Dorothee Winter geht bei der Landtagswahl nicht nur pro forma für die FDP im Wahlkreis Backnang ins Rennen. Sie sagt : „Ich will was reißen.“ Als ihr wichtigstes politisches Ziel nennt sie den Breitbandausbau im ländlichen Raum.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Wahlkreis Backnang - Dass sie einmal für die FDP bei einer Landtagswahl antreten würde, das hätte sich Dorothee Winter früher wohl nicht einmal im Traum ausgedacht. Denn als Studentin sei sie eine Linke gewesen, erzählt die 63-jährige Sozialpädagogin und Mediatorin. Lange her.

 

1976 hat sie an der Universität Tübingen ihr Diplom gemacht. Auf dem alten Schwarz-Weiß-Foto, das Dorothee Winter herausgekramt hat, lächelt sie in die Linse des Fotografen. Diese Aufnahme sei während eines Seminars geschossen worden, „das war eine skurrile Veranstaltung“. Das Gehabe der Dozenten habe sie gestört, denn die

Dorothee Winter als Studentin Foto: privat

Herrschaften hätten sich nicht einigen können, wer die Ergebnisse des Seminars veröffentlichen darf. „Das hat mich abgeschreckt vor der akademischen Elite.“ Wer weiß, wenn Dorothee Winter damals nicht schon fast fertig gewesen wäre mit dem Studium, vielleicht hätte sie sofort einen Buchladen eröffnet – was sie nach ein paar Berufsjahren als Sozialpädagogin 1980 in Backnang tatsächlich getan hat. Der Buchladen wurde im Jahr 2009 an die Tübinger Kette Osiander verkauft.

Früher Grünen-Mitglied, jetzt für die FDP im Wahlkampf

Dorothee Winter ist als junge Frau zusammen mit einer Freundin durch die USA getrampt, sie war einst bei den Grünen, fast von Anfang an und bis 1993. Und den Buchladen in ihrer Heimatstadt habe sie eröffnet, weil das bis dato einzige Buchgeschäft in Backnang ihr zu konservativ war. Zusammen mit anderen hat sie den Verein Aktive City Backnang ins Leben gerufen, aus dem später der Stadtmarketingverein wurde, und hat beim Börsenverein des Buchhandels mitgemischt. „Da wo ich war, habe ich mich immer engagiert.“

Als der letztlich verlorene Kampf um das Backnanger Kreiskrankenhaus begann, hat sie sich dem Stadtrat Alfred Bauer und dessen Bürgerforum Backnang angeschlossen. Dazu muss man wissen: Bauer ist ein streitbarer Mann, ganz bestimmt kein Linker, eher ein Rechter. In eine Schublade passt er aber nicht. Dorothee Winter ist seit 2009 Stadträtin. Vor rund eineinhalb Jahren wurde die Frau, die ganz viele Menschen in Backnang kennen, vom Schorndorfer FDP-Landtagsabgeordneten Jochen Haußmann gefragt, ob sie wohl für die Freien Demokraten im Wahlkreis Backnang antreten wolle.

Nach ein bisschen Bedenkzeit habe sie erklärt: „eigentlich nicht“. Wenig später hat sie zufällig den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Robert Antretter getroffen – und erzählt. Das Urgestein der Backnanger Sozialdemokratie habe ihr geraten: „Das machen Sie, Sie kommen doch aus einer FDP-Familie.“ Die Winters führten über Generationen ein Textiliengeschäft. Heute sagt die Kandidatin, sie sei „ein liberaler Mensch“ und fühle sich gut aufgehoben in der FDP.

Winter sieht lieber ein Glas als halb voll denn halb leer an

Ihr wichtigstes politisches Ziel im Wahlkreis? „Der Breitbandausbau im ländlichen Raum.“ Zum Megathema Flüchtlinge erklärt sie: „Die Grenzen schließen? Wie soll das gehen?“ Sie habe aber auch keine Patentlösung. Klar, eine Millionen Menschen könne Deutschland nicht in jedem Jahr aufnehmen. Sie kritisiert „Merkels Alleingang in Europa“, sagt aber auch mit Blick auf die zig Millionen Flüchtlinge, die nach dem Zweiten Weltkrieg aufgenommen wurden: „Uns geht es heute doch viel besser, wir hatten keinen Krieg und damals kamen mehr Menschen.“ Man sollte lieber das halb volle Glas sehen als das halb leere. Zu ihren persönlichen Chancen sagt Dorothee Winter: „Ich will was reißen.“ Wenn sie zwei Prozent mehr bekomme als ihre Partei im Landesschnitt, dann könnte es klappen mit einem Abgeordnetenmandat.

Und nach der Wahl? Mit wem sollte die FDP koalieren, wenn sie in den Landtag einzieht? „Ich kann mit allem leben, wir können auch Opposition.“ Winter schließt eine Ampel aus Grünen, SPD und FDP nicht kategorisch aus, spricht aber auch über „Schwarz-Rot-Gold“: ein Zusammenschluss von CDU, SPD und FDP.