Bundesministerin Hendricks plant eine Novelle in der Wertstoffwirtschaft. Für die Bürger im Landkreis Ludwigsburg könnte das deutlich höhere Müllgebühren bedeuten. Aber: kennt die Ministerin ihren Gesetzentwurf überhaupt?

Kreis Ludwigsburg - Mit einem Aufschrei der Empörung reagiert der Aufsichtsrat der Ludwigsburger Kreis-Abfallentsorgung AVL auf den Entwurf zum neuen Wertstoffgesetz. Die Kreisräte und die Kreisverwaltung befürchten, dass die öffentliche Hand künftig nicht mehr oder deutlich weniger beim Einsammeln und der Vermarktung von Wertstoffen mitwirken dürfen. Wenn der AVL dieses Geld fehle, dann drohe unterm Strich ein Anstieg der Müllgebühren. Der Landrat nennt den Gesetzesentwurf „eine äußerst unangenehme Angelegenheit“, offenbar hätten die interessierten Kreise im Dualen System „mit ihrer Lobbypolitik ganze Arbeit geleistet“, sagte Rainer Haas unlängst beim Jahrespressegespräch des Landratsamts.

 

„Wir ärgern uns sehr“, sekundierte sein Stellvertreter und AVL-Geschäftsführer Utz Remlinger bei der AVL-Sitzung am Donnerstag. Er stuft die finanziellen Auswirkungen des Gesetzes, wenn es in der vorliegenden Form beschlossen werde, als erheblich ein. In guten Jahren nehme die AVL bis zu fünf Millionen Euro mit Wertstoffen aus der „Rund“-Tonne ein. Das sei in Anbetracht der Gesamteinnahmen von 30 Millionen Euro im Gebührenhaushalt ein großer Brocken. Sind also Gebührensteigerungen von 15 bis 20 Prozent zu erwarten? „Es sind erhebliche Steigerungen zu befürchten“, sagt Remlinger.

„Es ist absurd, dieses System zu stärken"

Seit Jahren ist der Landkreis Mitglied der Gemini-Gruppe, die die Abschaffung der Dualen Systeme in Deutschland fordert. Die bestehenden Unternehmen hätten in der Vergangenheit „ein verheerendes Bild abgegeben“. Und jetzt „fällt dem Bundes-Umweltministerium nichts besseres ein, als dieses System zu stärken, das ist absurd“. Der Landrat will einen Protestbrief an das Umweltministerium schreiben, „wir müssen jetzt alle sehr aktiv werden“.

Im Kern richtet sich die Kritik der AVL dagegen, dass die Dualen Systeme laut dem Entwurf die Hoheit über das Einsammeln der Wertstoffe bekommen sollen. „Damit wird der Bock zum Gärtner gemacht“, sagte der AVL-Chef Remlinger. Laut dem Entwurf soll Kommunen nur noch das Recht eingeräumt werden, eine Rüge auszusprechen, wenn ihrer Ansicht nach die Entsorgung nicht gut läuft.

Haben die Konzerne Angst vor dem Landrat?

„Da werden die bundesweit agierenden Konzerne erzittern, wenn sie einen Brief von mir kriegen“, scherzte der Landrat. Der Landkreistag lehne den momentanen Entwurf rundweg ab. Er frage sich: „Kennt Frau Umweltministerin Hendricks diesen Entwurf überhaupt?“

Die Auswirkungen des Gesetzes „sind beim Bürger noch zu wenig bekannt“, sagte der Aufsichtsrat Reinhard Rosner (CDU) am Donnerstag. „Da wird den Bürgern etwas weggenommen, was ihnen gehört“, ergänzte Rainer Gessler (Freie Wähler). Joachim Wirth (SPD) nahm seine Parteifreundin Hendricks in Schutz: „Die SPD ist eine Diskussionspartei“, der Entwurf sei „im Moment nur ein Papier“. Peter-Michael Valet (Grüne) kritisierte: „Mich wundert, wie leicht Frau Hendricks auf Lobbyisten reinfällt.“ Auch Volker Godel (FDP) sprach von einem „Lobbypapier“.