Das Haus der Stadtgeschichte ist ein besonderes Stück Waiblinger Baugeschichte. 3,5 Millionen Euro ist der kommune das Fachwerkhaus wert gewesen. Es hat eine Historie, die der frühere Stadtbaumeister jetzt bei einer Führung erzählte.

Waiblingen - Bald 500 Jahre alt, mit kunstvoll verschachteltem Gebälk, welches ockergelb auf den Vorplatz zur neuen Stihl-Galerie leuchtet. So präsentiert sich das Haus der Stadtgeschichte, welches von einem seiner Retter am Samstag anlässlich des Tags des Deutschen Fachwerks vorgestellt wurde. Kurt-Christian Ehinger, der ehemalige Waiblinger Stadtmaumeister, zeigte neben dem Gebäudeveteran etliche andere Beispiele alter Baukunst in der Stadt und führte in die Grundzüge der Fachwerksbaukunst ein.

 

Das ehemalige Gerberhaus ist eines der letzten Renaissance-Fachwerksgebäude in Waiblingen. Dem Stadtbrand von 1634 sei es wohl nur entgangen, weil es als Gerberhaus seinerzeit vor den Mauern der eigentlichen Stadt stand, sagt Ehinger. Nahezu mustergültig sind an ihm die Kennzeichen des oberdeutschen Fachwerkstils ablesbar: Die Andreaskreuze etwa, die vielen Balken, die Namen wie Rähm und Riegel tragen, die dem hölzernen Gefach ihre Stabilität geben. Im Inneren kann er zeigen, dass Fachwerkhäuser und Kirchen Gemeinsamkeiten haben, etwa die Dreischiffigkeit. Beim Haus der Stadtgeschichte komme als Besonderheiten hinzu, dass es als Doppelhaus angelegt wurde, was erkennbar ist an den zwei prächtigen Bohlenstuben, die einst von den Hausherren zu repräsentativen Zwecken genutzt wurden.

Ehinger kennt jeden Winkel des Hauses, weil er sich für dessen Sanierung eingesetzt hat. In den 1970er-Jahren von der Stadt gekauft, sind im Laufe der Jahre 3,5 Millionen Euro hineingeflossen, fast zehn Jahre lang arbeiteten Handwerker an dem Hausveteran. Denn einst lag das Gerberhaus direkt an der Rems, und deren Überschwemmungen im Frühjahr setzen seinen Gebälk zu. Die Setzungen am Fundament sind an schiefen Balken an der Gebäudefront wie am Dachfirst zu sehen. Letztlich gerettet hat das Haus ein neues Betonfundament, auf welchem die Balken neuen Halt fanden, aber sich nicht völlig ins Lot rücken ließen. Daher hat man nun in den oberen Etagen ein Gefälle der Fußböden.

Das leuchtende Ockergelb der Balken ist kein Zufall. Als man in Waiblingen in den 1980er Jahren mit der denkmalgerechten Sanierung des Fachwerks im großen Stil begann, fand man nach und nach Fachleute, welche die ursprüngliche Bemalung der Balken feststellen konnten. Anfangs habe man sich zu einem Dunkelbraun verleiten lassen, erzählt Ehinger. Nach und nach stellte sich heraus, dass Waiblingens Altstadt einst überaus farbenprächtig war. Den Hausbesitzern machte man die Sanierung mit großzügigen Zuschüssen schmackhaft, die je zur Hälfte aus den Töpfen des damaligen Landesdenkmalamtes, zur Hälfte aus dem Stadtsäckel flossen.

Dass Fachwerk vor 40 Jahren in Waiblingen unsichtbar gewesen ist, lag an einer politischen Entscheidung. Um das Jahr 1750 verbot der der damalige württembergische Herzog das Sichtfachwerk wegen der Gefahr von Stadtbränden. Alle Häuser mussten verputzt werden und vorstehendes Gebälk und Zierelemente „beilte“ man kurzerhand ab. So kommt es, dass viele Hausbesitzer der 1970er-Jahre sich gar nicht mehr bewusst waren, in welchen Schmuckstücken sie eigentlich wohnten.

Die Sanierung von Fachwerkhäusern ist weiterhin eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe. Denn anders, als in heutigen Wärmeschutzverordnungen gefordert, muss der Putz atmen können, damit sich nicht Feuchtigkeit hinter den Fassaden sammelt und der Baukunst den Garaus macht.