In Filderstadt geht rund ein Drittel der kommunalen Mitarbeiter einer Nebentätigkeit nach. Im Städtevergleich scheint dies hoch, doch genaue Zahlen liegen in den Rathäusern nicht vor.

Stuttgart - Ursula Keck beantwortet die Anfrage persönlich: Etwa 90 ihrer 526 Mitarbeiter (Stand Ende des vergangenen Jahres) hätten eine Nebenbeschäftigung angemeldet, sagt die Oberbürgermeisterin der Stadt Kornwestheim (Kreis Ludwigsburg). Das entspricht etwa 17 Prozent. Die Zahl derer, die nach Feierabend noch anderweitig Geld verdienten, steige zwar ihrem Eindruck nach. Beziffern lasse sich das aber nicht. Die Gründe dafür, glaubt das parteilose Stadtoberhaupt, seien „so individuell wie jede Familie“.

 

Der Anlass für die Anfrage: in Filderstadt (Kreis Esslingen) haben rund 30 Prozent der städtischen Bediensteten einen Nebenjob. Vor sieben Jahren war nur jeder Vierte nach Dienstschluss noch für andere Arbeitgeber tätig gewesen. Vor allem Erzieherinnen und Reinigungskräfte hätten Zweitjobs, berichtete die Filderstädter Verwaltung. Außerdem seien mehr als die Hälfte derer, die einem Nebenjob nachgehen, im Rathaus in Teilzeit angestellt.

In der Region Stuttgart sind die Lebenshaltungskosten hoch

„Das wundert mich überhaupt nicht“, sagt Dagmar Schorsch-Brandt, die bei der Gewerkschaft Verdi als Landesfachbereichsleiterin für die Gemeinden zuständig ist. Die Lebenshaltungskosten in der Region Stuttgart seien sehr hoch, das Gehalt im Öffentlichen Dienst aber eher mäßig: Eine Erzieherin verdiene als Berufsanfängerin 2300 Euro brutto im Monat. „Da kann man keine großen Sprünge machen“, sagt Schorsch-Brandt. Und es gebe in der öffentlichen Verwaltung einen relativ hohen Anteil an Teilzeitbeschäftigten. Nicht immer entspreche diese Beschränkung dem Wunsch der Arbeitnehmer. Sie verweist auf Schätzungen, wonach jeder dritte Rathausbedienstete nur Teilzeit arbeite.

„Der Mantel des öffentlichen Dienstes ist warm, aber eng“, so formuliert es Stefanie Hinz, die stellvertretende Geschäftsführerin des baden-württembergischen Städtetages. Kommunen als Arbeitgeber versprächen ein sicheres Einkommen, aber „gerade in der Region Stuttgart wachsen die Bäume nicht in den Himmel“ für die Rathausbeschäftigten. Hinz verweist jedoch darauf, dass auch Lehrtätigkeiten an der Verwaltungsakademie zu den Beschäftigungen oder stadtinterne Zusatzaufgaben, die der Kommune gar bares Geld sparten, als Zweitjob angemeldet werden müssten, zum Beispiel, wenn ein Kämmerer auch die Geschäfte der Stadtwerke führe.

Allerdings haben weder der Städtetag noch Verdi konkrete Zahlen, wie viele Angestellte mit Nebenjob es in den Rathäusern der Region gibt, ob es mehr werden und ob davon bestimmte Mitarbeitergruppen – etwa Erzieherinnen – besonders betroffen sind. Eine Umfrage unter den 25 Großen Kreisstädten mit mehr als 20 000 Einwohnern in der Region ergibt auch nur ein vages Bild.

Kein Überblick über die Zweitjobs der Rathausmitarbeiter

Lediglich etwa die Hälfte der Städte kann den Anteil ihrer Zweitjobber benennen. Demnach verdienen zwischen drei Prozent (Nürtingen) und 20 Prozent (Böblingen) der Rathausmitarbeiter nach Feierabend zusätzliches Geld. Häufig seien dies Teilzeitbeschäftigte, Erzieherinnen oder Musikschullehrer. Die andere Hälfte der Städte muss bei der Frage nach Zweitjobs passen. Zwar seien die Mitarbeiter verpflichtet, eine bezahlte Nebentätigkeit im Rathaus zu melden. Dies werde aber lediglich in den Personalakten vermerkt; einen genauen Überblick über ihre Zweitjobber haben folglich nur wenige Städte.

Die Kornwestheimer Oberbürgermeisterin Ursula Keck hält das aber auch nicht für problematisch. „Wir achten nur darauf, dass die Nebenjobs nicht im gleichen Bereich im Stadtgebiet ausgeübt werden“, sagt sie. Der Stadtgärtner etwa dürfe nicht in Kornwestheim noch gegen einen Obolus auch den Garten seines Nachbarn pflegen. Dass Musikschullehrer aber zusätzlich selbst professionell musizieren oder andernorts noch unterrichten, weil ihnen ihr Stundendeputat an der örtlichen Musikschule nicht ausreiche, sei üblich.

Keck verweist darauf, dass die Verwaltungsarbeit häufig von den Nebenjobs profitiere – etwa von den Lehrtätigkeiten ihrer Führungskräfte, weil diese an den Verwaltungsakademien wichtige Impulse für das Tagesgeschäft bekämen. Auf der Rechnung haben manche Städte das Thema aber doch: Die Personalämter von Ostfildern und Leinfelden-Echterdingen (beide Kreis Esslingen) recherchieren zurzeit, wie sich die Situation in ihren Rathäusern darstellt. Bis Ende des Jahres sollen ihre Berichte vorliegen.