Zwei vermummte Jungs haben am Wochenende in Weinstadt mit Softairwaffen die Polizei auf den Plan gerufen. Nun stellt sich die Frage: ist Terroristsein ein neuer Spieltrend? Echt aussehende Waffen zu beschaffen ist zumindest sehr einfach.

Weinstadt - Waffen, die Spielzeug sind, aber täuschend echt aussehen, haben die einstige Käpseles- oder Kügelespistole ersetzt. Eine dramatische Randerscheinung hat sich am Wochenende in Weinstadt gezeigt: Mit gezogenen echten Waffen haben zwei Polizisten zwei maskierten Waffenträgern gegenübergestanden. Die Beamten konnten nicht wissen, dass die Waffen Attrappen waren und sich spielende Kinder hinter der Maskierung verbargen. Sie mussten von einem Ernstfall ausgehen. In Endersbach hätten Schüsse fallen können, das betont auch die Polizei.  Weil Kinder im Spiel heutzutage wie Attentäter aussehen wollen?

 

Spielzeugwaffen in Schule verboten

Spielen Kinder heute wirklich lieber Terrorist als Cowboy und Indianer? „Nein, so etwas habe ich noch nicht gehört“, sagt die Leiterin des für den Landkreis zuständigen Staatlichen Schulamts in Backnang, Sabine Hagenmüller-Gehring. Bisher „haben wir an den Schulen so einen Fall auch noch nie gehabt“, betont die Pädagogin. „Wir wollen, dass die Kinder ihre Spielzeugwaffen daheim lassen“ – unabhängig davon, ob diese täuschend echt aussehen oder nicht. Wenn es nach ihr ginge, dann würde so etwas erst gar nicht verkauft.

Ob den Kriegs- oder Räuber-und-Gendarm-Spielen ein Platz in der kindlichen Entwicklung eingeräumt werden solle, sei eine uralte Erziehungsdiskussion, sagt Volker Frey, der Leiter der Schorndorfer Beratungsstelle für Familien und Jugendliche. Er selbst rät grundsätzlich dazu, nicht jegliche Aggression im Nachahmungsspiel der Kinder zu unterdrücken. Auch dass sich Kinder am liebsten möglichst realistisch bewaffneten, sei normal. Restriktionen wären seiner Ansicht nach hingegen im Angebot von Spielzeugwaffen geboten. „Um alle Beteiligten zu schützen, sollte eine Spielzeugwaffe als solche klar erkennbar sein“, sagt Frey, das zeige auch der aktuelle Fall. Ein absolutes „No go“ sei hingegen in der heutigen Zeit, in der Öffentlichkeit vermummt durch die Gegend zu laufen. Auf diese Gefahr sollten Eltern ihre Kinder unbedingt hinweisen und ein Verbot klar damit begründen.

Anscheinswaffen sind in Deutschland frei verkäuflich

Eine ähnliche Ansicht vertritt Matthias Wiedmann. „Wir hatten Softair-Waffen noch nie im Sortiment“, sagt der Inhaber mehrerer Spielzeuggeschäfte im Rems-Murr-Kreis. In seinen Läden gebe es lediglich so genannte Faschingswaffen, welche eindeutig als Spielzeug erkennbar seien. Selbst der Großhändler, der ihn beliefere, führe keine Softairwaffen, betont Wiedmann. Die Hauptquelle für Jugendliche, die damit spielen wollten, sei wohl eher der Onlinehandel, vermutet Wiedmann und verweist auf große Internethandelsportale.

Tatsächlich findet sich auf den Seiten von Amazon eine große Bandbreite von Softair- und Anscheinswaffen. Kritik daran weist der Onlinehändler auf Anfrage zurück: Das Entscheidende sei, dass diese Artikel legal erhältlich seien. Im Weinstädter Fall habe es sich um Anscheinswaffen gehandelt, die in Deutschland frei verkäuflich seien. Es gebe für diese Produkte eine freiwillige Beschränkung der Händler, sie nur an Kunden ab 14 Jahren abzugeben. Amazon biete „keinerlei Produkte zum Verkauf an Minderjährige an“, erklärt der Sprecher des Onlinehändlers.

Ulrich Brobeil, der Geschäftsführer des Verbands deutscher Spielzeughersteller, findet an Waffen erinnerndes Spielzeug nicht grundsätzlich schlecht. „Schon in meiner Jugend hat man mit Plastiksoldaten gespielt“, sagt der Chef des Nürnberger Verbandes. Allerdings sei in den vergangenen Jahrzehnten das Interesse an solchem Spielzeug deutlich zurückgegangen, vom Umsatz mache das weniger als ein Prozent des Spielzeugmarktes aus.

Echt wirkende Waffen sind billig und leicht zu bekommen

Thomas Brändle ist pädagogischer Leiter des Backnanger Vereins Kinder- und Jugendhilfe und sagt: „Es handelt sich nicht um ein flächendeckendes Phänomen.“ Wenn Kinder mit solchen Waffen spielten, dann zeige sich, was sie im Fernsehen oder im Internet anschauen. Für viele Kinder sei es „attraktiv zu beeindrucken“. Täuschend echt aussehende Waffen hätten ihren Reiz. Wenn es nach ihm ginge, so Brändle, dann sollte es höhere Hürden für den Verkauf geben.

Es ist tatsächlich kein großes Problem, an eine echt wirkende Waffen zu gelangen – und auch kein übermäßig kostspieliges. Über den Internethandel erhält man eine Nachbildung einer Walther P 99 zu 24,20 Euro, ein Nerd-Air Softair-Sturmgewehr zu 16,95 Euro. Die günstigste Replik einer halbautomatischen Pistole ist für 12,99 Euro erhältlich.

Gisela Mayer, die Vorsitzende der Stiftung gegen Gewalt an Schulen in Winnenden, hat eine klare Meinung dazu. „Der Vorfall zeigt, dass man auch mit scheinbar harmlosen Waffen in Gefahr geraten kann. Diese Anscheinswaffen haben in den Händen von Kindern nichts verloren, da sind die Eltern in der Verantwortung.“ Die Stiftung, die aus dem Aktionsbündnis Amoklauf Winnenden entstanden ist, setzt sich schon immer für eine Verschärfung des Waffenrechts ein. Das gelte auch für Anscheinswaffen. „Die Polizisten haben besonnen gehandelt. Bei schlechten Sichtverhältnissen sind diese Pistolen nicht von echten zu unterscheiden. Die Sache hätte auch nicht so glimpflich ausgehen können“, warnt Mayer.

Manche haben eher ein Messer dabei

Bisher keine Präventionsveranstaltung zum Thema

Am „Tatort“ Weinstadt sei an den Schulen bisher noch kein Fall bekannt geworden, in dem Schüler echt aussehende Waffen in die Schule mitgebracht hätten, sagt Karl-Henning Reuter, der Leiter der örtlichen Schulsozialarbeit. Zumindest nicht in den vergangenen vier Jahren, in denen er tätig sei. Was hingegen vorkomme sei, dass Schüler verbotenerweise Messer dabei hätten und diese unter Freunden herumzeigten. „Oder manche Schüler sagen im Streit, dass sie ein Messer oder eine Pistole mitbringen werden“, berichtet Reuter. Dabei bleibe es aber bei Drohungen, tatsächliche Angriffe seien nie vorgekommen. Dennoch sprächen dann die Schulsozialarbeiter mit den betreffenden Kindern und Jugendlichen und zeige ihnen die Konsequenzen ihres Verhaltens auf. Spätestens seit dem Vorfall am Samstag habe man nun auch das Problem mit Waffenimitaten auf dem Schirm. „Wenn es sich im Gespräch mit Lehrern und Eltern zeigt, dass wir diesbezüglich etwas tun sollen, werden wir etwas anbieten.“

Die echt aussehenden Waffen, die in Weinstadt die Polizei auf den Plan gerufen haben, sind von der Polizei sichergestellt worden – „mit Zustimmung der Eltern“, wie der Polizeisprecher Bernhard Kohn betont: „Die waren am Ende richtig froh, dass diese Waffen weg sind.“