Außer der wirtschaftlichen gibt es noch eine andere Betrachtungsweise: die kulturhistorische. Beim Besuch des von Chinesen erworbenen Château Loudenne drängt sie sich auf. Der Verputz leuchtet zartrosa. Von Zinnen gekrönte Mauern und schiefergedeckte Türme signalisieren: dieses Château ist tatsächlich ein Schloss. Vom Portal fällt der Blick auf kurz geschorenen Rasen, Rebhügel und die Gironde, die sich hier, kurz vor der Mündung, zum Delta weitet.

 

Drinnen tauchen Hunderte von Kerzen Gänge und Gewölbe in flackerndes Licht. Der Weg in Gemächer und Geschäftsräume führt durch ein Spalier aus Eichenfässern. Wer durch das aus dem 17. Jahrhundert stammende Anwesen schreitet, der erlebt den Weinbau des Bordelais weniger als boomende Branche denn als Kulturerbe, als ein über Jahrhunderte hinweg entwickeltes Brauchtum. „Dass wir das Château Loudenne aus der Hand geben, eines der schönsten Schlösser des Médoc, tut im Herzen ein bisschen weh“, sagt Fabrice Fatin.

Der bisherige Eigentümer hat aus der Not eine Tugend gemacht

Der Franzose, der im benachbarten Pauillac das „Haus für Tourismus und Wein“ leitet, steht im Festsaal des Château, wo gleich die feierliche Schlüsselübergabe stattfinden soll. Die neuen Besitzer sind schon da. Vor einer Bühne drängen sich hundert Chinesen. Die meisten sind weder des Englischen noch des Französischen mächtig. Der Generaldirektor der Guizhou Moutai Wine Industry, eines der Branchenriesen aus dem Reich der Mitte, betritt die Bühne. „Das ist der Käufer, Monsieur Moutai. In China nennen sie ihn den Weinkönig“, flüstert ein Dolmetscher.

Der bisherige Eigentümer gesellt sich hinzu, der Franzose Jean-Paul Lafragette. In finanzielle Schwierigkeiten geraten, hat er aus der Not eine Tugend gemacht und das vor 13 Jahren für neun Millionen Euro erworbene Anwesen für 20 Millionen Euro an die Guizhou Moutai Wine Industry veräußert. Er hat ein Samtkissen mitgebracht. Darauf liegt der Schlüssel zum Schlosstor, der die Ausmaße eines Kochlöffels hat. Lafragette umfasst das Kissen mit beiden Händen, lächelt, verbeugt sich tief und reicht es schweigend dem neuen Schlossherrn.

Eine Weinkultur haben die Chinesen noch nicht

Das Prestige eines Weins sei für die Chinesen das A und O, sagt Laurent Gapenne. Das Etikett entscheide über den Wert der Ware, der Geschmack sei zweitrangig. Eine Weinkultur habe sich in China noch nicht herausgebildet, Zunge und Gaumen seien noch nicht darin geübt, die Geschmacksnuancen vergorenen Rebensaftes zu erfassen. Wein sei in Hongkong, Shanghai oder Peking vor allem ein prestigeträchtiger Geschenkartikel.

Während Gapenne die Vorlieben fernöstlicher Kundschaft erläutert, sondieren gut 1500 Chinesen auf der Weinmesse von Bordeaux, der Vinexpo, den Markt. Run Fang Zon holt am Stand des Château La Favière Angebote ein. Auf dem Verkaufstresen haben sich ein halbes Dutzend Flaschen angesammelt. Der Weinhändler aus Zhengjiang rückt sie zurecht, bis sie in einer Reihe stehen und alle Etiketten nach vorne zeigen. Er begutachtet sein Werk, stellt sich hinzu, bittet einen Begleiter, das Ganze mit der Kamera festzuhalten. Den Inhalt der Flaschen probieren mag er nicht.

Die Chinesen beeindruckt vor allem das Wachstumspotenzial

Außer der wirtschaftlichen gibt es noch eine andere Betrachtungsweise: die kulturhistorische. Beim Besuch des von Chinesen erworbenen Château Loudenne drängt sie sich auf. Der Verputz leuchtet zartrosa. Von Zinnen gekrönte Mauern und schiefergedeckte Türme signalisieren: dieses Château ist tatsächlich ein Schloss. Vom Portal fällt der Blick auf kurz geschorenen Rasen, Rebhügel und die Gironde, die sich hier, kurz vor der Mündung, zum Delta weitet.

Drinnen tauchen Hunderte von Kerzen Gänge und Gewölbe in flackerndes Licht. Der Weg in Gemächer und Geschäftsräume führt durch ein Spalier aus Eichenfässern. Wer durch das aus dem 17. Jahrhundert stammende Anwesen schreitet, der erlebt den Weinbau des Bordelais weniger als boomende Branche denn als Kulturerbe, als ein über Jahrhunderte hinweg entwickeltes Brauchtum. „Dass wir das Château Loudenne aus der Hand geben, eines der schönsten Schlösser des Médoc, tut im Herzen ein bisschen weh“, sagt Fabrice Fatin.

Der bisherige Eigentümer hat aus der Not eine Tugend gemacht

Der Franzose, der im benachbarten Pauillac das „Haus für Tourismus und Wein“ leitet, steht im Festsaal des Château, wo gleich die feierliche Schlüsselübergabe stattfinden soll. Die neuen Besitzer sind schon da. Vor einer Bühne drängen sich hundert Chinesen. Die meisten sind weder des Englischen noch des Französischen mächtig. Der Generaldirektor der Guizhou Moutai Wine Industry, eines der Branchenriesen aus dem Reich der Mitte, betritt die Bühne. „Das ist der Käufer, Monsieur Moutai. In China nennen sie ihn den Weinkönig“, flüstert ein Dolmetscher.

Der bisherige Eigentümer gesellt sich hinzu, der Franzose Jean-Paul Lafragette. In finanzielle Schwierigkeiten geraten, hat er aus der Not eine Tugend gemacht und das vor 13 Jahren für neun Millionen Euro erworbene Anwesen für 20 Millionen Euro an die Guizhou Moutai Wine Industry veräußert. Er hat ein Samtkissen mitgebracht. Darauf liegt der Schlüssel zum Schlosstor, der die Ausmaße eines Kochlöffels hat. Lafragette umfasst das Kissen mit beiden Händen, lächelt, verbeugt sich tief und reicht es schweigend dem neuen Schlossherrn.

Der neue Eigentümer greift zum Mikrofon, preist sich selbst und das in Fernost errichtete Weinimperium. Ob Personal (17 000 Beschäftigte) oder Läden (1700), gigantisch ist es auf alle Fälle. Die acht Angestellten und 56 Hektar Rebland des Château Loudenne nehmen sich daneben gering aus und sind dem Erwerber denn auch kaum der Rede wert.

Eine nüchterne Geschäftsbeziehung

Der neue Verwalter des Schlosses, Huaili Zhong, kündigt an, dass man in das „etwas heruntergekommene Weingut“ kräftig investieren werde und es zur Nobelherberge ausbauen wolle. Was die Önologin Chopy über das Bordelais gesagt hatte, auf „Monsieur Moutai“ und das Château Loudenne trifft es sicherlich zu. Die beiden verbindet eine durch und durch nüchterne Geschäftsbeziehung.

Nicht nur Fabrice Fatin ist es weh ums Herz. Gaelle Alleno, die in Pauillac vor acht Jahren ein Restaurant eröffnet hat, beklagt „den Ausverkauf französischen Kulturguts“. „Wenn die Chinesen könnten, würden sie noch unsere Erde und Steine mitnehmen“, versichert die 40-jährige Wirtin. Von Stammgästen erzählt sie, von Winzern, die den finanzkräftigen chinesischen Gutsbesitzern nicht Paroli bieten könnten, von wachsenden Sorgen, die neuen Schlossherren könnten das im Bordelais erworbene Knowhow nutzen, um im Reich der Mitte immer besseren Qualitätswein anzubauen. „Sie werden uns bald fürchterliche Konkurrenz machen“, prophezeit Alleno. Englisch und Arabisch spricht sie. Sogar die Taubstummensprache hat sie gelernt, „einfach so, aus Spaß“, wie sie versichert. Aber Chinesisch lernen, sagt sie, dazu könne sie sich beim besten Willen nicht durchringen.

Vorbehalte schlagen in offenen Hass um

Mitte Juni waren die Vorbehalte gegenüber den auch als Invasoren erlebten Investoren erstmals in offenen Hass umgeschlagen. Betrunkene französische Jugendliche fielen über Chinesen her, die im Château La Tour Blanche Weinbau studieren. Die Angreifer klingelten nach Mitternacht an der Wohnung der Gaststudenten, beschimpften sie als „Schlitzaugen“ und richteten sie übel zu. Eine 24-jährige Chinesin wurde mit gebrochenem Nasenbein und einer Fraktur des Wangenknochens ins Krankenhaus eingeliefert.

Frankreichs Innenminister Manuel Valls hat „die fremdenfeindlichen Ausschreitungen auf das Schärfste verurteilt“ und versprochen, die Täter würden von der Justiz zur Rechenschaft gezogen. Landwirtschaftsminister Stéphane Le Foll versuchte derweil vor Ort zu beschwichtigen. Der Minister traf in Bordeaux Vertreter der Pekinger Botschaft, die ans Krankenbett der Verletzten geeilt waren und Maßnahmen zum Schutz der Auslandschinesen sowie „eine harte Haltung der Strafjustiz“ gefordert hatten. Die Regionalzeitung „Sudouest“ wiegelte ab. Das Blatt gab zu bedenken, es könne doch auch Zufall gewesen sein, dass die Betrunkenen ihre Aggressionslust an Chinesen ausgelebt hätten. Bloß die Investoren nicht scheu machen ist im Bordelais die Devise. Schlimm genug, dass Peking erwägt, aus Europa importierten Wein, also vor allem Bordeaux-Wein, mit Strafzöllen zu belegen, weil die EU die Einfuhr chinesischer Sonnenkollektoren mit hohen Abgaben zu drosseln versucht.

Strenges Reglement für die Winzer der Region

Diejenigen freilich, die mit den Investoren aus Fernost bereits ins Geschäft gekommen sind, hegen keine Ressentiments. Sie zeigen sich hochzufrieden. Emmanuel de Saint Salvy, Direktor des von einem chinesischen Industriellen erworbenen Château Bellefont-Belcier, freut sich, dass er dank der Investitionen des neuen Eigentümers ehrgeizige Ziele ansteuern kann. Die Chancen stünden gut, dass das bereits als „Grand Cru Classé“ ausgewiesene Anbaugebiet bei der nächsten Bewertung zu einem „Premier Grand Cru Classé“ aufgewertet werde, sagt der Önologe und Biochemiker. Wie er dieses Ziel erreiche, sei weitgehend ihm überlassen. Die Chinesen mischten sich kaum ein. Schon gar nicht dächten sie daran, die Tradition anzutasten, liege der Wert des Weins für sie doch gerade darin, dass er aus traditionsreichem Hause stamme.

Hinzuzufügen wäre: selbst wenn sie anderes im Sinn hätten, sie haben sich wie alle Winzer der Region an ein strenges Reglement zu halten. Vom Bewässerungsverbot über die maximale Rebendichte bis hin zum Ertrag von höchstens 65 Hektoliter Wein pro Hektar: alles ist normiert.

Und die Risiken des chinesischen Ausgreifens? Saint Salvy will sie nicht leugnen. In der Tat sei gut möglich, dass aus den Châteaux-Käufern von heute gefürchtete Konkurrenten von morgen würden. „Die Globalisierung ist nun einmal so“, sagt er.