Geologen bangen um den Schatz der einzigartigen Wasserkaskaden des Weltkulturerbes in Kroatien.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Rijeka - Noch sind die Wasserfallkaskaden des Weltkulturerbes zu Eis erstarrt, der Schnee liegt wie Puderzucker über den Wipfeln des kroatischen Nationalparks der Plitvicer Seenkette. Doch von winterlicher Idylle kann keine Rede sein. Angst geht um. „Die Zerstörung der Tuffstein-Barrieren hat sieben kleinere Seen zerstört“, vermeldete dieser Tage aufgeregt die Zeitung „Novi List“ in Rijeka.

 

Die Schauspieler Pierre Brice als Winnetou und Lex Barker als Old Shatterhand machten vor einem halben Jahrhundert bei der Verfilmung des Karl-May-Schmökers „Der Schatz im Silbersee“ die atemberaubende Kulisse der türkisfarbenen Seenkette im hügeligen Karstgebiet Mittelkroatiens einem Millionenpublikum bekannt. Bis heute ist der 1949 gegründete Nationalpark, seit 1979 Unesco-Weltkulturerbe, nach der Küste die größte Touristenattraktion des Staates an der Adria: Eine Rekordzahl von 981 000 Besucher ließen im vergangenen Jahr die Kassen von Südosteuropas ältestem Nationalpark klingeln.

Charakteristisch für die von mehreren Flüssen und unterirdischen Karstzuflüssen gespeiste Seenkette sind Ablagerungen von Kalktuff oder Travertin, die als natürliche Barrieren die Seen stauen – und bis zu 78 Meter hohe Wasserfälle entstehen lassen. Trotz der gewaltigen Touristenmassen, die vor allem in den Sommermonaten in großer Zahl über die insgesamt 400 Kilometer an Wander- und Waldpfaden schlendern, hat sich der Park auch durch strenge Schutzmaßnahmen lange seinen ursprünglichen Charakter bewahrt: In den dichten Wäldern um die 16 oberirdischen Seen tummeln sich selbst noch Bären und Wölfe.

Wird der Status als Weltkulturerbe aberkannt?

Drakonische Strafen von mehreren hundert Euro verhängt die Parkverwaltung bei Verstößen gegen das Jagd-, Angel- und Badeverbot. Doch selbst scheint sie nach den Erkenntnissen der Kroatischen Geologischen Gesellschaft (HGD) keineswegs immer behutsam mit den ihr anvertrauten Naturwundern umzugehen.

Bereits im November 2011 ging bei Kroatiens Umweltschutzinspektion eine anonyme Meldung über Zerstörungen im Nationalpark ein. Am Jahresende entsandte die HGD schließlich ein Expertenteam in den Park, das zu ernüchternden Einsichten kam. Bei Ausbesserungsarbeiten an den Wanderpfaden im Oberlauf der Seenkette sei es zu erheblichen Beschädigungen der Travertinbarrieren gekommen, so der mit zahlreichen Fotos dokumentierte Bericht der Geologen. Auf einer Länge von einem Kilometer seien an 24 Stellen die Tuffbarrieren beschädigt oder gar durchbrochen worden: In 17 Fällen sei der Wasserpegel dadurch merklich gesenkt, der Flusslauf geändert und sieben kleinere Seen „dauerhaft entwässert“ worden: Das in „Hunderten von Jahren“ entstandene Hydrosystem der Seenkette sei verändert und „schwer beschädigt“ worden.

Versiegt hier gerade eine Geldquelle?

Die Parkverwaltung hat den Vorwurf des Einsatzes von schweren Baugeräten genauso energisch zurückgewiesen wie den der Beschädigungen an den Tuffbarrieren. Bei den Ausbesserungsarbeiten eines 1931 angelegten Wanderpfads sei „nichts getan worden, das als Zerstörung bezeichnet werden könnte“, sagt Antonija Dujmovic, die Fachleiterin des Parks. „Es wurden keinerlei Maschinen eingesetzt, wurde nichts durchbrochen und alle Arbeiten von Hand ausgeführt: der Canyon ist ohnehin nur zu Fuß erreichbar.“ Möglich sei, dass es beim Beseitigen alter Holzbalken zu „kleineren Beschädigungen“ gekommen sei. „Aber von Verwüstungen kann keine Rede sein.“

In Kroatiens Medien zirkulieren bereits Spekulationen über eine etwaige Aberkennung des Status als Weltkulturerbe wegen der entstandenen Schäden. Es handle sich um einen „ernsten Fall“, dessen Fakten aber noch bestätigt werden müssten, so der stellvertretende Umweltminister Goran Heffer. Das Zagreber Umweltministerium hat deshalb vergangene Woche eigene Inspektoren in den Park entsandt, die aufgrund des starken Schneefalls aber unverrichteter Dinge wieder abreisen mussten. Sobald die Wetterumstände es zulassen, werden sie zurückkehren.