Seit mehr als zehn Jahren studiert Heike Vester die Kommunikation und das Verhalten der Wale, die in den norwegischen Vestfjord kommen. Die Meeressäuger sind für sie eine Herausforderung – und immer wieder auf’s Neue faszinierend. Deswegen hat sie sich ihrem Schutz verschrieben.

Remshalden - Nein, da knattern keine Motorräder unter Wasser. Orcas sind es, die diese Töne auf ihrem Beutefang von sich geben und damit Heringe in Panik versetzen. Wie dumpfe Herzschläge muten dagegen die Laute der bis zu 24 Meter langen Finnwale an. Für den Menschen ist die Frequenz kaum zu hören, die Meeressäuger können sich damit über tausende Kilometer hinweg verständigen. Ganz anders ist das Geklicke und Gequietsche der atlantischen Weißseitendelfine. Jeder einzelne hat seinen eigenen Signaturpfeifton, seinen eigenen Namen. „Sie stellen sich nicht nur selbst vor, sondern reden sogar über andere, wenn diese nicht da sind“, erzählt Heike Vester, die diese Aufnahmen am Samstagabend im völlig überfüllten Gemeindehaus in Rohrbronn vorspielt.

 

Das Meer und seine Bewohner lassen sie nicht mehr los

Keine Frage, die Giganten der Meere üben eine ganz besondere Faszination aus. Auch Heike Vester ist den Tieren verfallen. Eigentlich wollte die Bioakustikerin und Verhaltensforscherin die Kommunikation von Affen studieren. Eher zufällig verschlug es die heute 45-Jährige nach Norwegen. Nach einer ersten Begegnung mit den Walen waren die Affen schnell vergessen. „Wale sind eine besondere Herausforderung, auch weil man noch nicht viel über sie weiß. Und dann ist da natürlich das Meer“, schwärmt Heike Vester.

Als 13-Jährige machte sie die erste Erfahrung mit Salzwasser – und fand es einfach nur ekelhaft. „Als ich gemerkt habe, dass alle das Bauernkind aus Rohrbronn auslachen, war ich aber schnell wieder im Meer“, erzählt Vester, die sich inzwischen am liebsten ein Segelboot kaufen würde, um nicht mehr an Land zu müssen.

Bis sie sich diesen Traum erfüllen kann, startet sie ihre Touren zu den Meeressäugern in Henningsvaer auf den Lofoten, wo sie seit zehn Jahren lebt. Ein 250 PS starker Motor bringt die zierliche Frau und ihr Schlauchboot hinaus auf den Vestfjord. Hat sie eine Gruppe Wale gefunden, bleibt sie meist zwischen zehn und 16 Stunden auf dem Wasser. „Ich möchte ihr natürliches Verhalten dokumentieren. Deswegen muss ich erst einmal mehrere Stunden warten, bis sie aufhören, zu mir zu kommen“, sagt sie, die dann unendlich viele Fotos macht. Da jeder Wal verschiedene Merkmale hat, kann sie Kataloge zu den verschiedenen Arten anlegen. „Bei den Orcas habe ich inzwischen 700 Einzeltiere erfasst.“

Zudem hängt sie ihr Hydrophon ins Wasser, um die Gespräche der Meeressäuger aufzunehmen. Am Computer werden diese dann ausgewertet. „Bei den Grindwalen habe ich bereits 100 verschiedene Lauttypen identifiziert. Ich weiß genau, wie sie sich fühlen, ob sie gerade spielen oder auf der Jagd sind. Sie haben eine sehr komplexe Kommunikation“, sagt Heike Vester, die ihre Erkenntnissen gerne in einer Doktorarbeit festhalten möchte.

Schon vier Mal wurde ihr Boot sabotiert

Allerdings bleibt nicht viel Zeit, um daran zu arbeiten. Heike Vester unterrichtet an der Uni und sucht sich immer wieder neue Projekte. Anfang des Jahres wird sie in ein Tauchgebiet auf Papua-Neuguinea reisen, in dem Grindwale ihren Nachwuchs bekommen. Und dann ist da noch der Walschutz, für den sie sich engagiert. Beliebt macht sie sich damit nicht. „Mein Boot ist schon vier Mal von Walfängern sabotiert worden“, berichtet Vester. Norwegen ist eines der wenigen Länder, in denen die Jagd noch erlaubt ist. „Leider erwischt es oft trächtige Weibchen. Verwendet werden dann meist nur etwa zehn Prozent des Wals“, berichtet die Vegetarierin.

Ein noch größeres Problem seien die seismischen Unterwasseruntersuchungen der Ölindustrie. Durch den Lärm unter Wasser sterben viele Wale – sofort oder nach tagelangen Qualen. „Und es gibt leider keine Regeln für die Luftdruckkanonen.“ Mit ihrer Forschung, ihrem Verein Ocean Sounds oder der Zusammenarbeit mit der Organisation Greenpeace will sie ihren Teil zum Schutz der Tiere beitragen. Reich wird Heike Vester mit ihrer Arbeit als unabhängige Forscherin nicht. „Aber sobald ich bei den Walen bin, weiß ich wieder, warum ich das alles mache.“

Der Verein Ocean Sounds

Entstehung
: In diesem Sommer hat Heike Vester mit einigen Mitstreitern den Verein Ocean Sounds ins Leben gerufen. Dieser löst ihre gleichnamige Firma ab, die sie bereits 2005 gegründet hat. Die Idee war und ist, wissenschaftliche Forschung mit Bildung und Tourismus zu kombinieren. Zudem soll die besondere Lebenswelt der Lofoten erhalten und Verständnis für die Wale geweckt werden. Ocean Sounds ist auf private Spenden angewiesen, da die Forschung unabhängig sein soll.

Projekte:
Studiert werden vor allem Orca- und Grindwale, aber auch die atlantischen Weißseitendelfine, über die nur wenig bekannt ist. Es wird ein kleines Forschungszentrum unterhalten, in das auch Schulklassen eingeladen sind. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.ocean-sounds.com.