Studenten der Stuttgarter Kunstakademie haben für die Landesliteraturtage in Weinstadt außergewöhnliche Leseplätze entworfen und gebaut.

Weinstadt - Sanft schaukelnd und geschützt vor der brütenden Hitze sitzt man unter der mächtigen Baumkrone der Silcherlinde oberhalb von Strümpfelbach im Schatten. Selbst der einsetzende Sommerregen kann einem dank des dichten Blätterdachs nichts anhaben. Man fühlt sich heimelig und gut aufgehoben im „Kokon“.

 

So haben Dennis Herrmann und Ferdinand Hauff ihre Sitzschaukel getauft. Sie ist eines von sechs Lese-Sitz-Objekten, die Studierende des Studiengangs Architektur und Design der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart für die Landesliteraturtage in Weinstadt entworfen und gebaut haben. Diese finden zwar erst im Herbst statt, aber wer will, kann sich bereits jetzt an einem der ungewöhnlichen Leseorte darauf einstimmen – mit der Lektüre eines Buchs, das aus der Feder eines der Gastautoren der Literaturtage stammt. Denn jeder der Standorte ist mit einer Bücherbox ausgestattet, welche die Stadtbücherei bestückt.

Neben der Sitzschaukel kann man auch auf der Helix-Bank von Valentin Lotzen Gil Platz nehmen, die sich im Halbrund trotz ihres futuristischen Designs in das idyllische Fleckchen einfügt, oder einen der vier weiteren Lese-Sitz-Objekt-Standorte erkunden: am Skulpturenweg beim Naturfreundehaus, im Käppele bei Endersbach, an der Fischerhütte am Remsufer in Großheppach, oder hoch oben am Aussichtspunkt „Drei Riesen“ bei Beutelsbach.

Die Qual der Wahl aus 20 Entwürfen

Mehrfach habe er mit den Studenten die von der Stadt vorgeschlagenen Orte besichtigt, berichtet Peter Litzlbauer. Der Professor hat die angehenden Architekten bei dem Projekt angeleitet. Dabei fehlte es den Studenten nicht an Ideen. „Insgesamt sind 20 Entwürfe entstanden. Dann haben wir gemeinsam revidiert und überlegt, was das Beste für jeden Ort ist.“ Um sich die „Qual der Wahl“ zu erleichtern, setzten die Studenten kurzerhand den Stadtsprecher Jochen Beglau, Christina Kammerer von der Stadtbücherei und den Literaturtage-Organisator Peter Reifsteck als eine Art Jury ein und ließen ihre Entwürfe von ihnen beurteilen. Anschließend machte man sich laut Litzlbauer mit noch einigen Helfern an die Umsetzung: „Dabei war jeder bei seinem Entwurf der Kapo der gemeinsamen Arbeit.“

Wie anspruchsvoll diese war, lässt vor allem Maren Kröllers Objekt an der Fischerhütte erahnen. „Unfolded“ hat sie das netzartige Holzgebilde passenderweise genannt, dass sich in Fächern zur Rems hin entfaltet. „Es bietet Durchblicke, Einblicke und Sitzgelegenheiten“, sagt die junge Frau über ihr Werk. „Besonders reizvoll ist, wie es sich mäanderartig schlängelt“, ergänzt Peter Litzlbauer.

Rückzugsorte mit Aussicht

Reizvoll, das ist auch die Aussicht, die man durch Florian Schwenders Objekt hindurch vom Skulpturenweg hinunter auf das Remstal genießen kann. Bewusst hat er es wie einen Fensterrahmen gestaltet, inspiriert von dem „speziellen, einmaligen Ausblick“. Aussichtsreich, das trifft ebenfalls auf den Standort von Marina Danners Werk bei den „Drei Riesen“ zu. „Ich wollte ein Statement setzen“, sagt sie. Darauf verweist schon der Name ihres Objekts: „Folly“. „Der Begriff kommt aus der englischen Gartenkunst und bezeichnet eine starke Prägnanz in Form und Farbe.“ Eine solche besitzt ganz sicher auch ihr Werk, das mehrere Meter in knalligem Rot zwischen den drei Steinfindlingen aufragt. In seine Nischen kann man sich zum Schmökern zurückziehen und hat doch die Umgebung im Blick.

Ein Rückzugspunkt ist auch der „Rote Teppich“ von Dennis Herrmann und Ferdinand Hauff im Endersbacher Käppele, dem wohl ungewöhnlichsten aller sechs Lese-Sitz-Objekte. Von außen betrachtet wirkt es unscheinbar – sein Reiz erschließt sich erst bei einem Blick in die ehemalige Wallfahrtskirche.