Auf der Weltklimakonferenz im südafrikanischen Durban geht es von Montag an um die Zukunft des internationalen Klimaschutzes.  

Durban - Dienstag, 22. November 2011, Berlin: im Bundeskanzleramt streiten die Minister für Umwelt und Wirtschaft über die EU-Politik zur Energieeffizienz. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sperrt sich gegen verbindliche Regeln für Stromkonzerne. Zur gleichen Zeit tagen im Umweltministerium hochkarätige Klimaforscher. Sie erklären den Beamten einen aktuellen Bericht des UN-Klimarats IPCC, nach dem in vielen Regionen der Erde "Extremwetter" wie Starkregen, Dürren und Überflutungen zunehmen.

 

Die beiden Termine lagen zufällig am gleichen Tag. Sie zeigen jedoch das Dilemma beim Klimaschutz: Die Folgen eines ungebremsten Klimawandels werden immer deutlicher, aber das heißt nicht, dass die Politik daraus Konsequenzen zieht.

In dieser Lage versammeln sich von Montag an die Vertreter von 194 Staaten in der südafrikanischen Hafenstadt Durban zur 17. UN-Klimakonferenz. Die Zeit drängt: Ende 2012 laufen die Verpflichtungen des Kyoto-Protokolls zum Klimaschutz aus. Finden die Staaten in Durban keinen Fahrplan dafür, wie es weitergehen soll, droht das gesamte System des internationalen Klimaschutzes unter dem Dach der UN zu zerbröckeln.

Industriestaaten halten Versprechen des Kyoto-Protokolls

An aktuellen wissenschaftlichen Warnsignalen ist kein Mangel: Neben dem IPCC-Bericht zu Extremwetterlagen deuten viele Trends aus diesem Jahr auf einen ungebremsten Klimawandel hin: Die CO2-Emissionen sind stark gestiegen, der Anteil des CO2 in der Atmosphäre liegt auf einem Rekordhoch. In der Arktis gab es im Sommer so wenig Eis wie selten, und erstmals sehen Forscher Hinweise darauf, dass ein Wetterereignis - die Dürreperiode im Sommer 2010 in Russland - direkt auf den Klimawandel zurückgeht.

All das sollte eigentlich das Kyoto-Protokoll verhindern: 1997 verpflichteten sich darin zum ersten und bisher einzigen Mal die Industriestaaten zur Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen. Sie sagten zu, bis 2012 ihren Ausstoß um 5,2 Prozent gegenüber 1990 zu senken - und dieses Versprechen werden sie halten. Nach Berechnungen der niederländischen Umweltbehörde PBL erreichen die reichen Länder insgesamt mindestens elf Prozent Reduktion.

Ein schöner Erfolg, der aber leider nicht viel nützt. Denn er stützt sich größtenteils auf den wirtschaftlichen Zusammenbruch des Ostblocks und die Verlagerung von Industrien in Schwellenländer wie Indien und China, wo keine Beschränkungen gelten. Die Welt rund um Kyoto hat sich verändert. Machten 1997 die Kyoto-Staaten noch etwa 60 Prozent der globalen Emissionen unter sich aus, sind es heute nur noch etwa 30 Prozent. Die größten Verschmutzer, China und die USA, sind an Kyoto nicht gebunden. Daher die schizophrene Situation: Reduktion in der Kyoto-Zone um elf Prozent, während weltweit die CO2-Emissionen um etwa 40 Prozent zugelegt haben.

EU-Emissionshandel bleibt bestehen

Die größten Erfolge von Kyoto stehen also auf dem Papier. Und genau das schätzen Umweltschützer, die Vorreiterstaaten beim Klimaschutz wie die EU und die Schwellen- und Entwicklungsländer so sehr, dass sie am Kyoto-Vertrag unbedingt festhalten wollen. Denn nur dort gibt es Standards für ein Klimaregime: eine Rechenmethode für den globalen Vergleich von Emissionen, die Beteiligung aller Staaten, Zusagen über Finanzierungen und Zugang zu Ökotechnologien; den "Clean Development Mechanism", mit dem Firmen aus Industriestaaten Klimaprojekte in der Dritten Welt finanzieren.

Und nicht zuletzt gibt es eine weltweite Öffentlichkeit, die sich jedes Jahr in den immer größeren Klimakonferenzen über das Thema streitet. Das alles ist viel zu wenig, um einen rasant fortschreitenden Klimawandel zu bremsen, der die Welt nach jüngsten Berechnungen bis 2100 um vier Grad Celsius aufheizen wird. Aber es widerspricht der These, der Klimaschutz sei schon lange "kyotot".

In Durban wird es deshalb die Gruppe der "Kyoto-maybes" (Kyoto-Vielleichts) geben, Industrieländer, die für eine zweite Verpflichtungsperiode werben: die EU, Norwegen, Schweiz, Australien, Neuseeland. Als Gegenleistung dafür verlangen sie die Umsetzung der Beschlüsse der 16. Klimakonferenz von 2010 in der mexikanischen Stadt Cancón. Dazu gehört unter anderem ein Klimafonds für arme Länder. Und sie wollen eine Verpflichtung aller Staaten auf einen Fahrplan zu einem umfassenden Klimaabkommen im Jahr 2015. Um dieses Paket werden sich bis zum 9. Dezember die Debatten in Durban drehen.

In der EU wird an einer Notlösung gebastelt

Was passiert, wenn es kein "Kyoto II" gibt? Die Juristen sind sich nicht sicher. Klar scheint aber: die Staaten wären nicht mehr völkerrechtlich zu Reduktionen verpflichtet; damit wäre dem Handel mit Emissionsrechten unter den Staaten der Boden entzogen. Bis jetzt kauft etwa Japan solche Emissionsrechte bei Russland, um die nationale Bilanz zu verbessern. Auch die "Clean Development Mechanisms" (CDM) würden wegfallen, und mit ihnen das Geld für den daraus gespeisten "Anpassungsfonds". Allerdings heißt es, dass die EU bereits an einer Notlösung bastelt.

Denn tatsächlich würde sich in der Praxis nicht viel ändern. Davon sind die Experten in Umweltverbänden und Ministerien überzeugt. Der EU-Emissionshandel bleibt bestehen; er ist bis mindestens 2020 festgelegt. Auch wären die Länder weiterhin verpflichtet, ihre Emissionen zu erfassen und zu melden. "Der politische Schaden durch ein fehlendes Kioto II wäre deutlich größer als der wirtschaftliche", sagt Sven Harmeling von der Klimaschutzorganisation Germanwatch.

Für Martin Kaiser von Greenpeace fällt in Durban die Entscheidung, ob die USA überhaupt beim Klimaschutz mitmachen. "Wenn die USA und China nicht dabei sind und es keinen Fahrplan für 2015 gibt, dann kann man in diesem Format nicht weiterverhandeln", sagt Kaiser. Dann müsste eine "Koalition der Willigen" vorangehen und auch über Schutzzölle gegen Staaten nachdenken, die nicht beim Klimaschutz mitmachen. "Dann landet das Thema bei der Welthandelsorganisation WTO", sagt Kaiser. "Und da gehört es auch hin."

Ein grüner Klimafonds

Vereinbarung: Jenseits des Kyoto-Problems wollen die 194 Staaten in Durban auch Strukturen für den in Cancún vereinbarten Grünen Klimafonds aufstellen. Dieser soll von 2020 an jährlich 100 Milliarden Dollar (74 Milliarden Euro) an besonders vom Klimawandel betroffene Staaten ausgeben.

Finanzierung:
Wie der Fonds gefüllt wird, ist offen. Eine Quelle könnten Abgaben auf Schiffsdiesel sein, sagt Christoph Bals von Germanwatch. In Durban wird der Fonds keinesfalls gefüllt. Für 2010 hatten die Industrieländer erst zwölf Milliarden Dollar zugesagt.