPD ihr Wahlziel – stärkste Fraktion zu werden und den Ministerpräsidenten zu stellen – nicht erreicht hat. Allgemein wird gesagt, dass die SPD geschlossen hinter Maas stehe, dass er „keine Fehler gemacht“ habe und beim Nominierungsparteitag immerhin 100 Prozent Zustimmung erlangt habe. Die SPD will jetzt regieren, das wird überdeutlich, ein rot-rotes Bündnis wird von niemandem gewünscht.Nur ein Sozialdemokrat, nach eigenem Bekunden ein einfaches Mitglied, meint, dass zumindest in der Mitte der Legislaturperiode auch die Frage gestellt werden müsse, ob Maas wirklich für alle Zukunft der richtige Spitzenkandidat sei. Es gebe auch andere starke SPD-Persönlichkeiten an der Saar, zum Beispiel Charlotte Britz, die als Oberbürgermeisterin Saarbrückens ein rot-rot-grünes Bündnis leitet.

Der Jubel in Saarbrücken und auch die Erleichterung waren am Sonntag wohl am stärksten bei den Christdemokraten. Sie feierten im alten E-Werk von Saarbrücken-Burbach und Annegret Kramp-Karrbauer räumte ein, dass ihr ein „Felsbrocken“ der Erleichterung vom Herzen gefallen sei. Der SPD will die 49-Jährige, die mit dem Platzenlassen der Jamaika-Koalition im Januar 2012 auch ein hohes persönliches Risiko einging, Gespräche auf Augenhöhe anbieten.

Die Linke feiert in weißen Zelten aus dem Theatervorplatz

Den schönsten und dicht am Volk gelegenen Platz zum Feiern hatte sich die Linkspartei von Oskar Lafontaine ausgesucht. Sie hatte weiße Partyzelte auf den Theatervorplatz von Saarbrücken aufstellen lassen, Tausende hatten den sonnigen Sonntag nicht weit davon entfernt auf den Saar-Auen liegend verbracht. Auch die Linke fühlt sich als Sieger, gebe es doch rein rechnerisch nun eine linke Mehrheit im Saarland. Bei den Grünen wurde stundenlang gezittert. Es herrschte eine tiefe Verunsicherung in der Szenekneipe Malzeit, warum man im Saarland ein mageres Wahlergebnis akzeptieren sollte, obgleich man sich in der Jamaika-Regierung binnen zweieinhalb Jahren mit grünen Themen durchgesetzt hatte: Die Gemeinschaftsschule beschlossen, ein tierschutzfreundliches Jagdgesetz auf den Weg gebracht, Schwule und Lesben in der Verfassung gleichgestellt und das schärfste Nichtrauchergesetz Deutschlands durchgesetzt. „Das Land ist strukturschwach, es gibt nur in Saarbrücken eine urbane Szene für unser „Wählerpotenzial“, sagt eine Grünen-Funktionär. Ein grünes Milieu hat es schwer im einst von der Schwerindustrie geprägten Saarland. Aus diesem Grund waren die saarländischen Grünen schon immer schwächer als in anderen Landesverbänden, schafften stets nur knapp die Fünf-Prozent-Hürde. Man wolle eine „starke Opposition“ sein, versprechen die Grünen jetzt, wenn man den Sprung in den Landtag schafft.Der Shooting-Star der Saarland-Wahl sind die Piraten. „Mit der Jamaika-Koalition war niemand zufrieden“, sagt ihr stellvertretender Landesvorsitzender Thomas Brück. Und an den Wahlständen hatten die Piraten auch bemerkt, dass viele Bürger es nicht schätzen, mit den Absprachen von CDU und SPD für eine Große Koalition im Prinzip keine Wahl mehr zu haben. Die Piraten hingegen brachten frischen Wind, feierten am Sonntag Abend in einer Kneipe auf dem Campus der Universität Saarbrücken. Die seit Juni 2009 bestehende Saar-Piraten hatten einen Mitgliederschub erst nach der Berliner Landtagswahl erhalten, heute zählen sie 370 Mitglieder, bei der Wahl konnten sie ein Viertel aller Erstwähler hinter sich scharren. Schon die Zusammensetzung ihres Spitzenquartetts erzählt etwas von der Partei: Michael Hilberer ist Softwareentwickler (32), Andreas Augustin (43) ist ebenso wie Michael Neises (32)IT-Administrator und die 22-jährige Jasmin Maurer macht eine Lehre zur IT-Kauffrau. In Windeseile hatten die Saar-Piraten noch ein Wahlprogramm aufgestellt, das den Weg von einer „Internetpartei“ zu einer Volkspartei beschreibt und für freien W-Lan-Empfang in Amtsgebäuden, kostenlose Kita-Plätze, eine ökologische Landwirtschaft und einen besseren Tierschutz eintritt. Mit einem „Volksantrag“ soll die Bürgerbeteiligung gestärkt werden. Kommen 5000 Unterschriften zusammen, soll ein Thema im Landtag behandelt werden.

Die Piraten profitieren von der Großen Koalition

Der Aufwind der Piraten korrespondiert mit dem verlorenen Überlebenskampf der Liberalen an der Saar. „Die große Koalition wird Stillstand bringen“, betonte Natalie Zimmer, die mit dem Bundestagsabgeordneten Oliver Luksic das Spitzenduo bildete. Gehe die CDU mit der SPD zusammen, gebe es keine Partei mehr außer der FDP, die die bürgerliche Mitte und den Mittelstand vertrete. Die FDP feierte in einem Bistro an der Bahnhofstraße – es war eine zutiefst traurige Veranstaltung, denn die Liberalen sind im _Saarland am Nullpunkt angelangt.