Zwar blieb Elliots hohe Intelligenz unbeeinträchtigt, aber er wurde immer unfähiger, Entscheidungen zu treffen. Stundenlang saß er in seinem Büro und grübelte, nach welchem Ordnungssystem er seine Dokumente ablegen sollte, vertiefte sich in unwichtige Papiere und brachte nichts mehr zuwege. Schließlich wurde er entlassen, stürzte sich in Spekulationsabenteuer und ließ sich dabei über den Tisch ziehen. Ihm fehlte das „ungute Gefühl“, das sich bei anderen Menschen in solchen Situationen einstellt. Antonio Damasio, heute Direktor des Instituts für Gehirn- und Kreativitätsforschung an der Universität von Südkalifornien, fasst den Fall in seinem Bestseller „Descartes‘ Irrtum“ zusammen: „Die Tragödie des ansonsten gesunden und intelligenten Mannes lag darin, dass er weder dumm noch unwissend war und sich trotzdem oft so verhielt, als wäre er es. Die Mechanismen seiner Entscheidungsfindung waren so beeinträchtigt, dass er nicht mehr als verlässliches Mitglied der Gesellschaft handeln konnte. Obwohl er die katastrophalen Folgen seines Handelns sah, schien er aus seinen Fehlern nicht zu lernen.“ Mit anderen Worten: Der Mann war zu vernünftig.

 

Wir sind Gefangene unserer Gefühle

Das soll nicht heißen, dass es nicht in bestimmten Situationen vernünftig wäre, vernünftig zu sein. Selbstverständlich sind Menschen in der Lage, sich für das Verstandesgemäße zu entscheiden. Sie können die Treppe statt der Rolltreppe nehmen. Sie können auf das coole T-Shirt und die Chips verzichten, wenn sie sich anstrengen und sich überwinden. Die Neurowissenschaftler sind sich jedoch sicher, dass Menschen Gefühle und Verstand nicht trennen können. Unzählige Einflüsse der Umwelt wirken unbewusst auf unsere Entscheidungen ein. Spielt ein Supermarkt in der Weinabteilung französische Chansons, sind wir eher geneigt, französischen Wein zu kaufen. Der Moralpsychologe Jonathan Haidt, Professor an der New York University, ist sogar davon überzeugt, dass auch alle unsere moralischen Urteile von der Emotion gesteuert werden. Erst nachdem wir das Urteil gefällt haben, überlegen wir uns gute Gründe, mit denen wir es rechtfertigen.

Sehen wir also der Wahrheit ins Auge: Wir sind Gefangene unserer Emotionen. Die Aufforderung „Sei doch vernünftig“ führt uns nicht auf den Königsweg zum besseren Leben.