Hauptberuflich ist Andreas Spätgens Rechtsanwalt, in seiner Freizeit jedoch begeisterter Jazz-Pianist. Der Fusion-Mix seiner Band September ist längst über die Grenzen des Remstals hinaus bekannt.

Weinstadt - In der Musik mache ich keine Kompromisse. Da mache ich, was ich will“, sagt Andreas Spätgens. Sonst versteht er sich als Anwalt – und verstand es früher als erster SPD-Bürgermeister von Remshalden – durchaus auf die Kunst des Kompromisseschließens. Doch die Musik ist sein Experimentierfeld. Und das von Jugend an.

 

Mit zwölf Jahren entdeckte Spätgens das Improvisieren. Was dazu führte, dass ihm sein Vater den Klavierunterricht strich. „Ich habe eben mehr gespielt, was ich im Kopf hatte, als was auf dem Blatt stand“, erzählt Spätgens, der seine Kunst bei Auftritten vervollkommnete. Mit Freunden trat er als 16-Jähriger erstmals öffentlich in Rudersberg auf. Vollmilch nannten sie sich und hatten sich dem Jazzrock der 1970er Jahre à la Santana, Weather Report und Passport verschrieben.

„Seither habe ich es einfach nicht mehr gelassen“, sagt Spätgens. Jüngst feierte der 56-Jährige daher mit seinen langjährigen, musikalischen Wegbegleitern Peter Winniger, Bernd Baur, Andreas Mürdter, Andreas Pastorek, Bodo Ernst und Horst Künzl sein 40-Jahr-Bühnenjubiläum im Schorndorfer Jazzclub Session 88.

Mit letzteren Vier spielt er seit Jahrzehnten in der selbstgegründeten Band September zusammen. 36 Jahre besteht die Gruppe bereits, seit 1998 in der heutigen Besetzung. Einen Großteil der September-Lieder hat er selbst komponiert und seinen eigenen Stil dabei längst gefunden. „Ich habe mir halt so meine eigenen Gedanken gemacht“, meint Spätgens dazu. Herausgekommen ist „latin-flavoured music“, wie er es nennt, die jedoch neben lateinamerikanischen Rhythmen und Rock auch eine gute Portion Jazzgroove enthält.

Aber von Jazz will der Weinstädter, der in Stuttgart geboren und in Schorndorf aufgewachsen ist und erst seit 1999 seine Heimat in Weinstadt-Strümpfelbach gefunden hat, nicht sprechen. „Da denken die Leute immer an Dixieland-Frühschoppen-Jazz oder an völlig abgehobenes Zeug und machen erst einmal zu.“ Dabei biete der Jazz eine unheimlich große Bandbreite, findet Spätgens. Seine „persönlichen Grenzen“ innerhalb dieser Bandbreite auszuloten, das treibe ihn an. So will er sich auch letztlich nicht auf einen Stil festlegen lassen.

Mit seiner zweiten Band Euroblue, in der er seit zwölf Jahren gemeinsam mit Bodo Ernst und Andreas Pastorek spielt, geht er auch ganz andere Wege – bleibt aber dem Jazz treu, indem er europäische Volks- und Kirchenlieder entsprechend neu arrangiert. „Unser Antrieb dabei ist kein religiöser“, erklärt er. Viel mehr gehe es ihnen darum, Jazzgeschichte musikalisch nachzuvollziehen. „Schwarze Musiker haben den Jazz aus Folklore, Schlager und Spirituals, also Kirchenliedern, entwickelt. Diesen Prozess machen wir jetzt nicht in Amerika, sondern hier.“

Diese Experimentierfreude teilt Spätgens mit seinem Lieblingskomponisten Ludwig van Beethoven – auch wenn er sich in keiner Weise mit diesem vergleichen will. „Ich bin weder taub noch depressiv und schon gar kein Genie.“ Es imponiere ihm einfach, dass Beethoven „geradlinig seinen Weg verfolgt hat, musikalisch an die Grenzen gegangen ist“. „Er war Visionär“ sagt Spätgens, „hat schon vor 200 Jahren rockige, rifforientierte Sachen geschrieben.“

Will er es Beethoven gleichtun? „Nein, das geht gar nicht, weil es nichts gibt, was nicht irgendjemand schon einmal gemacht hat“, sagt Spätgens. Außerdem sei es ihm wichtig, dass seine Musik den Menschen gefalle, sie mitreiße. Während Beethovens Werke unter seinen Zeitgenossen „als stressig und unhörbar“ gegolten hätten.

Ausexperimentiert hat der Jazzmusiker aus Leidenschaft trotzdem noch lange nicht. Derzeit sei er dabei, mit einem Percussionisten, einem Gitarristen und einem Saxofonisten eine neue Gruppe aufzubauen. Namen will er noch keine nennen. Die Musik indes habe er schon in seinem Kopf, nur verbal lasse sie sich noch schwer beschreiben. „Es wird ein bisschen transmäßig“ – mehr verrät er nicht, auch nicht, wann der erste Auftritt sein wird.