Wie schafft man es, dass in Entwicklungsländern mehr produziert wird?
Man muss vor allem investieren. In der Maputo-Erklärung von 2003 verpflichteten sich die 54 Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union, zehn Prozent des Staatshaushalts für die Förderung der Landwirtschaft aufzubringen. Das ist leider fast nirgendwo geschehen. Vor allem Kleinbauern müssten unterstützen werden. Das könnte bei dürreresistentem Saatgut anfangen und beim Bau von Bewässerungsanlagen noch lange nicht aufhören.
Länder wie Nigeria oder Indien haben immense Hungerprobleme, aber auch eine starke Wirtschaft und einen wachsenden Mittelstand. Wie sieht es mit der Solidarität gegenüber der eigenen Bevölkerung aus?
Ich würde mir viel mehr davon wünschen. Indien hat mehr als 100 Milliardäre und die meisten Hungernden der Welt, nämlich rund 200 Millionen. Da läuft etwas ziemlich schief, die Ungleichheit wächst. Es ist auch die Aufgabe der Hilfsorganisationen, die Menschen darüber aufzuklären, welche Rechte sie haben, und sie dabei zu unterstützen, diese einzufordern.
Rund 600 Milliarden Euro Entwicklungshilfe flossen in den vergangenen 50 Jahren nach Afrika? Warum ist die Not dennoch oft größer als je zuvor?
Das Geld hat vieles bewirkt, Entwicklungszusammenarbeit funktioniert. Wenn man sich die Zahlen im langfristigen Vergleich anschaut, merkt man, dass die Welt besser geworden ist. Der Anteil der Hungernden in Entwicklungsländern betrug 1990 etwa 24 Prozent, eine Zahl, die inzwischen halbiert wurde. Die Kindersterblichkeit unter fünf Jahren lag 1960 bei 20 Prozent, heute liegen wir bei knapp vier Prozent. Das geht in die richtige Richtung. Entwicklungszusammenarbeit hat stets einen wichtigen Beitrag dazu geleistet. Gleichzeitig ist aber auch wahr, dass die Welt an vielen Stellen immer schlimmer wird. Kriege sind Hungertreiber. Der Klimawandel hat drastische Folgen, viele Regionen sind so gebeutelt, dass man dort kaum noch überleben kann.
Überall Krisen und Konflikte – stumpft das die Spender nicht ab?
Wir erreichen die Menschen noch immer, das ist gut. Die aktuelle Hungerkatastrophe in Afrika hat zu viel Solidarität und zu acht Millionen Spendeneinnahmen bei der Welthungerhilfe geführt. Grundsätzlich stimmt es: Viele Deutsche sind krisenmüde geworden, auch durch die Berichterstattung über Syrien. Oft wird erst reagiert, wenn die schlimmen Bilder im Fernsehen zu sehen sind.
Auch eine Spendenkampagne unterliegt ökonomischen Zwängen. Selbst wenn Menschen zu sterben drohen, müssen Sie kalkulieren.
Wir überlegen uns ganz genau: Wann gehen wir an die Öffentlichkeit? Ist das Thema schon in den Medien angekommen? Erst dann können wir draufsatteln. Sonst kann es tatsächlich sein, dass das Geld verpufft. Wir dürfen nicht Spendengelder für eine Kampagne ausgeben, die sich nachher nicht rechnet. Wir haben eine doppelte Verantwortung: den Spendern gegenüber und den Ärmsten der Armen.