Waschbären und Marderhunde, die ihnen ähnlich sehen, verbreiten sich so schnell, dass sich Tierschützer Sorgen machen. In diesen Wochen ist Paarungszeit. Jäger setzen auf Fallen, doch allen ist klar: Los wird man die Tiere nicht mehr.

Stuttgart - Hier ein Fiepen in einem alten Dachsbau, dort ein nächtliches Rascheln im Schilf entlang der Elbe. Ein Knurren, Winseln und Miauen – jetzt werden sie aktiv, die Hunde, die nicht bellen können. Marderhunde verzichten auf ihre Winterruhe, wenn es nicht zu kalt ist, und im Februar beginnt die Paarungszeit. Nach etwa neun Wochen kommen sechs bis acht Welpen zur Welt, manchmal sind es auch doppelt so viele.

 

Die aus Ostasien stammenden Allesfresser mit der hohen Geburtenrate erobern immer mehr Reviere, sie sind bescheiden und anpassungsfähig. Genaue Zahlen gibt es nicht, Rückschlüsse erlauben nur das Wildtier-Informationssystem (WILD) und die Streckenzahlen der Jäger: Nach vier Jahren liefen danach erstmals wieder deutlich mehr vor die Flinten.

Gleiches gilt auch für die Waschbären: „Im Jagdjahr 2012/2013 wurden erstmals mehr als 100 000 Waschbären erlegt, 47 Prozent mehr als im Jahr zuvor“, sagt Torsten Reinwald vom Deutschen Jagverband (DJV) in Berlin. Innerhalb von nur zehn Jahren habe sich die Zahl der erlegten Kleinbären aus Nordamerika damit verdreißigfacht. Außerdem wurden fast 18 600 Marderhunde geschossen, ein knappes Drittel mehr als im Jahr zuvor. „Die durch Räude und Staupe reduzierten Bestände erholen sich“, erklärt Reinwald. Innerhalb von nur acht Jahren sei die Zahl der erlegten Tiere zuvor bis zur Rekordstrecke von 2007/2008 von 398 auf rund 35 000 gestiegen.

Die Tiere fressen praktisch alles

In Zeiten der Globalisierung breiten sich immer mehr eingeschleppte Tier- und Pflanzenarten aus, manchmal mit ernsten Folgen für das Ökosystem. Ziemlich rücksichtslos verhalten sich dabei hierzulande eben Waschbären und Marderhunde sowie Minke, aus Nordamerika stammende Verwandte des Nerzes. Der seit 1928 systematisch als Pelztier im Westen der damaligen Sowjetunion angesiedelte Marderhund machte sich von dort auf den Weg Richtung Atlantik. 1962 wurde der erste in der Bundesrepublik geschossen, nicht weit von Osnabrück. Hierzulande ist die Zahl ihrer Feinde gering – nur Jäger, Autos und eben Parasiten können ihm gefährlich werden, manchmal schlägt auch ein Uhu zu. Selten wird über die Tiere berichtet, nur vor einigen Wochen gab es kurz Schlagzeilen, als sich ihr Fell als Bommel an Strickmützen fand (und nicht das von Katzen, wie Tierschützer kritisiert hatten).

„Weil Marderhunde und Waschbären nachtaktiv sind, ist die Fallenjagd unverzichtbar“, sagt der DJV-Sprecher Reinwald. Die negativen Folgen der Ausbreitung von Waschbär, Marderhund und Mink für heimische Arten bestätige auch die Wildtiererfassung in den deutschen Jagdrevieren.

Zoologen wie der Artenschutz-Experte Janosch Arnold von der Umweltorganisation WWF sehen in der Ausbreitung der drei Arten ebenfalls eine zusätzliche Gefahr. Heimische Wasservögel, Sumpfschildkröten und seltene Amphibien seien von den Allesfressern bedroht. „Eine stärkere Bejagung von Waschbär, Mink und Marderhund kann gefährdete Arten aber nur stützen. Damit allein lässt sich das Problem jedoch nicht lösen“, betont Arnold. Zum Schutz der heimischen Arten müsse auch die Landschaft weniger intensiv bewirtschaftet werden. „Der Marderhund stellt dabei nach derzeitigem Wissen von den drei Arten das geringste Problem dar“, fügt Arnold hinzu. Ursache dafür sei unter anderem die Vorliebe des Tieres für pflanzliche Kost.

Ähnlich sieht es auch der Rostocker Zoologe Ragnar Kinzelbach, ein Experte für Neozoen, also eingewanderte Tierarten. „Gefährlicher als der Waschbär ist nur der Mink“, bestätigt er. „Er frisst uns entlang der Gewässer die Vogelgelege weg.“ Betroffen seien hier vor allem die Rallen und Enten. „Man müsste versuchen, den Mink mit Fallen komplett wegzufangen, zumindest in Schwerpunktgebieten des Naturschutzes“, fordert Kinzelbach. „Ursache der Zunahme waren vor allem die emotional motivierten Befreiungsaktionen aus Pelzfarmen durch Tierschützer. Seitdem hat sich der Mink fest eingebürgert.“

Reelle Chancen auf ein Zurückdrängen sieht Kinzelbach nicht: „Wir werden mit dem Mink und den anderen Neubürgern wohl oder übel leben müssen.“ Langfristig könnte der Mink sich einfügen wie sein vor 100 bis 150 Jahren bei uns ausgerotteter Verwandter, der europäische Nerz, hofft Kinzelbach.