Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kann weiter regieren – keine gute Nachricht für den Nahen Osten, kommentiert StZ-Korrespondentin Inge Günther.

Jerusalem - Es war seine Nacht. Benjamin Netanjahu, kurz vor der Wahl von vielen bereits abgeschrieben, hat wieder einmal allen gezeigt, dass er der Größte ist, wenn es um Propaganda und Torschlusspanik geht. Als die Niederlage fast unausweichlich schien, hat er mit nicht unbedingt lauteren Mitteln gekämpft und sich als „Underdog“ präsentiert, der gerettet werden muss, damit das rechtsnationale Lager nicht untergeht. Das hat gereicht.

 

Sein Likud hat nicht nur mit dem Mitte-links-Bündnis von Izchak Herzog gleichgezogen. Es hat dessen Zionistische Union quasi über Nacht, je mehr Stimmen ausgezählt waren, überholt. Für Israelis ist das ein Deja-vu-Erlebnis. So war es schon einmal, im Sommer 1996, als sie am Wahlabend im Glauben, Schimon Peres habe gewonnen, ins Bett gingen, um dann mit Netanjahu als Sieger aufzuwachen. Das war der Beginn seiner ersten Amtszeit, nun folgt die vierte, wenn sich nicht noch eine Allianz aus Parteien der Linken, der Mitte und der religiösen Lager gegen ihn verschwört. Aber das ist unwahrscheinlich.

Netanjahu steckt in einem Dilemma

Diese Wahl hat erneut bestätigt: Israels rechtsnationaler Block ist massiv. Die Ultrarechten um Naftali Bennett haben zwar bluten müssen. Die Rechtsradikalen von Jahad haben den Sprung ins Parlament offenbar gar nicht geschafft. Aber Nutznießer ist allein Netanjahus Likud, der auf ihre Kosten wieder stärker wurde. Der Likud ist schon lange nicht mehr eine konservative Volkspartei wie zu Zeiten von Menachem Begin oder Ariel Scharon. Im Likud von heute zählt selbst Netanjahu zu den Gemäßigten. Den Ton gibt sein rechter Parteiflügel an, in dem kein Mangel an Siedler-Lobbyisten und Nationalisten herrscht.

Das allerdings ist auch Netanjahus Dilemma. Eine Rechtsregierung unter Führung des Likud wird nicht nur das Land weiter polarisieren. Sie wird auch Israels Image im Ausland schlecht bekommen. Eine solche Koalition läuft auf einen Crash-Kurs mit den USA, mit Europa und vor allem mit den Palästinensern hinaus. Ramallah legt sich angesichts dieses Wahlausgangs keine Zurückhaltung mehr im Hinblick auf unilaterale Initiativen auf. Washington wird sich nicht gerade beeilen, „Bibi“ aus der Patsche zu helfen, nachdem Netanjahu kürzlich versucht hat, Barack Obamas Iran-Kurs zu torpedieren. Überdies kursieren bereits EU-Planspiele, mit welchen Sanktionen man auf künftigen israelischen Siedlungsbau reagieren könnte.

Würde Herzog als Juniorpartner in eine Regierung gehen?

Das alles sind Gründe genug, warum Netanjahu am Ende doch eher einer Regierung der nationalen Einheit mit Herzog zuneigen könnte. Dieser wäre jedoch nur der Juniorpartner. Er würde sich vielleicht auf einem wichtigen Ministerposten profilieren. Aber vor allem müssten er und die Seinen als liberales Aushängeschild herhalten, um Israel die Sympathien der Welt zu sichern. Diese Rolle haben die israelischen Sozialdemokraten seit bald 15 Jahren gespielt, bis fast schon keiner mehr glaubte, dass sie auch zur Regierungsführung taugen. Kein Wunder, dass viele Genossen strikt gegen eine große Koalition sind.