„Bazitrachten raus aus Stuttgart“, fordern VfB-Ultras. VfB-Vorstandschef Alexander Wehrle feiert beim Wasenkonzil von Christoph Sonntag in Lederhosen. „In der Cannstatter Kurve würde ich sie nicht tragen“, sagt er und wirbt für Diversität.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Nur nicht übermütig werden! Der VfB-Vorstandsvorsitzende Alexander Wehrle bremst jede Art von Euphorie. Platz zwei der Tabelle – das heißt für den Vereinsboss, wie er mit einem Lächeln sagt: „Wir sind jetzt noch ein bisschen weiter von Abstiegsplätzen entfernt.“ Der Kabarettist Christoph Sonntag, der Wehrle am letzten Volksfestabend zum Wasenkonzil seiner „Stiphtung“ ins Göckelesmaier-Zelt eingeladen hat, hätte da noch einen Ratschlag. „Ihr müsst einfach nur jedes Spiel gewinnen“, schlägt er vor. Der Fußballmann bedankt sich für den guten Tipp. „Ja, so einfach müsste das gehen“, antwortet er und nickt.

 

VfB heißt nicht „Verein für Bekleidungsvorschriften“

Sonntag trägt an diesem Abend in Bierzelt Jeans, Wehrle Lederhosen. Die Ultras des VfB dürften das Outfit ihres Vorstandsvorsitzenden bestimmt nicht bejubeln. Die Abkürzung für VfB heißt aber auch nicht „Verein für Bekleidungsvorschriften“. Alexander Wehrle entscheidet sich bei seinem Wasenbesuch zum Abschied des Volksfestes für Tracht. „Man sollte die Gepflogenheiten respektieren“, findet er. In die Cannstatter Kurve würde er nicht in Lederhosen kommen, räumt der Vorstandschef ein.

Den erneuten Feiertag des VfB in der MHP-Arena durfte am Samstag der Münchner Axel Munz miterleben. Er ist Chef des Trachtenunternehmens Angermaier, bewegt sich also fast ausschließlich in der Krachledernen. Für seinen Stuttgart-Besuch, der ihn in erster Linie aufs Volksfest führte, hatte er einige Lederhosen mitgebracht. Doch dann sagte man ihm, es komme nicht gut, wenn er damit zum VfB-Spiel gegen Wolfsburg ins Stadion gehe. Munz kaufte sich deshalb in Stuttgart schnell noch eine „normale Hose“, um keinen Stress mit den Fans zu haben.

Auch VfB-Präsident Claus Vogt hat es auf dem Wasen mehrfach erlebt, dass er wegen seiner Lederhosen von VfB-Fans angegangen worden ist. Dabei sind seine Exemplare made in Württemberg, sie kommen gar nicht aus Bayern. Er konnte das entsprechende Wappen auf der Hose seinen Kritikern zeigen.

Beim Wasenkonzil von Christoph Sonntag, der damit den Sponsoren und Unterstützern seiner „Stiphtung“ dankt (gesehen: SWR-Intendant Kai Gniffke, die frühere Kultusministerin Susanne Eisenman mit ihrem Mann Christoph Dahl von der Bade-Württemberg-Stiftung, der frühere Porsche-Betriebsrat Uwe Hück, Magier Thorsten Strotmann, der Stuttgarter Audi-Geschäftsführer Gunnar Severin), wirbt Alexander Wehrle für die neue VfB-Stiftung. Deren Motto lautet: „Fairplay für alle.“ Der Verein setzt sich mit seiner Stiftung für eine „offene Gesellschaft“ ein, die Vielfalt beinhaltet, also Diversität, und die „respektvolles Miteinander“ pflege. Alle sollten so sein, wie sie sind. Und wer Lederhosen trägt, ist deshalb kein VfB-Störer.

Im Monat 30 Minuten Gutes Tun

Kabarettist Sonntag bedankt sich beim Wirtepaar Daniela und Karl Maier und kündigt an, dass er mit Studierenden an einer App mit dem Namen „30 Minuten“ arbeite. Die Idee, die dahinter steckt: Jeder sollte im Monat 30 Minuten Gutes tun. Die neue App ist für ihn „die soziale Antwort auf Social Media“. Wenn der Rentner mit der schmerzenden Hüfte einen Tierfreund sucht, der mit dem Hund Gassi geht, kann er dies in seinem Profil bei „30 Minuten“ kundtun. Oder der grippekranke Single, der ein Medikament aus der Apotheke braucht, aber selbst nicht rauskommt, notiert diesen Wunsch in seinem Profil bei „30 Minuten“.

Gleichzeitig schauen Menschen, die helfen wollen, in der neuen App nach, wo in der Nachbarschaft was zu tun ist. Man kann sich dann fragen: Will ich in 300 Meter Entfernung den Rasen mähen für den demenzkranken Mann und dessen überlastete Frau, die ihn pflegt, oder lieber eine Sprudelkiste holen für Frau Maier von gegenüber, die gerade kein Auto hat?

„Wenn jeder Mensch nur 30 Minuten im Monat Gutes tun würde, wie würde unsere Welt dann in 30 Jahren aussehen?“, fragt Sonntag.