Lydia Stilz lässt in ihrem neuen Buch „Im Dörfle – Geschichten von früher“ ihre Leser das alltägliche Leben früherer Generationen in Weinstadt-Schnait nachempfinden. Am 26. November liest sie daraus im Kurt-Dobler-Saal in Beutelsbach vor.

Weinstadt - Mit wachem Blick mustert Lydia Stilz ihr Gegenüber. Auf ihr neues Buch „Im Dörfle“ angesprochen, sprudeln die Geschichten über ihren Heimatort Schnait und das Leben der Menschen dort in früheren Tagen nur so aus der 87-Jährigen heraus, so dass man sich wundert, dass ihr Buch nicht wesentlich mehr Seiten umfasst. Aber das mag wohl an Stilz’ Fähigkeit liegen, bei aller Erzähllust doch immer wieder prägnant auf den Punkt zu kommen, ihre Worte mit Bedacht zu wählen und sich selbst einzubremsen. „Aber ich schweife schon wieder ab“, sagt sie dann. Und diese Formulierung findet sich auch in ihrem Buch immer wieder. In dem Band nimmt sie den Leser mit hinein in den Alltag einer Wengerterfamilie in den 1930er Jahren, ihrer Familie.

 

Ein sehr persönliches Buch

Es sind Kindheitserinnerungen, die Lydia Stilz in ihrem zweiten Buch, das der Silberburg-Verlag herausgebracht hat, preisgibt. Insofern ist es genau das, was in der Presseinformation des Verlages versprochen wird: Es ist ein sehr persönliches Buch, viel mehr noch als ihr Erstlingswerk „Am Abend gab es Brotsupp“, das, im Jahr 2013 erschienen, so gut ankam, dass es inzwischen vergriffen ist.

Lydia Stilz ist das bewusst. Sie erhebt nicht den Anspruch, die Lebenswirklichkeit von damals in Gänze darzustellen. „Erleben ist doch immer selektiv“, meint die spät berufene Autorin, deren Traum es indes schon immer war, Schriftstellerin zu werden. Doch während des Berufslebens habe die Zeit dafür gefehlt, erzählt die pensionierte Lehrerin. Dabei war Lehrerin zu sein ebenfalls ein Traum, den sie sich erfüllt hat. Dafür hat sie ihren Heimatort Schnait verlassen, studierte in Esslingen am Pädagogischen Institut und unterrichtete dann an verschiedenen Grund- und Hauptschulen im Land, zuletzt in Leutenbach. Auf Studienreisen nach England, Thailand, Indonesien, Indien, Australien, ans Nordkap und in die Antarktis schaute sie sich die Welt an.

Aufbewahrt hat sie über all die Jahre stets die Notizen, die sie sich zu Erzählungen ihrer Großmutter gemacht hatte, der „Schlossahne“, wie Stilz sie nennt. Diese holte sie für ihr Buch hervor, formulierte sie aus. So gelingt es ihr, auch in die Lebenswelt ihrer Ururahnen Ende des 19. Jahrhunderts einzutauchen. „Man muss doch für die nachwachsenden Generationen die alten Bilder erhalten“, meint sie dazu.

Aus Ställen sind Garagen geworden

Denn das Schnait, das sie bei ihrer Rückkehr im Jahr 1999 antraf, als sie wieder in ihr Elternhaus einzog, war nicht mehr das, welches sie kannte. Während das mit Wildem Wein berankte, rote Backsteingebäude in der Lützestraße, das sich 1890 der damalige Bürgermeister als Wohnhaus hatte bauen lassen, noch an Ort und Stelle stand, hatte sich das Dorf rundherum verändert. „Das Schnait von früher war ein ganz anderes“, sagt sie, „absolut ländlich und vom Weinbau bestimmt.“ Doch aus den Ställen von damals seien Garagen geworden. Autos hätten den Platz von Kühen, Pferden und Hühnern eingenommen.

Diese Veränderungen spiegelt Lydia Stilz auch im zweiten Kapitel ihres Buch wider, in dem sie einen Spaziergang durch den Ort unternimmt. In einem Rundgang durch das heutige Schnait beschreibt sie in Rückblenden, wie es dereinst ausgesehen hat, aber auch wie es gerochen hat und welche Geräusche zu hören waren, etwa wenn der Küfer mit seinem Gehilfen noch glühende Eisenreifen über Eichenfässer zog.