Die Weinstädter Theatergruppe Hebebühne verabschiedet sich in dieser Woche nach 15 Jahren von ihrem Publikum – mit zwei Aufführungen ihrer letzten Eigenproduktion.

Ende des Monats hebt sich der Vorhang für die Hebebühne Weinstadt ein letztes Mal. Nach 15 Jahren bringt die Theatergruppe an diesem Freitag und Samstag, 26. und 27. April, ihr Abschiedsstück „Von einer, die auszog, die Angst zu lernen“ zur Aufführung. „Es ist ein Stück, das Spaß macht“, sagt Anne Fabriz über die Eigenproduktion, frei nach einem Märchen der Gebrüder Grimm.

 

Bewusst hätten sie sich im Kernteam der Hebebühne für einen leicht verständlichen Stoff entschieden, ganz im Gegensatz zu „Transanatomia“, dem vorangegangenen Stück. Dabei hinterfragte das Ensemble gesellschaftskritisch, mit schwarzem Humor und Gruselfaktor, die Grenzen von Medizin und Ethik, indem es seine Zuschauer in der Rolle von Augenzeugen eine fiktive Kopf-Körper-Transplantation miterleben ließ. Mit Bussen ging es von der Kelter Großheppach zum Württemberghaus in Beutelsbach und der Ausstellungshalle des Bildhauers Karl Ulrich Nuss in Strümpfelbach als weitere Schauspielorte, wobei die Fahrten auch Teil der Inszenierung waren.

Kooperationen sind die Ausnahme geblieben

Im Vergleich dazu sei das aktuelle Stück „unbeschwert“, beschreibt Anne Fabriz dessen Handlung, für deren Aufführung die Hebebühne von der Stadt Weinstadt im Rahmen des städtischen Kultur-Abos im Stiftskeller sesshaft wird. Ein Novum ist es zwar nicht, dass das Ensemble engagiert von der Stadt spielt. Auch beim Theaterspaziergang „Schwabenaufstand“ anlässlich der Feierlichkeiten zum 500-Jahr-Jubiläum des Armen Konrads im Jahr 2014, bei „Sehen wir es doch einmal anders“, einem Stück über Integration im Rahmen der Landesliteraturtage 2016 und dem Roadmovie „Die Einhörner kehren zurück“, das zur Remstal-Gartenschau 2019 auf Freilichtbühnen in Weinstadt und Kernen zur Aufführung kam, hatte das Ensemble kommunale Partner an seiner Seite. Aber in den vergangenen Jahren sind solche Kooperationen doch die Ausnahme geblieben. Alles andere hätte auch nicht zu den Freigeistern, welche die sechs Hebebühnen-Macherinnen Anne Fabriz, Ursula Porten, Renate Gröner, Monika Plag, Sigrid Krügel und Sybille Körberer sind, gepasst.

Das Zepter haben sie sich indes nie aus der Hand nehmen lassen. Auch das aktuelle Stück entsteht in Eigenregie von der ersten Idee bis zur fertigen Inszenierung mit Text, Bühnenbild und Maskenbildnerei. Lediglich für die Musik holen sie sich mit Hans Fickelscher, Nina H. und Mazen Mohsen sowie für die Technik mit der Agentur Events4you einmal mehr professionelle Unterstützung, und wegen der kurzen Vorbereitungszeit auch bei den Kostümen, für die sie auf den Fundus des Heidenheimer Naturtheaters zurückgreifen, statt sie wie sonst selbst den Figuren auf den Leib zu schneidern. Zudem können sie auf ihr Schauspielerteam zählen, das sie im Verlauf der Jahre mit wechselnder Besetzung um sich versammeln konnten. Momentan sind es 18 Darsteller.

Im Juli 2023 trafen sich die Theatermacherinnen das erste Mal, um über ihr neues Stück zu sprechen. Klar sei sofort gewesen, dass sie dafür ein Märchen bearbeiten wollen und dass es ihr letztes Werk sein wird, sagt Fabriz: „Transanatomia hat ganz viel Kraft gezehrt. Daher haben wir uns danach erst einmal eine längere Pause gegönnt.“ Jahrelang hätten sie ihre gesamte Freizeit in die Hebebühne gesteckt, mit jährlich ein bis zwei Theaterprojekten. „Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Jetzt wollen wir auch mal Zeit für andere Sachen haben.“ Zumal sie alle mittlerweile mit bald oder bereits 70 Jahren im fortgeschrittenen Alter seien. Was haben sie nun vor? Da habe jede von ihnen bereits ihre eigenen Pläne, antwortet Fabriz ohne näher darauf eingehen zu wollen. Nur so viel verrät sie: Langweilig werde es keiner von ihnen werden.

Langweilig wird den Zuschauern wohl nicht werden

Langweilig, das wird es sicherlich auch nicht den Zuschauern ihrer Abschiedsvorstellungen werden. Zumindest nicht nach dem, was Fabriz dazu vorab preisgibt. „Es geht um Liebe, die königliche Familie, ein verwunschenes Schloss und einige Gruseleffekte darin“, beschreibt sie die Handlung, die teils komisch und grotesk inszeniert, mit dem ein oder anderen Spezialeffekt, dem Zuschauer vor allem Spaß bereiten soll. Dazu hätten sie das Grimm’sche Original „Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen“, da es mitunter „sehr makaber“ sei, etwas abgeändert. Der inhaltliche Hintergrund, dass der Mensch die Furcht braucht, um überleben zu können, bleibe indes bestehen.

So bleibt die Hebebühne sich treu und bietet bei allem Spaß dennoch Unterhaltung mit Inhalt. Damit hat sie sich in den vergangenen Jahren eine große Fangemeinde erarbeitet. „Unser Publikum hat sich vergrößert“, sagt Fabriz. Zu den ersten Theatervorstellungen seien rund 30 Besucher gekommen, jetzt stuhle die Stadt pro Abend für 200 auf. Von Anfang an auf große Resonanz gestoßen seien indes die Bustouren – unvergessen sicherlich von vielen die erste 2012 unter dem Titel „Bad Weinstadt – ein Wasservergnügen in fünf Tauchgängen“. In der Rolle von Gemeinderäten, die darüber zu entscheiden haben, ob Weinstadt zur Kurstadt werden soll, nahm das Ensemble sein Publikum mit zu verschiedenen Spielorten. Unter anderem zum damals bereits geschlossenen Cabrio-Bad sowie ins Stiftsbad – dort nahm sie die Verwaltung in Anspielung auf die desolate Bäderlandschaft auf die Schippe.