Im Schuljahr 2016/17 soll in Baden-Württemberg Wirtschaft Schulfach werden. Dazu soll es zwischen Ministerium, Kammern und Gewerkschaften eine Vereinbarung geben. Noch ringen DGB und Arbeitgeber aber um die darin zu machenden Vorgaben.

Stuttgart - Gewerkschaften wie Arbeitgeberverband scheinen wie elektrisiert. Sobald die Rede auf das neue Schulfach Wirtschaft kommt, wird die Stimmung angespannt. Arbeitgeber, Kammern, Sozialpartner und das Ministerium wollen eigentlich noch im Juni eine gemeinsame Erklärung zum neuen Schulfach unterzeichnen. Doch ein erster Termin ist bereits geplatzt. Zwischen den Arbeitgebern und den Gewerkschaften gibt es Unstimmigkeiten.

 

Je näher die Einführung des Schulfachs rückt, desto lauter wird die Kritik des DGB. Er ist mit der Ausgestaltung des Fachs so wenig zufrieden wie mit den Kriterien für die Unterrichtsmaterialen. „Es strömt eine unglaubliche Masse von Materialien auf die Schulen ein“, konstatiert Joachim Ruth, der bildungspolitische Experte des DGB in Baden-Württemberg. Die Gewerkschaften sehen sich schon angesichts der schieren Masse im Hintertreffen gegenüber Wirtschaftsverbänden.

Was sie im Unterricht verwenden wollen, darüber entscheiden die Lehrer im Land selbst. Die Arbeitgeber haben daran nichts auszusetzen. „Lehrer sind selbstbewusste aufgeklärte Pädagogen, die wissen sehr wohl was ein Lehrmaterial taugt“, sagt Stefan Küpper, der Geschäftsführer Bildung beim Arbeitgeberverband Südwestmetall.

Grimmige Gewerkschaften

Der DGB dagegen bedauert, dass niemand überprüfe, ob die Materialien mit den Bildungsplänen übereinstimmten. Die Gewerkschaften sähen es am liebsten, wenn die Kultusministerien eine Prüfstelle einrichten würden. Das haben alle Länder abgelehnt, der Aufwand sei zu groß. Auch die Arbeitgeber finden, eine neue Zertifizierungsbehörde brauche es nicht.

Das Grimmen der Gewerkschaften bleibt. Die Trennung zum Sponsoring sei zu unklar, sagen sie. Teilweise würden sogar Adressen von Schülern erhoben, klagt Ruth. Er erwartet von der Arbeitsgruppe mit dem Ministerium klare Kriterien, an denen sich die Lehrer orientieren könnten. „Es muss klar sein, wer erstellt, wer finanziert die Materialien, und wer hat welche Interessen.“

Dass das Schulfach Wirtschaft 2016 kommt, ist unzweifelhaft. Auch der DGB fand ein solches Fach im Jahr 2000 nicht schlecht. Inzwischen rufen die Gewerkschaften aber nach „breit angelegter sozioökonomischer Bildung“ über Fächergrenzen hinweg. Ein eigenes Fach halten sie nicht mehr für nötig. Inhaltlich seien die Themen rund um die Mitbestimmung noch „deutlich unterrepräsentiert“. Das Fach Ethik habe keinerlei Bezug zum Fach Wirtschaft. Am liebsten wären dem DGB Fächerverbünde. Davon verabschiedet sich das Kultusministerium zunehmend.

Keine Produktplazierung

Trotz aller Einwände zeigt sich Joachim Ruth zuversichtlich, dass es zwischen den Beteiligten im Land zu einer Einigung kommt. Eine Selbstverpflichtung, neudeutsch Code of Conduct, sei so gut wie fertig, meldet das Kultusministerium.

Die Arbeitgeber stimmen ihr zu, wenn sie sie auch für eine Doppelung halten. Stefan Küpper jedenfalls verweist auf das bundesweite Selbstverständnis des Netzwerks Schule Wirtschaft. In diesem Netzwerk kooperieren die Arbeitgeber seit 60 Jahren mit den Schulen. Betont wird die Unantastbarkeit des Bildungsauftrags der Schule. Man richte sich nach dem Beutelsbacher Konsens, unterstreicht Küpper. Der regelt seit 40 Jahren die Grundlagen der politischen Bildung in Deutschland. Danach ist es verboten, die Schüler zu überrumpeln. Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen, und die Themen müssen sich am Schüler orientieren.

Ferner würden Produktplatzierungen abgelehnt, hohe Transparenz werde angestrebt, sagt Küpper, die Länderregelungen zur Werbung an Schulen würden eingehalten. Der für den Südwesten geplante Code setzt für ihn „noch einmal ein Signal in der Qualitätsdebatte“. Dennoch könnte eine Unterzeichnung scheitern. Zur Selbstverpflichtung soll eine Handlungshilfe kommen. Diese kann der Gewerkschaft nicht ausführlich genug sein, die Arbeitgeber warnen davor, sie zu überfrachten.

Lehrer sollen entscheiden

Das Kultusministerium zeigt sich zuversichtlich, dass man die Beteiligten doch noch unter einen Hut bringt. Die Lehrer sieht man gut vorbereitet. Sie sollen die Entscheidungshoheit behalten. Schon in der Ausbildung würden die Pädagogen lernen, die Materialien kritisch zu bewerten, sagt eine Sprecherin von Kultusminister Andreas Stoch (SPD). Im hauseigenen Newsletter gebe das Ministerium den Schulen regelmäßig Empfehlungen, welche Materialien sich gut für den Einsatz im Unterricht eigneten.

Das Haus bekennt sich zum Fach Wirtschaft und zur Kooperation: „Schule muss auch auf die Anforderungen der Berufs- und Arbeitswelt vorbereiten, deshalb ist es wichtig, dass Schule und Wirtschaft sich austauschen“, lässt Stoch ausrichten. Um illegitime Einflussnahmen von Seiten der Wirtschaft auszuschließen, gebe es Verwaltungsvorschriften und Anordnungen. Die Verwaltungsvorschrift zum Sponsoring will der DGB erneut beleuchtet sehen, ehe das Schulfach kommt.